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Notizbuch

Ellenbogenverletzungen des Werfers

- Wurfbewegung:führt zu Valgus und Extensions-Belastung

  • mediale Zugbelastung (Valgus): betrifft
    • Lig. collaterale ulnare
    • Epicondylus med.
    • M. pronator teres & Flexoren
    • N. ulnaris
  • dorsale Scherkräfte (Extension): betreffen
    • Olecranon
    • Trochlea humeri
  • laterale Kompressionskräfte betreffen:
    • Radiusköpfchen
    • Capitulum humeri
  • das anteriore Bündel des Lig. collaterale ulnare stabilisiert das Ellenbogengelenk in 30-120 Grad Flexion und wird bei der Wurfbewegung am stärksten belastet
  • Pathologie: aus dem beschriebenen Belastungsmechanismus resultieren
    • Überlastungen und Versagen des Lig. collaterale ulnare
    • Ausbildung von Osteophyten im Bereich des Olecranon
    • freie Gelenkkörper
    • Knorpelläsionen der posteromedialen Trochlea durch Anschlagen der Osteophyten
    • mediale Apophysitis
    • Neuritis des Nervus ulnaris
    • Tendinose des Ursprungs des M. pronator teres und des Flexor carpi radialis et ulnaris

- besonders gefährdet: Baseball-Spieler (Pitcher), Speerwerfer, Handballer

Klinik / Diagnose:

- Zeitpunkt der Beschwerden in der Wurfbewegung
- periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität

  • Neuritis N. ulnaris:
    • Taubheit
    • Parästhesien
    • einschießende Schmerzen
    • Fallenlassen von Gegenständen
  • Nervus ulnaris:
    • Palpation im Verlauf: oberhalb des Epicondylus med., dorsal des Epicondylus im Sulcus und distal davon beim Eintritt in den Flexor carpi ulnaris
    • Führt Flexion zu Luxation oder Subluxation des Nerven nach anterior (vor den Epicondylus)? (Reizung)

- Schwellung:

  • Bei 70 Grad Beugung hat das Ellenbogengelenk das größte Kapselvolumen
  • Schwellung des lateralen Recessus wird zwischen Olecranonspitze und Radiusköpfchen sichtbar

- Achse: in Streckung ist eine Valgusstellung von 11 Grad (Männer) und 13 Grad ( Frauen) normal
- Bewegungsumfang:

  • Streckung: knöcherner Endpunkt bei Kontakt Olecranon und Fossa olecrani
  • Flexion: ein knöcherner Endpunkt ist Hinweis auf Osteophyten und freie Gelenkkörper
  • Beugekontraktur häufig bei Werfern

- Druckschmerz Epicondylus med.:

  • Tendinose der Pronatoren & Flexoren
  • Apophysenverletzung oder knöcherner Ausriss
  • Verletzung des Lig. collaterale ulnare

- Lig. collaterale ulnare:

  • in 60 Grad Flexion am besten tastbar, da Flexion zu einer Verschiebung der Muskulatur
    nach anterior führt
  • Valgusstabilität:
    • bei 30 Grad Flexion und maximaler Pronation wird Valgusstress ausgeübt
    • normal: weniger als 1 mm Aufklappbarkeit
Abb. 2-38: Untersuchung des Ellenbogengelenks: Streckung (A), Beugung (B), Palpation des ulnaren Kollateralbandes (C) und Test der Valgusstabilität (D)
Abb. 2-38: Untersuchung des Ellenbogengelenks: Streckung (A), Beugung (B), Palpation des ulnaren Kollateralbandes (C) und Test der Valgusstabilität (D)
Orthoforum

 

- Röntgen: AP, seitlich, axiale Aufnahme bei 110 Grad Flexion, Schrägaufnahmen, ggf. Valgusstressaufnahme
- MRT: hohe Sensitivität und Spezifität für den Nachweis einer Verletzung des Ligamentum collaterale ulnare; Kochsalzinfiltration in das Gelenk erhöht Aussagekraft (Austritt der Kochsalzlösung aus dem Gelenk im Bereich der Ruptur des Lig. collaterale ulnare)

