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Notizbuch

Kniegelenksarthrose

- Ursache:

  • Idiopathisch (primär), Mehrbelastung führt zu einem zunächst lokal begrenzten
    Knorpelverschleiß, der dann zunehmend das gesamte Gelenk betrifft
  • sekundär:
    • posttraumatisch
    • nach Infektion
    • gelenknahe Tumoren
    • Fehlstellung
    • nach Meniskektomie
    • nach VKB-Ruptur, oder VKB-plastik
Abb. 1-28: Sekundäre Kniegelenksarthrose nach Therapie eines Riesenzelltumors (A), nach proximaler Tibiafraktur (B), nach Infektion (C) und nach offener Meniskektomie (D)
Abb. 1-28: Sekundäre Kniegelenksarthrose nach Therapie eines Riesenzelltumors (A), nach proximaler Tibiafraktur (B), nach Infektion (C) und nach offener Meniskektomie (D)
Orthoforum

 

- Varusdeformität: Varusgonarthrose

  • Ursache für die Fehlstellung ist der mediale Knorpel- und Knochenverlust
  • medialer Knorpel-Knochen-Verlust von 1cm verursacht eine 10 Grad Varusdeformität
  • Deformität wird durch Gewichtsbelastung verstärkt: lateraler Thrust: laterales aufklappen unter Belastung
  • lateraler Thrust: Progredienz wahrscheinlich, da lateralen Weichteile bei jedem Schritt gedehnt
  • erst in der Spätphase kommt es zu einer Insuffizienz des lateralen Seitenbandes mit
    zunehmender Subluxation des Femurs
  • fixierte Deformität: ist auf die sekundäre Kontraktur der medialen Weichteile zurückzuführen

- Valgusdeformität: Valgusgonarthrose

  • Knochenverlust v.a. im Bereich der hinteren 2/3 der Femurkondyle (Röntgenbild in
    30 Grad Beugung unter Belastung)
  • Substanzverlust im Gegensatz zur Varusdeformität v.a. im Bereich der posterioren Femurkondylen
  • Medialer Thrust: mediales Aufklappen unter Belastung, prognostisch ungünstig
  • Lateralisation der Patella mit Kontraktur des lateralen Retinakulums
  • in der Folge kommt es zu einer Dehnung des medialen Kollateralbandes
  • fixierte Deformität aufgrund einer sekundären Kontraktur der lateralen Weichteile

 

Abb. 1-29: Varusgonarthrose mit Subluxation des Femurs bei Insuffizienz des lateralen Seitenbandes (A), Windschlagdeformität: Kombination aus Varusgonarthrose (rechtes Knie) und Valgusgonarthrose (linkes Knie) (B)
Abb. 1-29: Varusgonarthrose mit Subluxation des Femurs bei Insuffizienz des lateralen Seitenbandes (A), Windschlagdeformität: Kombination aus Varusgonarthrose (rechtes Knie) und Valgusgonarthrose (linkes Knie) (B)
Orthoforum

 

- Beugekontraktur:

  • in 15 Grad Beugung: größtes Kapselvolumen
  • führt zu progredientem Knochenverlust im Bereich des posterioren Tibiaplateaus

- Circulus vitiosus:

  • mediale Arthrose > Varusfehlstellung > Lastlinie verläuft medial des Gelenkzentrums
    > verstärkte Belastung des medialen Kompartiments > verstärkt die mediale Arthrose
  • Flexionskontraktur > verstärkt die Kompression zwischen Femur und Tibia > Verschleiß
    vor allem im Bereich des hinteren Tibiaplateaus > hintere Subluxation > Einschränkung
    der Extension > Zunahme der Beugekontraktur

Einteilung:

- Einteilung von Knorpeldefekten nach Outerbridge

  • Grad 0: normal
  • Grad 1: Schwellung und Erweichung des Gelenkknorpels
  • Grad 2: Auffaserung
  • Grad 3: Knorpelrisse, die bis zum subchondralen Knochen reichen
  • Grad 4: völliger Verlust des Gelenkknorpels, der subchondrale Knochen liegt frei

 

Abb. 1-30: Radiologische Zeichen einer Arthrose (A-C): Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung, Geröllzysten, laterale Osteophyten (A), u.a. entlang des lateralen Femurkondylus (C)
Abb. 1-30: Radiologische Zeichen einer Arthrose (A-C): Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung, Geröllzysten, laterale Osteophyten (A), u.a. entlang des lateralen Femurkondylus (C)
Orthoforum

 

- Kellgren-Lawrence Klassifikation: Einteilung anhand des Röntgenbildes

  • Grad 0: normaler Gelenkspalt
  • Grad 1: fragliche Gelenkspaltverschmälerung, fragliche osteophytäre Randkantenausziehung
  • Grad 2: Osteophyten sichtbar, Gelenkspaltverschmälerung möglich
  • Grad 3: mehrere mittelgroße Osteophyten, definitive Gelenkspaltverschmälerung, geringe
    subchondrale Sklerosierung, Fehlstellung möglich
  • Grad 4: große Osteophyten, deutliche Gelenkspaltverschmälerung, starke subchondrale
    Sklerosierung, Gelenkfehlstellung
  • Grad 2 und höher: Arthrose

Diagnose / Klinik:

- belastungsabhängige Beschwerden
- Ruheschmerzen: Hinweis auf fortgeschrittene Arthrose
- patellofemorale Arthrose: Schmerzen beim Treppensteigen, beim Aufstehen nach langem
  Sitzen, beim Kniebeugen
- Gelenkinstabilität und Deformität
- Bewegungsumfang im Seitenvergleich, Beugekontraktur
- Patella: Verschiebbarkeit, Schmerz im Bereich der Patellafacetten
- AP-Instabilität: Lachmann Test, vordere oder hintere Schublade
- Röntgen: AP, PA in 30 Grad Beugung (beide im Stand), Patella-tangential-Aufnahme

