Distale Radiusfraktur
- häufigste Fraktur: 15% aller Frakturen
- Risiko:
- Frauen
- zwei Altergipfel: 6.-10. und ab dem 60. Lebensjahr
- Hautwunden: Hinweis auf offene Fraktur
Bildgebung:
- Röntgen: AP, lateral, Schrägaufnahme
- Normales distales Radioulnar-Verhältnis:
- Abstand zwischen Tangente an Proc. styloideus radii und an die ulnare Gelenkfläche: normal 12 mm
- Abstand zwischen Tangente an medialen Rand des distalen Radius und an ulnare Gelenkfläche: normal 1 mm
- radiale Gelenkfläche:
- Ulnarinklination: (Linie an die Spitze des Proc. styloideus radii und den medialen Rand des distalen Radius) normal 23 Grad
- Palmarinklination: normal 11 Grad
- Computertomografie: Beurteilung Gelenkfläche
- Bildverstärker: Untersuchung in Narkose vor geschlossener Reposition
Einteilung:
AO-Klassifikation AO-Klass: 23
- Typ A: extraartikuläre Fraktur
- A1: Ulna
- A2: Radius einfach, impaktiert
- A3: Radius, Mehrfragmentfraktur
- Typ B: teilweise Gelenkbeteiligung
- B1: sagittale Radiusfraktur (Chauffeur)
- B2: Fraktur des dorsalen Radiusrands (dorsale Barton)
- B3: Fraktur des palmaren Radiusrands (reversed Barton)
- Typ C: Gelenkbeteiligung
- C1: artikulär und metaphysär einfach
- C2: artikulär einfach und metaphysäre Mehrfragmentfraktur
- C3: artikuläre und metaphysäre Mehrfragmentfraktur
- Smith: Abknicken nach palmar (Flexionsfraktur)
- Colles: Abknicken nach dorsal (Extensionsfraktur)
- Barton: Fraktur des dorsalen oder palmaren Radiusrandes
- Chauffeur: Fraktur des Proc. styloideus radii
Therapie:
konservative Therapie:
- Indikation: A1 und A2, selten auch nicht dislozierte B1 Fraktur
- stabile Fraktur
- <3mm (normal 1 mm) Radiusverkürzung
- Ulnarinklination des distalen Radius: >13 Grad
- Palmarinklination des distalen Radius: <20 Grad
- Extension des distalen Radius: <10 Grad
- ggf. Reposition:
- Bruchspaltanästhesie von dorsoradial: umstritten, da eine Infiltration aus einer geschlossenen Fraktur eine offene Fraktur macht
- Mädchenfängerextension mit 1-3kg
- ggf. manuelle Reposition
- Ruhigstellung mit gespaltenem Unterarmgips, Ellenbogen bleibt frei
- nach einer Woche zirkulärer Gips für 4 -6 Wochen mit Unterarm in Neutralstellung und Handgelenk in leichter Flexion und Ulnardeviation
- Problem:
- hohes Risiko eines Korrekturverlustes, Verlaufskontrolle nach 1 Woche
- erneute Manipulation hat keinen Einfluss auf das Ergebnis
operative Therapie:
- Zeichen für eine instabile (operationspflichtige) Radiusfraktur
- dorsale Trümmerzone
- Fraktur des Proc. styloideus ulnae
- radio-ulnare Dissoziation
- Barton Fragmente
- Palmarinklination mit schrägem Frakturverlauf
- Extension des distalen Radius >20°
- erneute Fragmentverschiebung nach Reposition
- perkutane K-Drahtfixierung (Bohrdrahtosteosynthese):
- Indikation: A2, B1, C1 Frakturen
- Technik nach Kapandji:
- Reposition über K-Draht, dann Fixierung
- nur bei relativ stabilen Frakturen sinnvoll
- 1. K-Draht: Proc. styloideus radii, dorsal der 1. Extensorenloge im Winkel von 45 Grad
- 2. K-Draht: dorsal-ulnarer Rand des distalen Radius zwischen 4. und 5. Extensorenloge (von dorsal nach palmar in 45 Grad)
