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Notizbuch

Hüftdysplasie

- geringe Inzidenz: Chinesen und Afrikaner (nahezu 0%)
- hohe Inzidenz: Lappen und nordamerikanische Indianer (5%)

  • ungünstig: Wickeln des Kindes auf einem Wickelbrett mit extendierten und adduzierten Hüften
  • günstig: Tragen des Kindes auf dem Rücken oder an der Seite mit abduzierten Beinen

- Mädchen : Jungen=4:1
- häufiger die linke Hüfte betroffen
- Risikofaktoren: an Hüftdysplasie denken bei:

  • Beckenendlage
  • Oligohydramnion
  • Erstgeborenen
  • Mädchen
  • Metatarsus varus
  • Klumpfuß
  • Schiefhals
  • Syndromen, andere angeborene Störungen

- bis zu 30% aller Neugeborenen haben unreife Hüftgelenke (Typ IIa nach Graf), diese reifen in der Regel ohne Behandlung in den ersten 12 Wochen (Typ IIa(+)) aus
- Ätiologie:

  • Oligohydramnion
  • allgemeine Gelenkhypermobilität: hormonelle & konstitutionelle Faktoren (Mädchen)
  • Dysplasie der Pfanne ohne Bandlaxizität (Risikofaktoren siehe oben)

Klinik / Diagnose:

- Gold Standard: Ultraschallscreening

  • bei jedem Säugling muss in den ersten 6 Wochen nach der Geburt ein Ultraschallscreening in der Technik nach Prof. Graf durchgeführt werden
  • Ultraschalluntersuchung in der ersten Lebenswoche ermöglicht frühzeitige Therapie und besseres Outcome
  • in der angloamerikanischen Literatur werden die Kosten und die angeblich hohe Rate an falsch positiven, eigentlich nicht behandlungsbedürftigen Fällen kritisiert; Ultraschall aus diesem Grunde nur bei Risikopatienten empfohlen ; Ultraschall in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben

- klinische Untersuchung:

  • einige Babys ohne Hüftdysplasie haben zum Zeitpunkt der Geburt ein Klicken aufgrund
    weicher Bänder
  • „Ilfeld-Phänomen“: auch ein Professor für Kinderorthopädie kann bei der klinischen Untersuchung eine Hüftdysplasie übersehen (Dr. Fred Ilfeld sammelte Fälle mit einer Hüftdysplasie, die im Säuglingsalter von anerkannten Professoren übersehen wurden)
  • Ursachen für falsch negative Untersuchungsbefunde:
    • schreiendes Kind
    • verkrampftes Kind
    • hungriges Kind
    • unerfahrener oder gestresster Arzt
    • Unkenntnis der klinischen Tests

- optimale Umgebung:

  • warmer Raum und Ruhe
  • Kind sollte kurz vor der Untersuchung gestillt oder mit der Flasche gefüttert werden
  • warme Hände des Untersuchers

- Untersuchung:

  • beide Hüften werden gleichzeitig gefasst, aber nacheinander untersucht
  • Hüfte über 90 Grad gebeugt, Knie gebeugt, der Untersucher umfasst die Knie so, dass der Daumen den medialen Oberschenkel proximal des Kniegelenks fasst und der Zeigeund Mittelfinger über dem Trochanter major liegen
  • der Griff ist leicht: „White Knuckle Sign“ nach Salter (Nagelbett wird weiß durch starken Druck) sollte vermieden werden
  • die Untersuchung setzt sich in der Regel aus einer Kombination aus Barlow-Zeichen und Ortolani-Zeichen zusammen:
    • Barlow-Zeichen: Provokation einer Hüftluxation
      • zunächst werden die Hüftgelenke leicht adduziert (10-20 Grad) und ein leichter Druck nach dorsal aufgebracht
      • dies kann eine Subluxation oder Luxation („positives Barlow-Zeichen“) des Hüftkopfes über den hinteren Pfannenrand auslösen
      • nun wird die Hüfte unter leichtem Zug in Abduktion geführt und das OrtolaniZeichen ausgelöst
    • Ortolani-Zeichen: Repositionsmanöver
      • nahe der maximalen Abduktionsposition erfolgt über den Mittel- und Zeigefinger ein leichter Druck nach vorn, mit dem Ziel, die dislozierte Hüfte zu reponieren
      • die Reposition geht mit einem „Klicken“ einher („positives Ortolani-Zeichen“)
      • dieser Vorgang kann wiederholt werden, um die Laxizität des Gelenkes besser beurteilen zu können (sanfter Druck!)
  • Einteilung:
    • normal
    • subluxierbar (laxe Kapsel)
    • luxierbar (Barlow positiv) und reponierbar (Ortolani positiv)
    • luxiert
    • fixierte Luxation

