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Notizbuch

Spondylolisthesis

Spondylolisthesis vera

- der craniale Wirbelkörper gleitet auf dem kaudal gelegenen Wirbelkörper nach ventral, dabei bleiben der Processus spinosus, der Wirbelbogen und der Processus articularis inferior zurück (olisthesis=gleiten)
- Segment: L5/S1 > L4/L5
- Unterteilung in dysplastisch und isthmisch:

  • dysplastisch: Verhältnis Frauen : Männer = 2:1 (20% aller Spondylolisthesen)
  • isthmisch: Verhältnis Frauen : Männer = 1:2 (80% aller Spondylolisthesen)

- Häufigkeitsgipfel: 7.-10. Lebensjahr
- Inzidenz isthmische Spondylolisthesis

  • Afrikaner: Frauen 1%, Männer 3%
  • Weiße: Frauen 3%, Männer: 6%
  • Eskimos bis zu 50%

 

Abb. 5-26: Spondylolisthesis vera Typ 4 nach Meyerding bei einer 11 jährigen Patientin. Der massive Abrutsch hat zu einer deutlichen Einengung des Spinalkanals geführt (A-B). Reposition und Stabilisierung im Segment L5/S1 (C-D) (Eigentum des Instituts für
Abb. 5-26: Spondylolisthesis vera Typ 4 nach Meyerding bei einer 11 jährigen Patientin. Der massive Abrutsch hat zu einer deutlichen Einengung des Spinalkanals geführt (A-B). Reposition und Stabilisierung im Segment L5/S1 (C-D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

 

- Ätiologie:

  • genetische Faktoren: dysplastisch > isthmisch
  • verstärkte lumbale Lordose
  • Morbus Scheuermann, kompensatorisch vermehrte lumbale Lordose
  • aufrechter Gang: nur beim Menschen kommt es zur Spondylolisthesis
  • rezidivierende Mikrotraumata: Sport: Turnen, Turmspringen, Ringen, Speerwerfen, rhythmische Sportgymnastik, Rudern
  • neuromuskuläre Erkrankungen: Cerebralparese, Spina bifida, das Risiko ist erhöht, wenn der Patient gehfähig ist

degenerative Spondylolisthesis:

- Risikofaktoren für eine degenerative Spondylolisthesis: Diabetes mellitus, Frauen, Amerikaner afrikanischen Ursprungs
- 6% aller Erwachsenen
- degenerative Spondylolisthesis betrifft meistens das Segment L4/5

Einteilung:

Wiltse-Newman:
- dysplastisch (20%)

  • angeborener Defekt der hinteren Säule mit Insuffizienz der Facettengelenke von L5 und S1
  • Pars interarticularis ist intakt

- isthmisch (80%): Defekt der Pars interarticularis

  • spondylolytisch: Bruch der Pars interarticularis durch rezidivierende Mikrotraumata (Stressfraktur)
  • kommt es zur schrittweisen Heilung, kann eine Verlängerung der Pars inter-articularis resultieren
  • traumatische Fraktur des Processus articularis

Marchetti-Bartolozzi:
- angeboren: (1) dysplastisch
- erworben: (1) traumatisch, (2) pathologisch, (3) degenerativ, (4) postoperativ

 

Abb. 5-27: Bandscheibenvorfall und degenerative Olisthesis im Segment L 4-5. In der Myelografie zeigt sich ein Abbruch des Kontrastmittelflusses (A,B). Die Therapie erfolgt durch einen TLIF L4/5 in Kombination mit einer Dekompression (C)
Abb. 5-27: Bandscheibenvorfall und degenerative Olisthesis im Segment L 4-5. In der Myelografie zeigt sich ein Abbruch des Kontrastmittelflusses (A,B). Die Therapie erfolgt durch einen TLIF L4/5 in Kombination mit einer Dekompression (C)
Orthoforum

 

Meyerding:- Grad 1: Abrutsch bis zu 25% des Wirbelkörpers- Grad 2: Abrutsch bis zu 50% des Wirbelkörpers- Grad 3: Abrutsch bis zu 75% des Wirbelkörpers- Grad 4: Abrutsch bis zu 100% des Wirbelkörpers- Grad 5: Spondyloptosis

Klinik / Diagnose:

- Anamnese: Risikosportarten, Trainingsintensivierung
- Lumbago
- in den Oberschenkel oder das Gesäß ausstrahlende Beschwerden
- selten radikuläre Symptome oder Conus cauda Symptomatik
- Hyperlordose und Beckenaufrichtung mit Steilstellung des Sakrums
- bei asymmetrischem Wirbelgleiten kann eine Skoliose resultieren
- Verkürzung der ischiokruralen Muskulatur bei höhergradigem Abrutsch im Kindesalter, Gangbild
- Druck- und Rüttelschmerz im betroffenen Segment
- neurologische Untersuchung: Sensibilität, Motorik, Reflexe, Lasègue

  • eine Spondylolisthesis L5/S1 beeinträchtigt die L5 Wurzel

- fortgeschrittener Abrutsch: zunehmende Anspannung der ischiokruralen Muskulatur
- Röntgen:

  • Schrägaufnahme: Defekt der Pars interarticularis (Lachapele’s Hals des „Scotchterriers“)
  • Stufe der Dornfortsätze
  • Einteilung nach Meyerding
  • Abrutschwinkel: Winkel zwischen Grundplatte L5 und Deckplatte S1

- Computertomografie: zeigt den Defekt der Pars interarticularis „inkomplettes RingZeichen“
- Myelografie: ggf. zur Beurteilung der Kompression des Rückenmarks
- MRT: Methode der Wahl zur Beurteilung der Nervenkompression und des knöchernen Defekts
- Knochenszintigrafie: Mehranreicherung bei akuten Beschwerden, wird von einigen Autoren zur Indikationsstellung für eine Korsettruhigstellung im Kindesalter herangezogen

Therapie:

konservative Therapie:
- Kind mit akuter Symptomatik: einige Autoren berichten, dass man durch Ruhigstellung die „Stressfraktur“ der Pars interarticularis ausheilen kann; Risser-Cast oder Boston-Korsett für 6-12 Wochen
- NSAR
- zeitweise Reduktion der Sportintensität (keine Risikosportarten)
- ggf. Stützmieder, wenn Hinweis auf ausgeprägten reaktiven Muskelspasmus
- Krankengymnastik mit Dehnung der Ischiokruralen, Kräftigung der Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur
- nahezu alle Patienten sprechen vor dem 18. Lebensjahr auf eine konservative Therapie an
- Meyerding Grad 1: solange asymptomatisch, Sport ohne Einschränkung möglich
- Meyerding Grad 2: solange asymptomatisch, Sport ja, jedoch keine Risikosportarten (Turnen, etc.)

operative Therapie:
- Meyerding Grad 1:

  • Operation nur selten bei persistierenden Beschwerden indiziert
  • Technik: bei Kindern und Jugendlichen Verschraubung des Defekts in der Pars interarticularis (Buck’s Schraube), Zuggurtungsosteosynthese (Technik nach Bradford oder Scott), Hakenschraube nach Morscher

- ab Meyerding Grad 3 (>50% Abrutsch): intersegmentale Fusion, bei Kindern und Jugendlichen ggf. prophylaktisch bei geringerem Abrutsch
- Erwachsene: Operation bei persistierenden Beschwerden trotz konservativer Therapie oder progredienter radikulärer Symptomatik
- Reposition:

  • erhöht das Risiko einer Nervenverletzung um zirka 30%
  • nur durch erfahrenen Operateur
  • indiziert bei lumbosakraler Kyphose und Fehlstatik

- Technik: interkorporelle Fusion
(1) posterolaterale Fusion, Pedikelschrauben und Spongiosaaugmentation im Bereich der Processus transversus
(2) TLIF: transforaminale lumbale intercorporale Fusion
(3) ventrale Fusion
(4) ventrodorsale Fusion

 

Abb. 5-28: Fehllage einer thorakalen Pedikelschraube in unmittelbarer Nähe der Aorta (A-B). Fehllage einer Wirbelkörperschraube nach ventraler Derotationsspondylose (C) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 5-28: Fehllage einer thorakalen Pedikelschraube in unmittelbarer Nähe der Aorta (A-B). Fehllage einer Wirbelkörperschraube nach ventraler Derotationsspondylose (C) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

Prognose / Komplikation:

- Patienten mit einer Spondylolisthesis haben höheres Risiko für Rückenschmerzen: wenn

  • Grad 2 und höher
  • ausgeprägte Hyperlordose
  • Spondylolyse L4/L5

- erhöhtes Risiko für einen fortschreitenden Abrutsch im Kindesalter:

  • Abrutschwinkel >10 Grad
  • abgerundete Deckplatte des 1. Sakralwirbelkörpers
  • höhergradiger Abrutsch
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