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Notizbuch

Spinalkanalstenose

- Definition: Enge des Spinalkanals und/oder des lateralen Recessus
- Ätiologie:

  • angeboren:
    • idiopathisch
    • Achondroplasie
  • erworben:
    • degenerativ (zentral, lateraler Recessus, degenerative Spondylolisthesis)
    • Spondylolisthesis
    • iatrogen nach Laminektomie, Fusion, Chemonukleolyse
    • posttraumatisch
    • Morbus Paget
    • Fluorose

- Pathogenese: degenerative Spinalkanalstenose

  • Stadium 1: Verschleiß der Bandscheibe, Synovialitis der Facettengelenke
  • Stadium 2: Instabilität des Bewegungssegments mit einer degenerativen Spondylolisthesis (L4/5 am häufigsten) bis Grad 2; Risiko bei vertikal ausgerichteten Facettengelenken erhöht
  • Stadium 3: Konsolidierung mit Entwicklung einer Spinalkanalstenose; Ursache: Retrophyten, Osteophyten der Facettengelenke, Hypertrophie des Ligamentum flavum

Klinik / Diagnose:

- Manifestation als:

  • intermittierende neurogene Claudicatio
  • radikuläre Symptomatik
  • chronisches Cauda equina Syndrom
  • atypische Beinschmerzen

- Claudicatio:

  • Schmerzen und Schwäche in den Beinen mit zunehmender Gehstrecke
  • Besserung durch Vorwärtsbeugung und Hinsetzen (Durchmesser des Spinalkanals und der Foramina intervertebralia nimmt in Inklination zu)

- radikuläre Symptomatik: bei einer Stenose des lateralen Recessus kann ein klinisches Bild vergleichbar einem Bandscheibenvorfall entstehen
- chronisches Cauda equina Syndrom: langsam entstehende Blasenschwäche, Schmerzen in Damm und Rektum
- atypische Beinschmerzen: diagnostisch schwer von beginnender Coxarthrose abzugrenzen
- Myelografie:

  • Sanduhrform des Kontrastmittels, heute in der Regel mit CT kombiniert
  • Computertomografie gestattet exzellente Darstellung der knöchernen Enge

 

Abb. 5-9: Spinalkanalstenose im Segment LWK 3/4. Deutliche Einengung des Spinalkanals im MRT (A), sowie sanduhrförmiger Abbruch des Kontrastmittelsflusses in der Myelografie (C-D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 5-9: Spinalkanalstenose im Segment LWK 3/4. Deutliche Einengung des Spinalkanals im MRT (A), sowie sanduhrförmiger Abbruch des Kontrastmittelsflusses in der Myelografie (C-D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

 

- Computertomografie: ohne Myelografie aufgrund der inadäquaten Weichteildarstellung wird nur etwa ¼ der Patienten mit zentraler Stenose korrekt indentifiziert
- MRT:

  • exzellente Darstellung des Spinalkanals, der Facettengelenke und der Dicke des Ligamentum flavum
  • sagittale und koronare Rekonstruktion möglich
  • Korrelation mit der Klinik entscheidend

- somatosensorisch evozierte Potentiale: hilfreich bei der Identifizierung der beteiligten Nervenwurzeln
- immer fachneurologische Untersuchung, um eine Polyneuropathie auszuschließen

 

Klassifikation nach Schizas:

- Grad A: Liquorflüssigkeit ist inhomogen im Durasack verteilt A1: Nervenwurzeln liegen dorsal und füllen weniger als 50% des Durasacks, A2: Nervenwurzeln in Kontakt mit dem Durasack, dorsal hufeisenförmig angeordnet, A3: Nervenwurzeln liegen dorsal und füllen mehr als 50% des Durasacks aus, A4: Nervenwurzeln liegen zentral und füllen grosse Teile des Durasacks aus (keine oder geringe Stenose)

- Grad B: Nervenwurzeln füllen den gesamten Durasack aus, können aber noch abgegrenzt werden (moderate Stenose)

- Grad C: homogenes graues Signal, die Nervenwurzeln können nicht mehr abgegrenzt werden, dorsal kann epidurales Fett abgegrenzt werden (schwere Stenose)

- Grad D: weder Nervenwurzeln noch epidurales Fett sind erkennbar (extreme Stenose)

Therapie:

konservative Therapie:
- Indikation: Schizas Grad A&B
- das Hinauszögern einer operativen Intervention gefährdet das OP-Ergebnis nicht
- in der akuten Phase gegebenenfalls kurzfristig Ruhe
- Trainingsprogramm: Übungen in Inklination, wie z. Bsp. Training mit dem Fahrradergometer, Aquajogging, Stepper
- NSAR oder Cox-2 Hemmer
- ggf. Antidepressiva vor allem bei neuropathischen Schmerzen
- Miederversorgung: kontrovers, da resultierende Schwächung der Lendenwirbelsäulenmuskulatur
- Calcitonin: in Studien wirksam
- Infiltrationsbehandlung mit Kortison: Facettengelenke, epidurale Injektionen
- physikalische Therapie: Fango, Wärme, Ultraschall
- Akupunktur

operative Therapie:
- Indikation:

  • Schizaz Grad C&D
  • absolute Indikation: progrediente Cauda equina Symptomatik (Blasen- und Mastdarmschwäche)
  • absolute Indikation: progrediente Lähmungen bei radikulärer Symptomatik
  • starke Schmerzen ohne Besserung unter konservativer Therapie
  • Beinschmerzen (Rückenschmerzen werden durch den Eingriff weniger verringert)

- prä-OP: Identifizierung der stenotischen und oder instabilen Segmente entscheidend
- Operationstechnik:

  • zentrale Stenose: Laminektomie oder undercutting decompression (dem Spinalkanal zugewandte Laminaanteile werden abgetragen); die Pars interarticularis wird erhalten
  • laterale Stenose: einseitige Laminektomie oder undercutting decompression, Foraminotomie, mediale Facettektomie; eine totale Facettektomie mit resultierender Instabilität kann eine Fusion notwendig machen
  • Spondylodese: bei intraoperativer Instabilität im dekomprimierten Segment, ggf. bei Rückenschmerzen auf der Basis von degenerativen Veränderungen in der betroffenen Bandscheibe und Facettengelenken
  • Dekompression der kontralateralen Seite in der sogenannten „over-the-top" Technik. Eine Seite wird interlaminär dekomprimiert, dann wird der Tisch zur Gegenseite gekippt und das Mikroskop geschwenkt, um die Gegenseite zu dekomprimieren

Komplikationen und Prognose:

- Literatur: 1/3 der Patienten sind mit dem konservativen Therapieergebnis zufrieden
- Operationsergebnis:

  • 85% gut und sehr gut
  • 68% komplette Beschwerdelinderung
  • schlechte Ergebnisse in der Regel bei Rückenschmerzen, da diese durch die Dekompression nur wenig beeinflußt werden

- schlechtere Operationsergebnisse häufiger bei: Frauen, laufenden Rentenverfahren, Voroperationen, Übergewicht, Rauchern

 

Abb. 5-10: multisegmentale Instabilität mit degenerativer Spondylolisthesis in den Segmenten LWK 3/4 und LWK 4/5. Stabilisierung des Segments mit Hilfe des Dynesys Systems (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 5-10: multisegmentale Instabilität mit degenerativer Spondylolisthesis in den Segmenten LWK 3/4 und LWK 4/5. Stabilisierung des Segments mit Hilfe des Dynesys Systems (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
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