- weitere klinische Zeichen einer Hüftluxation beim Säugling & Kind:

  • Abduktionseinschränkung: auch bei einer nur geringen Einschränkung oder Seitendifferenz sollte eine Ultraschall- oder Röntgenkontrolle veranlasst werden
  • asymmetrische Oberschenkelhautfalten: mehr Falten auf der luxierten Seite
  • Galeazzi Zeichen: Verkürzung des Femurs bei 90 Grad gebeugten Hüft- und Kniegelenken
  • Ludloff-Luxationszeichen: ohne Luxation verhindern bei gebeugten Hüften die Ischiokruralen die Streckung des Kniegelenks, bei einer Hüftluxation sind die Knie in dieser Stellung streckbar

 

Alter

 

 

rechts

Mädchen

(leicht dysplastische Hüfte

links

 

 

rechts

Jungen

(leicht dysplastische Hüfte)

links

4 Monate 31,4 33,0 28,0 29,0
6 Monate 27,5 29,5 24,5 27,0
12 Monate 24,5 27,0 23,5 25,5
24 Monate 24,0 25,5 21,5 23,0

Tab. 4-1: Normale Grenzwerte für den Pfannenwinkel (aus D. Tönnis: Die angeborene Hüftdysplasie und
Hüftluxation im Kindes- und Erwachsenenalter. Springer Verlag, Berlin, 1984)

 

- Röntgenuntersuchung: ab 3. Lebensmonat

  • Hilgenreiner-Linie: verbindet den Unterrand des Os iliums (Y-Fuge beider Seiten)
  • Ombredanne-Linie oder Perkins-Linie: senkrecht zur Hilgenreiner-Linie durch den seitlichsten Punkt des Pfannendaches (Pfannenerker)
  • Pfannendachwinkel nach Hilgenreiner (AC-Winkel):
    • Winkel zwischen Hilgenreiner-Linie und Verbindungslinie Unterrand des Os iliums (Y-Fuge) und Pfannenerker
    • Werte sollten unterhalb des Grenzwertes (für eine leichte Dysplasie) liegen
  • Shenton-Menard’sche-Linie: Linie an den medialen Schenkelhals geht ohne Unterbrechung in den kranialen Anteil des Foramen obturatorium über

 

Abb. 4-4: MRT (A), Unterbrechung der Shenton-Menard‘schen Linie (B), Verziehung des Kopitz-Parallelogramms (C)
Abb. 4-4: MRT (A), Unterbrechung der Shenton-Menard‘schen Linie (B), Verziehung des Kopitz-Parallelogramms (C)
Orthoforum

 

  • Parallelogramm nach Kopitz:
    • solange der Hüftkopf nur unzureichend verknöchert ist, wird zwischen proximalem Femur und knöchernem Acetabulum ein Viereck eingezeichnet:
      • vom Unterrand des Os ilium zum
      • Pfannenerker zum
      • lateralen Rand der Femurwachstumsfuge zum
      • medialen Rand der Femurwachstumsfuge
    • normal: Rechteck
    • Dysplasie: Trapezoid
  • Überdachungsdefizit nach Reimers:
    • Ombredanne’sche Linie und parallele Linien an den medialen und lateralen Hüftkopf (sobald dieser verknöchert ist)
    • es wird der prozentuale Anteil des nicht überdachten Hüftkopfes bestimmt
    • normal: <20% (altersabhängig)
    • Technik: Lineal des Winkelmessers schneidet bei 0 die Linie an den lateralen Hüftkopfrand und bei 10cm die Linie an den medialen Hüftkopfrand; der Schnittpunkt mit der Ombredanne’schen Linie ergibt den Prozentwert des Überdachungsdefizits

