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Notizbuch

Patellafraktur

- direkte Gewalteinwirkung („dashboard“)
- indirekte Gewalteinwirkung durch forcierte Beugung bei kontrahiertem Quadrizeps
- aktive Kniestreckung und Anheben des gestreckten Beins von der Unterlage nicht möglich
- Hämatom & Hämarthros: Hinweis auf eine Patellafraktur
- häufig offene Fraktur
- Differentialdiagnose: Patella bipartita, klassisch oberes laterales Fragment, fast immer beidseitig

Abb. 3-44: Patella bipartita
Abb. 3-45: Patella bipartita
Orthoforum

Bildgebung:

- Röntgen:

  • Kniegelenk AP, seitlich und Patella tangential (45 Grad Kniebeugung)
  • seitliche Aufnahme: Hinweis auf Patella baja/alta
    • Insall-Salvati-Index: Verhältnis Länge der Patella zu Abstand distaler Patellapol und Ansatz des Ligamentum patellae an der Tuberositas sollte bei Männern: 0.9-1.1, bei Frauen: 0.94-1.18 betragen
    • Blackburne-Peel-Index: Verhältnis Länge des Patellaknorpels zu Entfernung distaler Patellapol zu Tibiaplateau: Männer: 0.85-1.09, Frauen: 0.7-1.09)

Einteilung:

- Polfraktur, Querfraktur, Längsfraktur, Mehrfragmentfraktur, Trümmerfraktur
- Speck & Regazzoni:

  • Typ A: Längsfraktur
    • Typ A1: nicht disloziert
    • Typ A2: disloziert
    • Typ A3: mit Zusatzfragment
  • Typ B: Querfraktur
    • Typ B1: Polabriß ohne Gelenkbeteiligung
    • Typ B2: einfache Querfraktur
    • Typ B3: mit Zusatzfragmenten oder doppelte Querfraktur
  • Typ C: Mehrfragmentfrakturen
    • Typ C1: nicht disloziert
    • Typ C2: disloziert < 2 mm
    • Typ C3: disloziert > 2 mm

- klinisch: disloziert oder nicht (≥ 3mm Fragmentverschiebung, ≥2mm Knorpelstufe)

 

Abb. 3-45: Patella: seitliches Röntgenbild (A), Insall Salvati Index (B) und Blackburne Peel Index (C)
Abb. 3-46: Patella: seitliches Röntgenbild (A), Insall Salvati Index (B) und Blackburne Peel Index (C)
Orthoforum

Therapie:

konservative Therapie:
- nicht dislozierte Längsfrakturen und Kantenabsprengungen mit intaktem Streckapparat
- Knieschiene, Vollbelastung mit blockierter Streckung für 6 Wochen
- parallel passive und assistierte schmerzadaptierte Mobilisation mit deblockierter Schiene
ab 2.-3. Woche
- Röntgenverlaufskontrollen zum Ausschluss einer Fragmentverschiebung
- Oberschenkelgips bei geringer Compliance

operative Therapie:
- Kleinfragment-Schraubenosteosynthese bei Polabriss
- primäre Therapie der Wahl bei Querfrakturen:

  • Zuggurtungsosteosynthese mit zwei K-Drähten in Längsrichtung und einer Drahtcerclage um die distalen und proximalen Drahtenden und gekreuzt über die Patellavorderfläche
  • die Zugkräfte werden in Kompressionskräfte im gelenkseitigen Frakturanteil umgewandelt
  • Modifikation: statt K-Draht zwei kanülierte Schrauben durch die die Drahtcerclage verläuft

- Mehrfragmentfraktur: Versuch, durch Schraubenosteosynthese oder K-Drahtfixierung die Fraktur in eine Querfraktur umzuwandeln, die dann mit einer Zuggurtungsosteosynthese und Tonnencerclage versorgt wird
- Trümmerfraktur:

  • äquatoriale Drahtcerclage (Tonnencerclage) um die Patella zur Reposition der Fragmente
  • Rotationssicherung mit K-Drähten / Kleinfragmentschrauben und anschließend Zuggurtungsosteosynthese

 

Abb. 3-46: Zuggurtungsosteosynthese: Schemazeichnung (A) (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerland) und Röntgenbild (B,C) mit zusätzlichen Kleinfragmentschrauben
Abb. 3-47: Zuggurtungsosteosynthese: Schemazeichnung (A) (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerland) und Röntgenbild (B,C) mit zusätzlichen Kleinfragmentschrauben
Orthoforum

 

- post-Op:

  • Bewegungsschiene ab 5. Tag
  • Mobilisation: ab 3. Woche assistiert aktiv
  • Teilbelastung mit Knieschiene 10kg für 6 Wochen
  • Röntgenkontrolle postoperativ: nach 1 und 6 Wochen
  • Trümmer- und Mehrfragmentfrakturen: keine Gelenkmobilisation für 4 - 6 Wochen und Belastung mit in Streckung fixierter Knieschiene

- partielle Patellektomie:

  • Patella sollte möglichst erhalten werden!
  • schwere Trümmerfraktur ggf. Erhalt des größten Fragments/Fragmente und Refixierung des Streckapparates
  • je weniger entfernt wird, um so besser ist die patellofemorale Biomechanik
  • Trümmerfrakturen des distalen Pols können oft problemlos entfernt werden, da größten Teils extraartikulär
  • post-OP: Ruhigstellung in Streckung für 6 Wochen

- offene Fraktur: umgehendes Débridement und Stabilisierung nach beschriebener Technik
- bei ausgedehntem Weichteilschaden ggf. zunächst gelenkübergreifender Fixateur extern, später definitive Versorgung

Prognose / Komplikationen:

- posttraumatische Arthrose: vor allem nach partieller Patellektomie
- Infektionsrisiko: auch bei offenen Frakturen gering
- Bewegungseinschränkung:

  • Streckdefizit biomechanisch besonders ungünstig (erhöhter Anpressdruck)
  • frühes Release oder passive Manipulation

- Pseudarthrose: selten
- postoperativer Korrekturverlust:

  • in der Regel auf technische Fehler bei der Osteosynthese zurückzuführen
  • umgehende offene Revision

- Metallentfernung: in der Regel erforderlich

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