Verletzung des Lig. collaterale ulnare/Valgus extension overload:

konservative Therapie:
- beim Leistungssportler mit kompletter Ruptur wenig Erfolg versprechend
- initial 2-6 Wochen kein Werfen
- Kräftigung der scapulothorakalen Muskulatur und der Rotatorenmanschette, da
  Schwäche der Schultermuskulatur die Belastung des Ellenbogens beim Werfen steigert
- lokale Kühlung
- anschließend Beginn von Kräftigungsübungen für den M. pronator teres und Flexor carpi
  ulnaris et radialis
- dann zunehmend funktionelle Belastungen und Wurftraining
- Handballtorwart: bei Reizungen im Verlauf des Lig. collaterale ulnare kann eine Ellenbogenorthese verwendet werden

operative Therapie:
- Arthroskopie:

  • Entfernung freier Gelenkkörper
  • arthroskopische Abtragung der Olecranonosteophyten (CAVE: N. ulnaris)
  • Beurteilung des Ligamentum collaterale ulnare: Aufklappbarkeit unter Valgusload, ggf. offene Bandrekonstruktion

- Bandrekonstruktion:

  • mit M. palmaris longus Sehne der betroffenen Seite oder, wenn dies nicht möglich ist, der Sehne der Gegenseite oder Trizepssehne
  • Abschieben der Pronatoren und Flexoren
  • Spaltung des alten Lig. collaterale ulnare und Darstellung der ulnaren und humeralen Insertion
  • M. palmaris wird durch Bohrkanäle in der Ulna und T-förmigen Bohrkanal im Epikondylus med. gezogen: Docking Procedure nach Altchek
  • Fixierung des Sehnengrafts in 30 Grad Beugung
  • subkutane Transposition des Nervus ulnaris vor den Epikondylus wird heute nur von wenigen Autoren empfohlen (Altchek’s Docking Operation bedarf keiner Nerventransposition)
  • Ergebnisse:
    • nach Docking-Operation sind ca. 70% aller Leistungssportler in der Lage, Sport weiter auf hohem Niveau auszuüben
    • nach direkter Naht des ulnaren Seitenbandes sind weniger Patienten in der Lage, Sport auf gleichem Niveau auszuüben

Neuritis Nervus ulnaris:

Ursache:
- Dehnung des Nerven durch Valgusbelastung im Ellenbogen beim Werfen
- Kompression des Nerven durch Verwachsungen, Osteophyten, Hypertrophie des M. flexor carpi ulnaris
- Reizung durch Subluxation des Nerven (Ellenbogen)
Klinik:
- Parästhesien im Klein- und Ringfinger, Tinel-Test positiv
- später: Ellenbogenschmerzen mit maximaler Flexion
- Spätsymptom: „clawing“ Beugekontraktur der ulnaren Finger
Diagnostik:
- EMG
konservative Therapie:
- Ruhe
- Kühlung
- NSAR
- ggf. Schienung für 2-6 Wochen, um Subluxation des Nerven zu verhindern
- Polsterung bei lokaler Reizung
operative Therapie:
- bei Versagen der konservativen Therapie

- Dekompression des Nerven: ggf. arthroskopische Abtragung des angrenzenden
Epikondylus ulnaris (CAVE: anspruchsvoll)
- Nervus ulnaris Transfer vor den Epikondylus: 2 Techniken
(1) submuskuläre Transposition
(2) subkutane Transposition

  • Nerv muss nach proximal und distal gut gelöst werden
  • die Trizepsfaszie wird über den Sulcus ulnaris an den Epikondylus genäht, um eine Reposition zu vermeiden
  • bei gleichzeitiger Verletzung des Lig. collaterale ulnare muss diese ebenfalls therapiert werden
  • für 1 Woche Ruhigstellung in 90 Grad Beugung

mediale Apophysitis:

- Apophysitis und Apophysenabriss sind die häufigsten Verletzungen beim Baseball im
Kindes- und Jugendalter: die Verletzung des Lig. collaterale ulnare beim Erwachsenen
entspricht der Verletzung der Apophyse beim Jugendlichen
- Apophysitis:

  • oft schleichend
  • chronischer Verlauf

- Apophysenfraktur:

  • akute Schmerzen und Bewegungseinschränkung

- etwa 50% der „Little League“ Werfer haben radiologische Veränderungen der Apophyse
(„Little league“ = Highschool Baseball Liga)
Therapie:

- Prophylaxe:

  • Limitierung der Saisonlänge
  • strenge Altersgruppen
  • Aufklären von Trainern und Eltern
  • Reduktion der Wurfbelastung

konservative Therapie:
- Ruhe
- Kühlen
- ggf. Schienung:

  • Apophysenfraktur mit weniger als 5mm Verschiebung des Fragments
  • Ruhigstellung für 7 Tage, dann Krankengymnastik

- offene Reposition und Fixierung: sobald Hinweis für Instabilität oder signifikante
Fragmentverschiebung

Kompression des N. medianus „Pronator Syndrom“:

- vor allem bei Werfern, Sportlern
Klinik:
- Schmerzen stehen im Vordergrund, seltener Parästhesien
- Schmerzen bei direkter Kompression des M. pronator teres
Therapie:
- Schonung, Sportpause
- chirurgische Dekompression

Kompression des N. interosseus post.