 

Abb. 4-5: Pfannendachwinkel (A), Überdachungsdefizit nach Reimers (B) und Luxationsgrad nach Tönnis (C)
Abb. 4-5: Pfannendachwinkel (A), Überdachungsdefizit nach Reimers (B) und Luxationsgrad nach Tönnis (C)
Orthoforum

 

  • Centrum-Ecken-Winkel nach Wiberg (CE Winkel):
    • Winkel zwischen (1) Parallele zur Ombredanne’sche Linie durch das Zentrum des verknöcherten Hüftkopfs und (2) Tangente durch das Zentrum des Hüftkopfes angelegt an den Pfannenerker
    • weniger als 20-25 Grad sind pathologisch
  • Hüftwert:
    • setzt sich zusammen aus
      • CE Winkel
      • ACM Winkel (Pfannenöffnungswinkel)
      • d (Lateralisationsstrecke Hüftkopfzentrum zu Pfannenzentrum)
    • Umrechnungsskalen für verschiedene Altersgruppen beschrieben
    • Richtwerte:
      • Normal: 6-14
      • leichte Dysplasie: 15-20
      • schwere Dysplasie > 20

- Arthrografie:

  • bei der geschlossenen Reposition einer Hüftluxation (Typ IIc instabil, D, III und IV nach Graf) ist der Hüftkopf im Röntgenbild im frühen Lebensalter aufgrund seiner knorpeligen Struktur schlecht zu erkennen, die Arthrografie macht den knorpeligen Anteil des Hüftkopfes sichtbar und wird deswegen bei der Reposition der genannten Hüfttypen routinemäßig durchgeführt
  • die Arthrografie ermöglicht es, die sichere Zone einzuschätzen, in der die Hüfte nicht luxiert
  • Technik:
    • bei 110 Grad gebeugten Hüften und leichter Abduktion von 50 Grad wird die Hüfte von kaudal punktiert
    • der Einstichpunkt liegt dabei leicht lateral und ventral (0.5 cm) des Tuber ischiadicum
    • die Nadel wird parallel zur Unterlage und Körperachse unter Bildverstärkerkontrolle vorgeschoben (Spinal Needle) bis der knöcherne Widerstand der Pfanne spürbar wird
    • anschließend wird das Kontrastmittel (2-3ml Isovist) injiziert

- MRT in Narkose kann im Zweifelsfall zur Kontrolle der Reposition nach Fettweis-GipsAnlage durchgeführt werden

Therapie:

- Typ Ia und Ib nach Graf:

  • keine Therapie
  • eine Ultraschalluntersuchung direkt nach der Geburt sollte im Alter von 6 oder 12 Wochen einmal wiederholt werden

- Typ IIa:

  • bei Geburt, sollte nach 6 Wochen kontrolliert werden
  • Typ IIa ist in den ersten 4-6 Wochen keine krankhafte Veränderung, eine Therapie ist deswegen nicht erforderlich
  • breit wickeln: ist zwar nicht wissenschaftlich begründet, kann jedoch sinnvoll sein, da die Mutter bei jedem Wickeln an die Notwendigkeit einer Verlaufskontrolle nach 6 Wochen erinnert wird, außerdem wird das Hüftgelenk leicht abgespreizt
  • reift das Hüftgelenk adäquat nach (Typ IIa(+) oder besser) dann ist keine Therapie notwendig, jedoch sollte nach 12 Lebenswochen erneut kontrolliert werden, ob nun eine 1er Hüfte vorliegt
    • liegt nach 12 Lebenswochen keine 1er Hüfte vor (Typ IIb), dann erfolgt Therapie mi Spreizschiene (Tübingerschiene)
  • reift das Hüftgelenk in den ersten 6 Lebenswochen nicht adäquat nach (Typ IIa(-)), so sollte umgehend die Behandlung mit einer Spreizschiene begonnen werden
    • es folgen nun Ultraschallverlaufskontrollen alle 6 Wochen und Kontrollen des adäquaten Sitzes der Spreizschiene beim Orthopäden oder Orthopädietechniker alle 3 Wochen
    • ist ein Alpha-Winkel von > 65 Grad erreicht, kann die Schiene schrittweise abtrainiert werden: es wird eine leichte Überkorrektur (>65 anstatt >60 Grad) empfohlen; die Mindesttherapiezeit einer Abspreizbehandlung sollte jedoch in der Regel 3 Monate nicht unterschreiten; bei Therapieende Abschlußröntgenbild zur Bestätigung der Befunde
  • Spreizschiene: Tübingerschiene, Hoffmann-Daimler-Schiene
    • 24 Stunden am Tag tragen
    • >90 Grad Flexion und zirka 60 Grad Abduktion
    • eine darüber hinausgehende Abduktion sollte vermieden werden (Hüftkopfnekroserate erhöht)
    • Schiene kann 1 Mal in der Woche zum Baden abgenommen werden

