Verletzungen der unteren Halswirbelsäule (C3-T1)
- Männer : Frauen = 2:1
- Altersgipfel:
- 1.Gipfel: 20.-30. Lebensjahr
- 2.Gipfel: >70. Lebensjahr
- Mechanismus:
- Verkehrsunfall (>50%)
- Sturz aus der Höhe (25%)
- geringes Trauma: oft bei Vorliegen von Grunderkrankung und höherem Alter
- degenerative Veränderungen
- Osteoporose
- M. Bechterew
- Begleitverletzungen:
- isolierte HWS Verletzung in 50% der Fälle
- Schädelhirntrauma (25%)
- Thoraxverletzungen (15%)
- Polytrauma (10%)
- andere Wirbelsäulenverletzungen (10%)
- Verletzungen der unteren Halswirbelsäule werden häufig übersehen, Verdachtsmomente sind:
- Halsschmerz
- Schädel- und Gesichtstrauma
- neurologische Ausfälle
- bei jedem bewusstlosen Patient mit einem Polytrauma muss eine Wirbelsäulenverletzung ausgeschlossen werden (Vakuummatratze / HWS Orthese)
Bildgebung:
- Röntgen: HWS AP und seitlich
- Schwimmeraufnahme: Arme nach vorn und eine Schulter erhöht, die andere abgesenkt (undeutliche Darstellung des cervikothorakalen Übergangs ist die häufigste Ursache für ein Übersehen einer Verletzung der unteren HWS)
- Polytrauma: wenn die seitliche Aufnahme keine Fehlstellung zeigt, kann die HWS in einer Halskrawatte ruhig gestellt werden, um zunächst andere akute Verletzungen zu versorgen, bevor die HWS genauer untersucht wird
- Funktionsaufnahmen
- Computertomografie: umfassende Beurteilung knöcherner Verletzungen und Fehlstellungen sowie Ausschluss von Begleitverletzungen
- MRT:
- ermöglicht eine genaue Einteilung der Fraktur, da im MRT auch geringe Veränderungen der anterioren und dorsalen Stabilisatoren erkennbar sind
- exzellent zur Beurteilung von: Kontusionen und Einblutung des Rückenmarks
Einteilung / Therapie:
Magerl Klassifikation
- Typ A: Kompressionsverletzung, mit rein knöcherner Verletzung
- A 1: keilförmige Kompression des Wirbelkörpers, ventraler Kantenbruch: konservative Therapie
- A 2: sagittaler oder koronarer Spaltbruch (Kneifzangenbruch): operative oder konservative Therapie
- A 3: inkompletter oder kompletter Berstungsbruch: operative Therapie
- Typ B: Flexions- und Distraktionsverletzung immer Operationsindikation
- Flexion und dorsale Distraktion: B1-2
- Typ B1: Riss durch das Lig. spinosum und den Wirbelbogen nach vorn in das Bandscheibenfach
- Typ B2: Fraktur durch den Wirbelbogen und quer durch den Wirbelkörper nach vorn
- Extension und ventrale Distraktion: B3
- Typ B3: Riss durch die Bandscheibe, der in die dorsalen Strukturen zieht
- Typ C: Rotationsverletzung immer Operationsindikation
- C1: Typ A Verletzung mit Rotationskomponente (AP-Subluxation)
- C2: Typ B Verletzung mit Rotationskomponente (laterale Subluxation)
- C3: Rotationsscherbruch (Slice fracture)
Ferguson und Allen Klassifikation: je nach Richtung der einwirkenden Gewalt (orientiert sich an der seitlichen Röntgenaufnahme, ventral entspricht 9 Uhr, dorsal entspricht 3 Uhr, cranial entspricht 12 Uhr)
- Distraktions- und Extensionsverletzung: Richtung des Kraftvektors: 1.00 bis 3.00 Uhr
- Kompressions- und Extensionsverletzung: Richtung des Kraftvektors: 4.00 bis 5.30 Uhr
- vertikale Kompressionsverletzung: Richtung des Kraftvektors: 5.30 bis 6.30 Uhr
- Kompressions- und Flexionsverletzung: Richtung des Kraftvektors: 6.30 bis 8.30 Uhr
- Distraktions- und Flexionsverletzung: Richtung des Kraftvektors: 8.30 bis 11.00 Uhr
- Seitneigungsverletzung: Richtung des Kraftvektors: von der Seite
Operationsverfahren:
- ventrale Spondylodese: Fusion durch Plattenosteosynthese (winkelstabil, zum Bsp. CSLP) in Kombination mit Ausräumung des Bandscheibenfaches und Spongiosaplastik, Cageinterposition
- dorsale Spondylodese mit Stabsystem (Cervifix)
- in Kombination mit dorsaler oder ventraler Dekompression
Prognose / Komplikationen:
- Deformität: wenn ausgeprägte Verletzungen konservativ behandelt werden
- Morbidität des anterioren Zugangs zur Halswirbelsäule ist gering
- postoperativ: passagere Schluckstörungen