Tibiakopffraktur
- Ätiologie: Kontakt der Femurkondyle mit dem Tibiaplateau bei Trauma
- Häufigkeit: laterale > bikondyläre > mediale Tibiakopffrakturen
Bildgebung:
- Röntgen: AP, seitlich, schräg
- Computertomografie:
- exzellent zur Planung des operativen Vorgehens
- Gelenkstufen sicher abgrenzbar
- gerade bei perkutanen Verfahren und kleinen Zugängen wichtig, um eine adäquate Osteosynthese zu ermöglichen
- bei offenem Operationsverfahren nicht zwingend erforderlich
- MRT:
- zusätzliche Informationen über Weichteilverletzungen: mediales Kollateralband, vorderes Kreuzband, Meniskusverletzungen (50%)
- Arthroskopie: Beurteilung der Gelenkfläche bei perkutanen und minimal invasiven Verfahren
Einteilung:
Schatzker Klassifikation:
- Typ 1: laterales Fragment
- Typ 2: laterale Fraktur mit Impression der Gelenkfläche
- Typ 3: Impression der lateralen Gelenkoberfläche
- Typ 4: mediale Fraktur
- Typ 5: bikondyläre Fraktur
- Typ 6: bikondyläre Fraktur mit Verlust der meta-diaphysären Lagebeziehung der Fragmente
AO-Klassifikation:
- Typ A: extraartikulär
- Typ B: intraartikulär, monokondylär (Schatzker 1-4)
- Typ C: intraartikulär, bikondylär (Schatzker 5-6)
- Einteilung - Luxations-Frakturen nach Moor I-V: (dorsomedialer Spaltburch Moore I, Emminentia intercondylaris Moore II, Segond-Fraktur Knöcherner Ausriss der Kollateralbänder Moore III, Randimpressionen Moore IV, 4-Part-Fraktur Moore V)
Therapie:
konservative Therapie:
- Oberschenkeltutor und Entlastung für 8 Wochen
- anschließend Teilbelastung für 4 Wochen
- regelmäßige Röntgenverlaufskontrollen, um Korrekturverlust auszuschließen
- umgehende Operation bei Korrekturverlust
- passive Mobilisation je nach Frakturstabilität ab der 2. Woche
- keine passive Mobilisation solange >10 Grad Aufklappbarkeit bei VarusValgus-Stress
operative Therapie:
- OP-Indikation:
- Typ 1-3: Gelenkstufe ≥2mm oder >5 Grad Valgusfehlstellung
- Typ 4: Fragmentverschiebung oder Varusfehlstellung
- Typ 5-6: Translation nach medial, >5 Grad Abweichung nach lateral oder Gelenkstufe ≥2 mm
- perkutane Osteosynthese:
- Typ 1,4,5: ohne Fragmentverschiebung (Computertomografie) und maximal 2-3 Fragmenten
- Typ 1: Schraubenosteosynthese
- Typ 4 und 5: Plattenosteosynthese oder Fixateur extern, wenn keine Reposition durch Ligamentotaxis dann Arthrotomie oder Arthroskopie und ggf. größerer Zugang
- offene Reposition und Plattenosteosynthese:
- nur bei adäquaten Weichteilverhältnissen
- Kontraindikation:
- Spannungsblasen
- ausgedehnte Schwellung oder Hämatom
- ggf. Distraktion durch Fixateur extern zur Erleichterung der Reposition
- bei bikondylären Frakturen mediale und laterale Plattenosteosynthese je nach Wundverhältnissen erst nach 1 Woche oder initialer Ruhigstellung im Fixateur
- LISS Platte: neue sinnvolle Alternative
- Fixateur extern:
- Mehrfragmentfraktur des medialen und lateralen Tibiaplateaus (Typ 5 und 6) mit schlechten Weichteilverhältnissen
- Kombination aus K-Draht-Fixierung, kanülierten Schrauben und Fixateur: HybridVersorgung
- Spongiosaplastik:
- Zur Unterfütterung knöcherner Defekte
- Alternative: Knochenersatzstoffe
- post-OP:
- Hochlagerung auf 30- Grad-Schiene
- nach Abschwellung beschwerdeadaptierte passive Mobilisation (CPM)
- Arbeit an voller Streckung
- 10kg Teilbelastung für 6 Wochen
- Weichteilverletzungen:
- Seitenbänder: Naht, wenn im Anschluss an die Frakturversorgung eine Varus-ValgusInstabilität besteht
- mediales Kollateralband bei Typ 1 und 2 Frakturen verletzt
- Meniskus: partielle Meniskektomie oder Naht
- Kreuzbandplastik:
- Kreuzbandplastik nach Ausheilung der Fraktur
- Verletzung des vorderen Kreuzbandes bei Typ 2 und 6 Frakturen
Kindesalter:
Fraktur der proximalen Tibiametaphyse
- starkes Trauma (Verkehrsunfälle, Sturz aus großer Höhe)
- M/2 (Biegefraktur, Grünholzfraktur) und M/3 Frakturen
- Therapie:
- konservative Therapie:
- Indikation: Stauchungsfraktur, undislozierte komplette Querfraktur (M/3) ohne Seitzu-Seit Verschiebung
- Problem ist die Biegefraktur mit intaktem, lateralem Periost: Gefahr der Valgusfehlstellung; mediale Kompression im Gips, ggf. Gipskeilung essentiell
- Komplikation: Valgusdeformität durch vermehrtes Wachstum der medialen Fuge und/oder Zügelung durch laterales Periost; Nachkontrollen bis Wachstumsabschluss
- operative Therapie:
- Indikation: nicht exakt reponierbare oder retinierbare Frakturen
- Methode der Wahl: medialer Fixateur extern der mediale Kompression erlaubt
- schmerzadaptierte primäre Vollbelastung möglich
- Fixateurentfernung nach 4-5 Wochen
- Komplikation: Valgusfehlstellung, Nachkontrolle bis Wachstumsabschluss
Tibiaplateaufraktur
- Ausrissfrakturen der Eminentia intercondylica
- konservative Therapie: nicht oder gering dislozierte Frakturen werden in Hyperextension gegipst, Vollbelastung für 4 Wochen im Oberschenkeltutor
- operative Therapie: dislozierte Fraktur, arthroskopische Refixierung mit Zugschraube, ggf. Cerclage mit resorbierbarem Nahtmaterial und Ruhigstellung im Oberschenkeltutor (bei Drahtcerclage ME nach 8 Wochen)
Prognose / Komplikationen:
- Infektion & Wundheilungsstörungen:
- beeinträchtigte Weichteilverhältnisse
- ggf. Operation zu späterem Zeitpunkt oder Fixateur extern / Hybrid-Fixierung
- Peroneusparese
- posttraumatische Arthrose: ältere Patienten mit deutlicher Arthrose können ggf. initial konservativ behandelt werden, um nach Konsolidierung der Fraktur eine Knieprothese zu implantieren
- in Fehlstellung verheilte Frakturen: jede Varusfehlstellung ist ungünstig
- das Alter zum Zeitpunkt der Verletzung hat entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis:
- > 40 Jahre: 57% der Patienten vergleichbare Funktion wie gesunde Kontrollgruppe
- ≤ 40 Jahre: 92% der Patienten vergleichbare Funktion wie gesunde Kontrollgruppe