 

Abb. 1-31: Varusgonarthrose rechts (A), degenerative Veränderungen (Arthrose) im MRT (B,C)
Abb. 1-31: Varusgonarthrose rechts (A), degenerative Veränderungen (Arthrose) im MRT (B,C)
Orthoforum

 

- MRT: bestes Verfahren zur Beurteilung früher Knorpel- und Meniskusveränderungen; bei
fortgeschrittener Arthrose gibt das MRT kaum zusätzliche Informationen

Therapie:

- Modifikation des Lebenswandels:

  • Vermeidung von starker Belastung
  • adäquate Ruhepausen
  • Gewichtsreduktion
  • Vermeidung schmerzhafter Bewegungen: z. Bsp. Treppensteigen, Kniebeuge

- Krankengymnastik:

  • Erhalt des Bewegungsumfangs und Vermeidung von Kontrakturen
  • Muskelaufbau und –kräftigung: Stabilisierung des Kniegelenks

- physikalische Therapie:

  • Wärme, Hydrotherapie, Ultraschall, Kryotherapie
  • Therapie im Bewegungsbad: Kräftigung der Muskulatur und Erhalt der Beweglichkeit unter Ausschaltung des Körpergewichts

- Schuhzurichtung:

  • schockabsorbierende Sohlen
  • Schuhaußenranderhöhung bei Varusgonarthrose
  • Schuhinnenranderhöhung bei Valgusgonarthrose

- Schienung:

  • elastische Stützstrümpfe: Verbesserung der Propriozeption
  • entlastende Orthesen: 3-Punkt-Orthese für die Entlastung des medialen Kompartiments bei Varusgonarthrose

- Gehstock:

  • für die Hand der gleichen Seite (Knie) oder Gegenseite (Hüfte)
  • Gehstock sollte bis zur Spitze des Trochanter major reichen (mit Schuhen)

- orale Arthrosemedikamente:

  • Chondroitinsulfat und Glukosamine: Nährstoffe für den Knorpel, stimulieren den
    Knorpelstoffwechsel (Effekt in randomisierten Studien nur für Glucosaminsulphat
    belegt)

- Infiltration mit Lokalanästhetikum und Kortison

  • maximal: 3-4/Jahr
  • Kortison:
    • Triamcinolonacetonid (Volon A, Triam-Inject KS) Verweildauer 3-8 Tage
    • Triamcinolonhexaacetonid (Lederlon) Verweildauer: 6 Tage
    • Rimexolon (Rimexel) Verweildauer: 25 Tage

 

Abb. 1-32: Schemazeichnung über die Funktion der Hyaluronsäurepräparate (Viscoseal) (Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Chemedica AG (Haar/München))
Abb. 1-32: Schemazeichnung über die Funktion der Hyaluronsäurepräparate (Viscoseal) (Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Chemedica AG (Haar/München))
Orthoforum

 

- Instillation mit Gelenkflüssigkeitsersatz (Hyaluronsäure (Hyalgan, Synvisc, Orthovisc,
Viscoseal))

  • Kosteneffizienz: im Frühstadium wahrscheinlich
  • Technik:
    • vor Infiltration Aspiration des Gelenkergusses
    • nicht mit einem Lokalanästhetikum kombinieren
    • ggf. die erste Spritze in Kombination mit Kortison (Studien laufen)
  • Wirkmechanismus:
    • erhöht den Gehalt an Hyaluronsäure in der Gelenkflüssigkeit
    • verbessert die Lubrikation der Gelenkflächen
    • absorbiert Belastung
  • Komplikationen: transiente Synovialitis mit massiver Schwellung und Rötung nach
    Infiltration in ca. 1% der Fälle (Synvisc; bei Hyalgan bisher nicht beschrieben)
  • Faktoren für ein gutes Ansprechen:
    • moderater Gelenkerguss
    • Verschmälerung des Gelenkspaltes in nur einem Kompartiment (Kellgren Grad 2-(3))

- arthroskopisches Débridement:

  • seit einer Studie von Moseley im New England Journal of Medicine wird die Bedeutung
    eines arthroskopischen Débridements sehr kontrovers diskutiert (N Engl. J Med
    2002; 347: 81-8): Studie zeigt keinen Unterschied zwischen Arthroskopie und einer
    vorgetäuschten Operation mit Inzision der Haut ohne Arthroskopie; Problem der
    Studie: keine genauen Einschlusskriterien (mechanische Symptome, relativ normale
    Gelenkachse), Placeboeffekt ist auch real
  • Kombination mit Lösung von Verklebungen der Gelenkschleimhaut im suprapatellarem
    Rezessus und dem anterioren Intervall (zwischen Vorderhorn des Meniskus und
    Ligamentum patellae)
  • ggf. mit Microfracture zur Dekompression des subchondralen Knochens
  • Microfracture + CPM Schiene nur, wenn keine ausgeprägte Varus- oder Valgusdeformität
  • Indikation:
    • mechanische Symptome
    • Anamnese < 6 Monate
    • normale Gelenkachse
    • geringe bis moderate Arthrose: Kellgren Grad 2-(3)
    • Arthrose betrifft nur ein Gelenkkompartiment

- Umstellungsosteotomie:

  • Varusdeformität: Tibiaosteotomie
  • Valgusdeformität: Femurosteotomie
  • Geringe Valgusfehlstellung: ggf. Tibiaosteotomie

- unikondyläre Prothese
- totale Knieprothese
- Arthrodese

Komplikationen / Prognose:

- Erkrankung mit progredientem Verlauf

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