- Fixateur extern:
- Indikation: C3 und offene Fraktur Grad 2-3 nach Gustilo
- Pins in Radius und Metacarpale 2
- Reposition: über Ligamentotaxis, ggf. mit K-Draht, ggf. sekundäre Spongiosaplastik und Plattenosteosynthese
- Pineintrittsort:
- Radius: dorsoradial zwischen Extensor carpi radialis und brevis
- Metacarpale 2: Stichinzision, stumpfe Präparation zum Knochen, um den sensiblen Ast des N. radialis zu schonen
- Fixateur verändert Kinematik des Handgelenks
- deswegen geht der Trend zur Plattenosteosynthese
- Radiusfixateur ist für die klassische Fixateurindikation kaum sinnvoll
- Plattenosteosynthese:
- Indikation: A3, B2, B3, C1, (C2)
- Zugang vom Ort der maximalen Fragmentverschiebung:
- B2 Fraktur des dorsalen Radiusrands (dorsale Barton), Colles-Fraktur: dorsale Platte
- B3 Fraktur des palmaren Radiusrands (reversed Barton), Smith-Fraktur: palmare T-Platte
- Trend zur winkelstabilen, palmaren Platte für alle Frakturtypen
- arthroskopisch kontrollierte Wiederherstellung der Gelenkfläche:
- bessere Darstellung der Gelenkfläche
- Darstellung einer Begleitverletzung des Discus articularis und der intercarpalen Bänder
- es ist unklar, ob die Arthroskopie einen Einfluss auf das funktionelle Ergebnis hat
Kindesalter:
distale Unterarmfrakturen
- Sturz auf den ausgestreckten Arm
- Radius- oder kombinierte Ulna- und Radiusfraktur
- in der Regel: Epiphysenfugenfraktur, oder metaphysäre Fraktur (Stauchungsfraktur, Biegungsfraktur, Grünholzfraktur)
- Therapie:
- Konservative Therapie:
- bis 10. Lebensjahr kann bis 20 Grad Fehlstellung konservativ therapiert werden
- ggf. Reposition unter Narkose (Mädchenfänger), ggf. Gipskeilung
- bis 10. Lebensjahr: Oberarmgips für 3 Wochen (Kallus druckschmerzhaft?)
- ab 10. Lebensjahr: Unterarmgips für 3-4 Wochen
- Stellung: Handgelenksflexion
- operative Therapie:
- Indikation: sekundäre Dislokation, Retention unmöglich
- Methode der Wahl: 2-K-Drähte in der Technik nach Kapandji
- Unterarmgipsschiene, nach 1 Woche Wechsel auf zirkulären Gips
- Dia-metaphysäre Fraktur ggf. Minifixateur
- Komplikation: überschießendes Wachstum mit Radiusvorschub versus vorzeitiger Fugenverschluss mit Ulnavorschub
Prognose / Komplikation:
- geringe Radiusverkürzung:
- Pro- & Supinationseinschränkung
- Impingement zwischen Ulna und Handwurzel: Schmerz
- Einschränkung der Griffkraft
- Arthrose
- ggf. Verkürzungsosteotomie der Ulna
- Fehlstellung:
- verstärkte Abknickung nach dorsal: vermehrte Last im ulnocarpalen Gelenkanteil
- verringerte Ulnainklination des Radius: Lastverschiebung zum Os lunatum
- ggf. frühe Korrekturosteotomie: ca. 8-10 Wochen nach Fraktur
- ggf. in Kombination mit Ulnakorrektur
- posttraumatische Arthrose: erhöhtes Risiko bei einer Stufe von mehr als 2mm
- Kahnbeinfraktur ausschließen
- Nervenverletzung: N. medianus
- Dreiecks-Faser-Knorpel (Triangular fibrocartilage TFC) häufig verletzt:
- Reparatur, wenn nach Fixierung der Fraktur verbleibende Instabilität im distalen radioulnaren Gelenk
- Pseudarthroserate: gering
- M. Sudeck
- Kompartmentsyndrom
- traumatisches Karpaltunnelsyndrom