Flexibler Knicksenkfuß
- Knicksenkfuß: Rückfußvalgus, Abflachung des Fußlängsgewölbes und Abduktion des Vorfußes
- Fehlrotation zwischen Rück- und Vorfuß aufgrund einer erhöhten Bandlaxizität
- Einteilung:
- flexibler Knicksenkfuß
- rigider Knicksenkfuß: angeborener Talus verticalis, tarsale Koalitio
Diagnose / Klinik:
- erst im 5. Lebensjahr bildet sich die normale Fußform aus und das Fettpolster unter dem medialen Längsgewölbe verschwindet
- Beschwerden: in der Regel keine
- Kinder klagen in der Regel nicht über Schmerzen
- nach leichter Ermüdbarkeit, eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Kniebeschwerden, etc. fragen
- Kind auf den Zehenspitzen stehen lassen und beobachten, ob sich ein normales Fußlängsgewölbe ausbildet und der Rückfuß aus dem Rückfußvalgus in einen Rückfußvarus übergeht:
- diese Untersuchung ist zwar unspezifisch, wird jedoch verwendet, um einen flexiblen von einem rigiden Knicksenkfuß zu unterscheiden
- wenn es zu keiner Korrektur kommt, immer eine Koalitio talocalcaneare ausschließen!
- ausgeprägter Knicksenkfuß: einseitiger Zehenspitzenstand eingeschränkt und Instabilität im Talonaviculargelenk
- rigider Knicksenkfuß: Anheben der Großzehe im Stehen führt nicht zur Ausbildung eines Fußlängsgewölbes
- Pronation / Supination eingeschränkt: immer an tarsale Koalitio denken- Eltern fragen, ob sie Knick-Senkfüße hatten
- wenn der Knick-Senkfuß bei den Eltern ohne Probleme verschwunden ist, ist dies auch für ihr Kind wahrscheinlich
- wenn die Eltern einen persistierenden symptomatischen Knick-Senkfuß entwickelt haben (Tibialis-posterior-Syndrom), könnte dies auch dem Kind drohen
- Differentialdiagnose:
- Talus verticalis
- Koalitio der Tarsalknochen
- Os naviculare cornutum
- Achillessehnenverkürzung mit kompensatorischem Knick-Senkfuß: Untersuchung der Dorsalextension mit supiniertem Rückfuß
- Kollagenbildungsstörung: Marfan, Ehlers-Danlos
- unklare Bindegewebsschwäche: auch Eltern haben lasches Bindegewebe und hatten einen Knick-Senkfuß als Kind
- Valgusfehlstellung der distalen Tibia
- neuromuskuläre Erkrankungen (Cerebralparese): Ursache meist eine Achillessehnenverkürzung
- Muskeldystrophie: Gower’s Zeichen (Aufrichten aus der Hocke nur mit Abstützen auf den Oberschenkeln möglich)
- rheumatoide Arthritis des unteren Sprunggelenks
- Osteonekrosen können schmerzhaften Knick-Senkfuß auslösen (M. Köhler)
- Tumor
- Entzündung
- Röntgen im Stehen: nur selten notwendig
- Talo-Calcanearwinkel hat eine große Schwankungsbreite und kann kaum zur diagnostischen Abklärung herangezogen werden
- man sollte bei schweren Verläufen im Alter von 5 Jahren einen Ausgangsbefund erheben und im Alter von 7 Jahren erneut kontrollieren
- Pedobarogramm
Therapie:
- es bedarf immer einer ausführlichen Untersuchung, Information und Rückversicherung der Eltern: die Eltern würden Ihr Kind nicht vorstellen, wenn es in ihren Augen gesund wäre
- konservativ:
- Barfuß-Laufen: trainiert Fußmuskulatur
- Spitzfußgang (trainiert Musculus tibialis)
- Dehnung der Wadenmuskulatur
- früher wurde fast jedes Kind mit Einlagen versorgt, heute sind Einlagen fast nie indiziert: Ursache sind zwei Studien
- eine Studie von Wenger (1989): Kinder mit einem Knick-Senk-Fuß erhielten:
- 3 Jahre keine Einlage
- 3 Jahre eine Helfet Ferseneinlage
- 3 Jahre eine Plastikeinlage nach Fußabdruck oder
- 3 Jahre einen orthopädischen SchuhDie Studie zeigte keine unterschiedlichen Behandlungsergebnisse.
- Gould kontrollierte Kinder mit flexiblem Knick-Senkfuß über 4 Jahre: Kinder mit einer Einlage zeigten zwar in den ersten 3 Lebensjahren eine schnellere Normalisierung des Fußgewölbes, jedoch entwickelten alle Kinder (auch die ohne Einlagen) im Verlaufszeitraum ein normales Fußgewölbe
- eine Einlagenversorgung erscheint sinnvoll, wenn:
- eine zunehmende Instabilität im Talonaviculargelenk erkennbar ist
- der Patient unfähig ist, einen einseitigen Zehenspitzenstand auszuführen oder
- über Beschwerden klagt
- wenn Einlagenversorgung dann:
- ganzsohlig fersenfassend und Rückfuß varisierend
- Abstützung am Sustentaculum tali und nicht undifferenzierte Abstützung des gesamten medialen Fußlängsgewölbes: dies ist wichtig, da der Fuß sich mit zunehmendem Alter absenkt und proniert und diese Entwicklung durch eine steife Abstützung des Längsgewölbes beeinträchtigt wird
- bei neuromuskulären Knicksenkfüßen kann die Versorgung mit einer Talusringorthese hilfreich sein
- Operation:
- Reposition des Talus und Fixierung des Talonaviculargelenks: bei schweren Fällen Talus verticalis bereits im Kleinkindesalter (zum Beispiel Technik nach Tachdjian)
- Rückverlagerung des M. tibialis anterior und Fesselung des Os naviculare: hohe Rezidivgefahr
- Arthrorhise (Kalix, resorbierbare Dübel etc.): Implantation eines resorbierbaren Dübels in den Sinus tarsi; die Wirkung wird auf die propriozeptive Rolle des Sinus tarsi zurückgeführt
- Grice-Green: nach Reposition des Talus wird dieser mit dem Calcaneus knöchern (Stück der Fibula) verblockt
- Calcaneusverlängerungsosteotomie nach Evans
- Calcaneusosteotomie nach Dwyer: erst ab 12. Lebensjahr, Entnahme eines Knochenkeils mit medialer Basis (varisiert den Rückfuß)
- T-Arthrodese: „Doublearthrodese“ bei persistierendem Knick-Senkfuß im Erwachsenenalter
Prognose / Komplikation:
- Barry: „der Knicksenkfuß wird meistens überbehandelt und ist in seiner Bedeutung nicht verstanden“
- In der Regel hat der Knicksenkfuß eine sehr gute Prognose: Ziel muss es sein, die wenigen Patienten mit einem schweren Verlauf und Beschwerden zu identifizieren und zu behandeln- in der Regel Normalisierung des Fußgewölbes in den ersten 7 Lebensjahren
- Persistenz des Knick-Senkfußes und Beschwerden: Therapie
- Knick-Senkfuß ist keine präarthrotische Deformität
- Es wird diskutiert, dass Patienten, die in fortgeschrittenem Alter Probleme mit der Tibialis posterior Sehne entwickeln, als Kind häufiger einen Knick-Senkfuß hatten (kontrovers)