 

Abb. 4-6: Hüftbeugeabduktionsbandage (A), Pavlikbandage (B), Kondylenspreizschiene (C)
Abb. 4-6: Hüftbeugeabduktionsbandage (A), Pavlikbandage (B), Kondylenspreizschiene (C)
Orthoforum

 

Abb. 4-7: Tübinger Schiene (Mit freundlicher Genehmigung der Otto Bock Health Care GmbH)
Abb. 4-7: Tübinger Schiene (Mit freundlicher Genehmigung der Otto Bock Health Care GmbH)
Orthoforum

 

- Typ IIc nach Graf:

  • sollte von Anfang an mit einer Tübinger Spreizschiene behandelt werden
  • es folgen Verlaufskontrollen alle 6 Wochen und Kontrollen des adäquaten Sitzes der Spreizschiene beim Orthopäden oder Orthopädietechniker alle 3 Wochen
  • ist ein Alpha-Winkel von > 65 Grad erreicht, kann die Schiene schrittweise abtrainiert werden

- Typ D nach Graf:

  • Hüfte ist am Dezentrieren (instabil), jedoch nicht luxiert
  • diese Hüfte ist ohne Probleme in der Pfanne einstellbar
  • Methode der Wahl: Fettweis-Gips (>100 Grad Flexion und ca. 50-60 Grad Abduktion)
  • in der Regel ist die Hüfte nach 3-6 Wochen stabil und kann dann unter Ultraschallkontrolle mit der Tübingerschiene bis zur Ausreifung (Alpha-Winkel > 65 Grad) retiniert werden
    • Fettweisgips (Sitz-Hock-Stellung):
      • aufgrund der geringeren Abduktion sind die Hüftkopfnekroseraten mit etwa 5% deutlich niedriger als beim Lorenz-Gips (Froschstellung mit Abspreizung von 90 Grad: Hüftkopfnekroserate 30-40%)
      • der Vorteil des Fettweisgipses ist die hohe Compliance
      • Füße werden nicht eingegipst
      • der Gips wird von den Kindern gut toleriert, sollte jedoch in Narkose oder Sedierung angelegt werden
  • Alternative: die Reposition und Retention kann mit einer Repositionsbandage (z. Bsp. nach Pavlik) erfolgen

- Typ III und IV nach Graf:

  • luxierte Hüfte
  • zunächst erfolgt die Reposition, anschließend die Retention der reponierten Hüfte:
    • geschlossene Reposition mit Arthrografie ggf. nach initialer Extensionsbehandlung:
      • ggf. Extensionsreposition:
        • rigidere Luxationen nach dem 6. Lebensmonat
        • Dauer 2-3 Wochen
        • Overheadextension: Methode der Wahl
        • je nach Alter des Kindes bis zu 1,5kg Gewicht, anfangs mit 10% des Körpergewichtes
      • Position: > 90 Grad Flexion; die Rollen werden zunehmend nach lateral verschoben bis 70 Grad Abduktion erreicht sind (1-2 Wochen), spontane Reposition möglich
      • in jedem Fall nach 3 Wochen Arthrografie und Überprüfung der Reposition, ggf. erneute geschlossene Reposition
      • Behandlungsdauer im Fettweis-Gips immer mindestens 6 Wochen
      • Gipswechsel: wenn der Gips aufgrund der Gewichtszunahme zu eng wird (nach 3 Wochen)
      • sobald das Hüftgelenk stabil ist, kann die Retention in einer Tübingerschiene fortgesetzt werden
      • bei älteren Kindern > 6-12 Monaten senkt die Extensionsbehandlung vor der geschlossenen Reposition das Hüftkopfnekroserisiko