- Kompression im Bereich des M. supinator / Frohsche Arkade
Klinik:
- Schmerzen im Nervenverlauf
- Keine sensorischen Ausfälle
- rein motorischer Nerv: Extension im MCP-Gelenk
- Tinel Zeichen positiv
Diagnostik:
- EMG
Therapie:
- Schonung, Sportpause
- chirurgische Dekompression: M. supinator, M. extensor carpi radialis brevis

mediale Epicondylitis / Epicondylopathia humeri ulnaris:

- „Golfer Ellenbogen
- Ansatz der M. pronator teres und M. flexor carpi ulnaris
konservative Therapie:
- Kühlung
- Ruhe
- Dehnung der Flexoren und Pronatoren
- Querfriktion des Sehnenansatzes
- Ultraschall
- Iontophorese und Elektrotherapie
- lokale Injektionen (Kortisoninjektion möglich) mit gleichzeitiger Nadelreizung des Sehnenansatzes
- Orthesen
- Schienung bei Handballtorwart sinnvoll
- wenn konservative Therapie zu keiner durchgreifenden Besserung führt, sollte immer eine
  Verletzung des Lig. collaterale ulnare ausgeschlossen werden

operative Therapie:
- da M. pronator teres und M. flexor carpi ulnaris wichtige dynamische Stabilisatoren des
Ellenbogengelenks sind, sollten sie nicht transversal abgelöst werden

- Exzision von erkranktem Gewebe, Knochenbohrungen zur Stimulation der Stammzell-Einwanderung und Regeneration

posteriores Impingement:

- Ausbildung von posteromedialen Osteophyten durch Valgus-Extension-Überlastung führt
  zu posteromedialem Impingement
konservative Therapie:
- Ruhe
- Krankengymnastik unter Einschluss des Schultergelenks
operative Therapie:
- einige Autoren halten die konservative Therapie bei Leistungssportlern für wenig Erfolg
  versprechend und empfehlen ein operatives Vorgehen
- wenn keine Besserung: offene oder arthroskopische Abtragung der Osteophyten und
  Entfernung der freien Gelenkkörper

Olekranon-Stressfraktur:

- rezidivierende Mikrotraumata durch Olekranonimpingement oder exzessiven Zug des Trizeps
- Druckschmerz
- belastungsabhängige Schmerzen
- Röntgen: initial oft negativ
- Frühdiagnose in der Knochenszintigrafie oder im MRT
konservative Therapie:
- Ruhigstellung
- kein Werfen
operative Therapie:
- bei professionellen Sportlern in der Regel operative Therapie nötig, um möglichst rasche
  Rückkehr zum Sport zu gewährleisten
- optimale Therapie:

  • Arthroskopie zum Ausschluss sekundärer Veränderungen und freier Gelenkkörper
  • arthroskopisch assistiertes Einbringen einer kanülierten Zugschraube
  • alternativ: Zuggurtungsosteosynthese

Osteochondritis dissecans des Radiusköpfchens:

- Kompression der lateralen Gelenkpartner bei Valgusbelastung können zu osteochondralen Läsionen des Radiusköpfchens führen

- Klassische Lokalisation: Capitulum humeri (DD: Morbus Panner: aseptische Knochennekrose. Patienten mit M. Panner in der Regel jünger als OD-Patienten (Adoleszenz))

konservative Therapie:
- Ruhigstellung bis akute Symptomatik verschwindet
- je frischer die Veränderung und je jünger der Patient, desto besser die Prognose
operative Therapie:
- bei Ausbleiben einer Beschwerdelinderung ist ein arthroskopisches Débridement mit
Abrasionsarthroplastik und Entfernung der freien Gelenkkörper die beste Alternative
- erste viel versprechende Ergebnisse der Keilosteotomie des lateralen Humerus proximal des Capitulum zur Entlastung des Radiusköpfchens wurden beschrieben, jedoch fehlen Langzeitergebnisse

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