Lesezeichen setzen
Inhalt melden
Notizbuch

Hintere Schultergelenksluxation

- selten: 4% aller Luxationen
- 50-80% initial unerkannt
- Ätiologie:

  • Trauma oder Polytrauma (Arm in Flexion, Innenrotation und Adduktion)
  • Krampfanfall
  • Elektroschock

- prädisponierende Faktoren: anatomische Faktoren

  • vermehrte Retroversion des Humeruskopfes
  • vermehrte Reklination des Glenoids
  • Dysplasie des Glenoids

- der M. subscapularis ist der primäre Stabilisator gegen eine hintere Schulterluxation
- Lig. glenohumeralesup. und das Lig. coracohumerale sind die primären Kapselstabilisatoren bei adduziertem Arm
- das Lig. glenohumerale inf. ist der primäre Kapselstabilisator bei abduziertem Arm
- trotz kompletter Inzision der hinteren Kapsel ist ohne Verletzung der vorderen Kapsel eine hintere Luxation nicht möglich
- Problem Laxität und Instabilität: 50% aller normalen Vergleichspersonen haben eine
hintere Laxität vergleichbar mit Patienten, die aufgrund einer rezidivierenden Instabilität einer Operation bedürfen

Klinik / Diagnose:

- hintere Luxation: prominentes Coracoid, Arm in adduzierter und innenrotierter Haltung,
eingeschränkte Außenrotation
- Bildgebung: Standard AP Aufnahme

  • Rim Sign“ der vordere Pfannenrand und der Humeruskopf überlappen sich um >6 mm
  • aufgrund der Innenrotation des Arms verliert der proximale Humerus seine Kontur: „lightbulb sign“ (Glühbirnen Zeichen)
  • Impressionsfraktur des Humeruskopfes zeigt sich an sklerotischer Verdichtungslinie „trough line“ (Frakturlinie)

 

Abb. 2-33: chronische hintere Schulterluxation: „lightbulb sign“ im Röntgenbild (A), Dysplasie des Humeruskopfes und Glenoids in der MRT-Bildgebung (B), Prominenz des Coracoids und Acromions (C), verhältnismäßig gute Funktion (D)
Abb. 2-33: chronische hintere Schulterluxation: „lightbulb sign“ im Röntgenbild (A), Dysplasie des Humeruskopfes und Glenoids in der MRT-Bildgebung (B), Prominenz des Coracoids und Acromions (C), verhältnismäßig gute Funktion (D)
Orthoforum

 

Abb. 2-34: hintere Schulterluxation: geringes „lightbulb sign“ in der Röntgenbildgebung (A), Subluxation in der Computertomografie (B,C)
Abb. 2-34: hintere Schulterluxation: geringes „lightbulb sign“ in der Röntgenbildgebung (A), Subluxation in der Computertomografie (B,C)
Orthoforum

 

- akute Luxation: weniger als 6 Wochen alt
- chronische Luxation: mehr als 6 Wochen alt
- habituelle Schulterluxation: unterteilt in

  • willkürliche Luxation bei normalen Gelenkverhältnissen: besteht gleichzeitig ein
    Rentenbegehren, ein sekundärer Krankheitsgewinn oder ist der Patient psychisch auffällig ist dies eine Kontraindikation für eine Operation
  • unwillkürliche Luxation nach mehrfacher hinterer Schulterluxation möglich ohne psychische Grunderkrankung: Patient luxiert die Schulter nicht willkürlich und stellt sich beim Arzt aus Sorge vor der unwillkürlichen Instabilität vor, ggf. operative Therapie sinnvoll

- rezidivierende Schulterluxation durch:

  • (1) wiederkehrende Mikrotraumata (Sport, Überkopfsport, Bankdrücken)
  • (2) ligamentäre Hyperlaxität
  • (3) Versagen konservativer Therapie nach Makrotrauma

Therapie:

konservative Therapie:
- Indikation:

  • akute Luxation (<6 Wochen)
  • geringe Gelenkknorpelverletzung
  • geringes Trauma (nach ausgeprägtem Trauma oft schlechtes Ansprechen auf konservative Therapie)

- geschlossene Reposition:

  • adäquate Schmerztherapie (i.v. Sedierung, Narkose, Scalenusblock)
  • Rückenlage, Innenrotation und Zug nach unten und zur Seite, Druck von dorsal erleichtert die Reposition

- nach Reposition:

  • 4 - 6 Wochen Ruhigstellung in 10 - 20 Grad Außenrotation und 10 - 20 Grad Abduktion
  • 1. – 2. Woche: leichte passive Mobilisation
  • 3. – 5. Woche: aktiv assistierte Mobilisation
  • ab 6. Woche:
    • Muskelaufbau der Rotatorenmanschette und der periscapulären Muskulatur: Übungen mit adduziertem Arm unter Schulterniveau
    • isometrische Übungen bei adduziertem Arm
    • isokinetische Übungen mit Gummiband (abnehmende Elastizität: 0,5 - 3kg Widerstand)
    • konzentrische Übungen: Muskel verkürzt sich bei Anspannung
    • exzentrische Übungen: Muskel verlängert sich bei Anspannung

- zunächst 6 Monate konservative Therapie
- Rockwood: 80% der Patienten mit atraumatischer und 16% mit traumatischer Luxation zeigen Besserung unter konservativer Therapie
- atraumatische anteriore Luxation zeigt schlechtere Ergebnisse als die posteriore Luxation
(90% Besserung)
- die atraumatische hintere Schulterluxation ist die Domäne der konservativen Therapie- bei psychiatrischer Grunderkrankung Vorstellung beim Psychiater

operative Therapie:
- Indikation:

  • psychisch stabiler Patient, ohne sekundären Krankheitsgewinn
  • nach 4-6 Monaten erfolgloser konservativer Therapie

- Arthroskopie: verschiedene Verfahren wurden beschrieben

  • arthroskopische Raffung der dorsalen Kapsel
  • Refixierung der reversen Bankart-Läsion mit Nahtankern
  • arthroskopischer hinterer Kapselshift
  • ggf. Intervallverschluss (zwischen M. subscapularis und M. supraspinatus)
  • Laser- oder Thermokapselshrinkage (keine Langzeitergebnisse, in Tierversuchen keine dauerhafte Kapselraffung): heute nicht mehr indiziert
  • Ziel der arthroskopischen Verfahren ist es, die Laxität der Kapsel zu verringern und den Labrumkapselansatz zu refixieren

- Kapselshift: nach Neer

  • Deltasplit, Zugang zwischen M. infraspinatus und M. teres minor
  • T-förmige Kapselinzision und Kapselshift zuerst oberer Kapsellappen, dann unterer Lappen
  • post OP:
    • 3-6 Wochen Ruhigstellung in Neutralrotation und Adduktion
    • nach 3-6 Wochen Pendelübungen und dann schrittweise Steigerung entsprechend dem für die konservative Therapie beschriebenen Protokoll
    • Rückkehr zu Kontaktsport nach frühestens 6 Monaten

- knöcherne Eingriffe:

  • Korrektur der Glenoidreklination durch dorsale Knochenblockeinbringung in die Pfanne
  • dorsaler Knochenblock analog (J-Span anterior), um die knöcherne Insuffizienz zu therapieren
  • Rotationsosteotomie des Humerus, um die Innenrotation und damit das Risiko der Luxation zu verringern (nur noch sehr selten indiziert)
  • heute auch arthroskopische Knochenblocktechniken

Komplikationen / Prognose:

- Patienten mit einer multidirektionalen Instabilität werden oft mit einer hinteren
Instabilität symptomatisch, dies führt zu höheren Reluxationsraten als bei der operativen Therapie der vorderen Schulterinstabilität (Domäne der Rehabilitation)
- nach konservativer Therapie klinisch eine Persistenz der Instabilität trotz subjektiver Beschwerdelinderung häufig
- Kapselshift: 80% gute und exzellente Ergebnisse
- knöcherne Glenoid Korrektur hat relativ schlechte Ergebnisse (20% weiter instabil, 25% Schmerzen), die Ergebnisse der Korrektur der Glenoidreklination sind wenig reproduzierbar, deswegen sollte dieser Eingriff nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen
- knöcherne Bankart-Läsion: führt zu erheblicher Steigerung des Reluxationsrisikos

VORHERIGES KAPITEL NÄCHSTES KAPITEL