 

Abb. 4-8: Kind mit Arthrogryposis. Kontrakturprophylaxe mit Lagerungsschienen
Abb. 4-8: Kind mit Arthrogryposis. Kontrakturprophylaxe mit Lagerungsschienen
Orthoforum
  • Alternative: Pavlik-Bandage
    • ist eine Repositionsbandage:
      • dislozierte Hüfte: Flexion 100-120 Grad
      • subluxierte Hüfte: Flexion 90-100 Grad
      • Abduktion initial 30-40 Grad, bis 60 Grad steigern
      • durch das Strampeln reponiert sich die Hüfte
      • in den ersten 2-3 Wochen sollte die Bandage nicht abgenommen werden
      • die Bandage muss auf der Haut getragen
        werden
      • Voraussetzung ist eine funktionierende Muskulatur
    • Kontraindikation:
      • Spina bifida
      • Arthrogryposis
      • Ehlers-Danlos Syndrom
      • geringe Compliance der Eltern
    • Problem:
      • im Neugeborenenalter ist die Standardbandage oft zu groß
      • das Anlegen der Bandage ist durch die vielen Bänder für die Eltern und den Orthopäden erschwert
      • kann nur in den ersten 9 Monaten verwendet werden
      • Risiko, wenn nach Wochen keine Reposition erreicht ist, dann ist wertvolle Zeit verloren (nach 3 Wochen Röntgenkontrolle /Ultraschall, wenn keine Besserung Therapiewechsel)
      • erhöhte Hüftkopfnekroserate bei hoher Hüftluxation
    • ist eine Reposition erfolgt, wird bis zu einem Alpha-Winkel von 65 Grad (Kontrolle alle 6 Wochen, Anpassen der Bandage alle 3 Wochen), bzw. bis zur Normalisierung des AC Winkels, die Hüfte weiter in der Pavlik-Bandage retiniert
    • Ergebnisse: erfolgreiche Reposition
      • bei 84% im Säuglingsalter
      • bei weniger als 50% der Kinder ab dem 6. Lebensmonat
    • die Pavlik-Bandage ist zur Reposition nach dem 6. Lebensmonat nicht geeignet; aufgrund der nur 50%igen Chance sollte direkt die geschlossene oder offene Reposition und Gipsretention eingeleitet werden
  • offene Reposition:
    • wenn im ersten Lebensjahr eine geschlossene Reposition nicht möglich ist
    • im 2. Lebensjahr immer Methode der Wahl
    • je länger die Luxation besteht, um so häufiger liegen sekundäre Veränderungen vor, die eine Reposition verhindern
    • beim Säugling ist eine offene Reposition nur bei einer hohen, teratologischen Hüftluxation notwendig
      • zeigt die Arthrografie nach geschlossener Reposition eine vermehrte mediale Kontrastmittelansammlung, so ist der Kopf nicht reponiert; Repositionshindernisse: (1) Kapselkompression durch M. iliopsoas, Fettinterpositis (2) Kontraktur des Lig. transversum, eingeschlagenes Labrum
    • Technik: ventraler Zugang: (1) Resektion des Lig. capitis femoris, (2) Ausräumen der Pfanne, (3) Einkerben des Lig. transversum, (4) Release des M. iliopsoas, (5) selten Verkürzungsosteotomie, (6) Kapselraffung
    • Ziel: tiefe Einstellung in der Pfanne, ggf. Tenotomie der Adduktoren, um die „safe zone“ nach Ramsey zu vergrößern
    • Retention mit Fettweis-Gips
  • Komplikationen:
    • eine zu ausgeprägte Flexion der Hüfte in der Bandage oder Gips kann zu einer inferioren Luxation oder Femoralisparese führen
    • 120 Grad Flexion maximal für 1 oder 2 Wochen, niemals überschreiten
    • Hüftkopfnekroserate:
      • Inzidenz:
        • Pavlik-Bandage: >15%, je älter und je ausgeprägter die Luxation, um so höher die Hüftkopfnekroserate
        • Fettweis-Gips: 5%
        • Tübingerschiene: <5%
      • Diagnose der Hüftkopfnekrose: Salter
        • keine Verknöcherung oder ein Ausbleiben eines weiteren Wachstums für mehr als 1 Jahr bei bereits verknöchertem Hüftkopf
        • Verbreiterung des Schenkelhalses
        • Fragmentierung oder vermehrte Knochenstruktur des Hüftkopfes
        • Hüftkopf- und Schenkelhalsdeformität (Coxa magna, Coxa vara etc.)
      • Prophylaxe:
      • Salter: „Human Position“ mit 50 Grad Abduktion und 100 Grad Flexion
      • Ramsey: „Safe Zone“ mit 30-60 Grad Abduktion, in der das Risiko einer Hüftkopfnekrose minimiert ist
      • Safe zone: Bereich, in dem die Hüfte sicher reponiert ist, ohne dass eine maximale Abspreizung erfolgt (eine Hüfte, die bei 40 Grad luxiert, muss stärker abgespreizt werden als eine Hüfte, die bei 40 Grad nicht mehr luxiert)

- nach dem 12. Lebensmonat

  • kann bis zum 24. Lebensmonat eine Restdysplasie mit einer Kondylenspreizschiene behandelt werden
  • diese verfügt über flexible Lager, die das Gehen ermöglichen
  • Röntgenverlaufskontrolle alle 3 Monate

- 2.-8. Lebensjahr:

  • wenn AC Winkel größer 30 Grad (2. Lebensjahr) oder größer 25 Grad (ab 3. Lebensjahr) Salter Osteotomie oder Acetabuloplastik
    • ggf. offene Einstellung (Luxation)
    • ggf. Verkürzungsosteotomie (hohe Luxation)

- > 8. Lebensjahr:

  • Pfanne und Kopf sphärisch kongruent: Dreifachosteotomie nach Tönnis, bzw. periacetabuläre Osteotomie nach Ganz
  • Pfanne vergrößert, Kopf subluxiert: Pemberton-Osteotomie ggf. DVO
  • Pfanne verkleinert, Kopf asphärisch: Chiari-Osteotomie und ggf. DVO

- > 14-16. Lebensjahr:

  • Pfanne und Kopf inkongruent, Pfanne zu klein: Chiari-Osteotomie
  • Pfanne und Kopf relativ sphärisch und kongruent: Dreifachosteotomie nach Tönnis, bzw. periacetabuläre Osteotomie nach Ganz
  • degenerative Veränderungen: Hüftprothese, Arthrodese
  • (Luxationsperthes: ggf. Osteotomie nach Morscher zur Verlängerung des Schenkelhalses)

- Salter-Osteotomie:

  • 3.-8. Lebensjahr solange die Symphyse noch beweglich ist
  • Os ilium wird oberhalb der Spina iliaca anterior inferior bis zum Foramen ischiadicum durchtrennt und das Acetabulum nach ventral und lateral gezogen und mit K-Drähten fixiert (ggf. resorbierbare Pins, um Metallentfernung zu vermeiden)
  • eine gleichzeitig beidseitige Operation ist nicht möglich
  • post-OP: Beckenbeingips für 4-6 Wochen
  • Komplikation:
    • Gefäß- und Nervenverletzung, durch die Gigli Säge im Foramen ischiadicum
    • Pseudarthrose

 

Abb. 4-9: Ausgeprägte Hüftdysplasie mit einem Pfannendachwinkel von 38 Grad (A). Nach der SalterOsteotomie und Fixierung des Iliums mit 2 K-Drähten Korrektur des Pfannendachwinkels auf 8 Grad und deutliche Verbesserung der Überdachung (B). Ausheilungserge
Abb. 4-9: Ausgeprägte Hüftdysplasie mit einem Pfannendachwinkel von 38 Grad (A). Nach der SalterOsteotomie und Fixierung des Iliums mit 2 K-Drähten Korrektur des Pfannendachwinkels auf 8 Grad und deutliche Verbesserung der Überdachung (B). Ausheilungsergebnis nach Metallentfernung 1 Jahr später (C)
Orthoforum

 

- Acetabuloplastik (Pemberton-Osteotomie):

  • Indikation ist die entrundete und flache Pfanne
  • 1-1.5cm oberhalb der Pfanne Osteotomie in Richtung auf die Y-Fuge und Herunterbiegen des lateralen Acetabulums nach lateral und ventral
  • anschließend Einsetzen eines Knochenkeils (Keil der bei der DVO des Femurs entnommen wurde, Allograft oder Knochenersatzstoff)
  • Beckenbeingips für 4-6 Wochen
  • beidseitige Operation möglich
  • Komplikation: Wachstumsstörung in der Y-Fuge

- Dreifachosteotomie: nach Tönnis

  • Indikation:
    • CE Winkel<20 Grad
    • Schmerzen
    • Ab 8. Lebensjahr
    • Kopf relativ sphärisch
  • es werden das Os ilium (wie bei der Salter Osteotomie), sowie das Scham- und Sitzbein durchtrennt und das Acetabulum nach lateral und ventral geschwenkt und mit Zugschrauben und K-Drähten am Os ilium und ggf. einer Schraube am Schambein fixiert
  • post-OP:
  • 10Tage Bettruhe, danach 5 Wochen Entlastung des operierten Beines, danach 6 Wochen Teilbelastung mit 10kg
  • nur einseitig möglich
  • technisch anspruchsvoll
  • Komplikationen:
    • Pseudarthrose
    • Überkorrektur
    • Ischiadicusparese
    • Femoralisparese
    • Gefäßverletzung
    • Acetabulumnekrose

- Periacetabuläre Osteotomie nach Ganz:

  • Indikation:
    • CE Winkel <20 Grad
    • Schmerzen
    • Lebensalter >15 Jahre
    • Kopf relativ sphärisch
  • Osteotomie durch Ilium und Ischium; wird dorsal so verbunden, dass keine Beckendiskontinuität (Unterbrechung der Verbindung zwischen Ilium und Ischium) entsteht
  • technisch anspruchsvoll
  • Komplikationen:
    • Ischiadicusparese
    • Femoralisparese
    • Acetabulumnekrose
    • Pseudarthrose

 

Abb. 4-10: Tönnis-Osteotomie bei einem 17-jährigen Mädchen mit Verbesserung des CE-Winkels von 14 auf 27 Grad (A-B). Schanz-Osteotomie bei einem Kind mit einer spastischen Tetraparese (C-D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität
Abb. 4-10: Tönnis-Osteotomie bei einem 17-jährigen Mädchen mit Verbesserung des CE-Winkels von 14 auf 27 Grad (A-B). Schanz-Osteotomie bei einem Kind mit einer spastischen Tetraparese (C-D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

 

Abb. 4-11: Fortschreitende Arthrose bei einem Patienten mit einer Hüftdysplasie (A-B). Im Alter von 43 Jahren erfolgte die Implantation einer zementfreien S-ROM Hüftprothese (C)
Abb. 4-11: Fortschreitende Arthrose bei einem Patienten mit einer Hüftdysplasie (A-B). Im Alter von 43 Jahren erfolgte die Implantation einer zementfreien S-ROM Hüftprothese (C)
Orthoforum

 

- Chiari-Osteotomie:

  • Indikation:
    • nur in Ausnahmefällen indiziert, als sogenannte „Salvage“-Operation
    • asphärischer Hüftkopf
    • zu kleine Pfanne (Chiari Ostoetomie vergrößert das Pfannenvolumen)
  • Osteotomie des Iliums vom Pfannenerker nach medial ansteigend bis zum Foramen ischiadicum
  • das Acetabulum wird nach medial in das kleine Becken verschoben
  • das proximale Ilium wird nach lateral über den Kopf gezogen und mittels Zugschrauben und K-Drähten fixiert
  • Zugschraube sollte nach spätestens 6 Monaten entfernt werden (Gefahr eines Schraubenbruchs)
  • zwischen Ilium und Kopf liegt die Gelenkkapsel, die die Potenz zur Metaplasie zu Faserbzw. hyalinem Knorpel hat
  • post-OP: 6 Wochen Entlastung
  • Komplikationen:
    • „Anti-Chiari-Effekt“: durch Verletzung der Wachstumsfuge des Pfannenerkers kommt es zu einem Minderwuchs des Pfannenerkers
    • Verletzung des N. ischiadicus
    • Pseudarthrose
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