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Notizbuch

Rückenmarksverletzung

- ca. 50 Querschnittslähmungen auf 1 Million Einwohner / Jahr
- Durchschnittsalter: 40 Jahre
- Männer : Frauen = 3:1
- Paraplegiker: Tetraplegiker = 3:2
- Ätiologie:

  • Auto-, Motorradunfall (Rasanztrauma)
  • Sturz
  • Badeunfall
  • Sportverletzungen
  • Schussverletzungen

- Risikofaktoren für Frakturen der HWS / BWS / LWS

  • M. Bechterew
  • Klippel-Feil-Syndrom
  • rheumatoide Arthritis
  • Tumorerkrankungen
  • Osteoporose

- Altersverteilung:

  • 1.Gipfel: 15.-25. Lebensjahr
  • 2.Gipfel: >55 Lebensjahr

- Kennmuskel:

  • C3-5: Zwerchfell
  • C 5: Ellenbogenbeugung (M. biceps, M. brachioradialis)
  • C 6: Handgelenksextension (M. extensor carpi radialis)
  • C 7: Ellenbogenstreckung (M. triceps)
  • C 8: Fingerbeugung (Flexor dig. profundus des Mittelfingers)
  • T 1: Abduktion des kleinen Fingers (Abd. digit. minimi)
  • L 2: Hüftbeugung (M. iliopsoas)
  • L 3: Kniestreckung (M. quadrizeps)
  • L 4: Dorsalextension des Sprunggelenks (M. tibialis ant.)
  • L 5: Extension des Großzehen (M. extensor hallucis longus)
  • S 1: Plantarflexion des Sprunggelenks (M. gastrocnemius)

- Dermatom:

  • C 4: Schulter
  • C 5: Oberarm Außenseite
  • C 6: Daumen
  • C 7: Mittelfinger
  • C 8: Kleinfinger
  • T 1: Ellenbogen-Innenseite
  • T 4: Mamillen
  • T 10: Bauchnabel
  • T 12: Leiste
  • L 2: Innenseite Oberschenkel
  • L 3: Innenseite Oberschenkel distal und Knie
  • L 4: Unterschenkel Innenseite
  • L 5: Großzehe
  • S 1: Kleinzehe und Fußrand

- Reflexe:

  • C 5/6: Bizepssehnenreflex
  • C 5/6: Brachioradialisreflex
  • C 7/8: Trizepssehnenreflex
  • T 6/7: oberer Bauchhautreflex
  • T 10/12: unterer Bauchhautreflex
  • L 1/2: Kremasterreflex
  • L 2/4: Adduktorenreflex
  • L 3/4: Patellasehnenreflex
  • L5: M. tibialis anterior Reflex
  • S 1/2: Achillessehnenreflex
  • S 3/4: Bulbokavernosusreflex
  • S 3/5: Analreflex

- spinaler Schock:

  • akute, passagere Querschnittssymptomatik mit
    • schlaffer Para- oder Tetraparese
    • Areflexie
    • atone Überlaufblase (Harnretention)
    • paralytischem Ileus
    • Stuhlabgang
    • Bradykardie und arterieller Hypotonie

- komplette Querschnittslähmung

  • initial schlaffe Para- oder Tetraparese (spinaler Schock), die mit der Zeit in eine spastische Plegie und Hyperreflexie übergeht
  • 1 Monat nach einer Querschnittslähmung kommt es zu Reflexen auf spinaler Ebene mit spastischer Tonuserhöhung
  • Rückkehr der Eigenreflexe
  • Streckreflex- und Beugereflexsynergien: Reizung führt zu unwillkürlicher Aktivierung der Streck- und Beugemuskulatur
  • spinal ungehemmte Blase: unwillkürliche Blasenentleerung trotz geringer Blasenfüllung

Bildgebung:

- Röntgen: AP, seitlich

  • ggf. in Fechter- oder Boxerstellung (Schwimmeraufnahme): Arme nach vorne, um Überlagerungen im Bereich des cervikothorakalen Übergangs zu vermeiden
  • Funktionsaufnahme unter Durchleuchtung (discoligamentäre Instabilität)

- Computertomografie: (Spiral-CT)

  • schnelles Untersuchungsverfahren, das parallel Beurteilung anderer Verletzungen ermöglicht (Polytrauma)
  • gute Beurteilung der knöchernen Verletzungen

- MRT:

  • beste Darstellung des Rückenmarks und der Rückenmarkskompression
  • Abklärung der Ursache der Rückenmarkskompression (Blutung)
  • bone bruise Hinweis auf knöcherne Verletzung

Einteilung:

Frankel:
- Typ A (komplett): keine Sensibilität oder motorische Funktion unterhalb des neurologischen Verletzungsniveaus- Typ B (inkomplett): Sensibilität teilweise erhalten aber keine motorische Funktion- Typ C (inkomplett): Sensibilität teilweise erhalten aber motorische Funktion bei den meisten Kennmuskeln < Kraftgrad 3- Typ D (inkomplett): Sensibilität erhalten und motorische Funktion bei den meisten Kennmuskeln≥Kraftgrad 3- Typ E (normal): Sensibilität und Motorik intakt

nach Lokalisation der Verletzung:
- zentrale Rückenmarksverletzung:

  • motorische Funktion in der oberen Extremität eingeschränkt
  • relativ unauffällige Motorik der unteren Extremität

- anteriore Rückenmarksverletzung:

  • Pyramidenbahnen verletzt: Verlust der motorischen Funktion unterhalb des neurologischen Verletzungsniveaus

     

  • Tractus spinothalamicus ggf. beeinträchtigt: Berührungsempfinden, Schmerz- und Temperaturwahrnehmung

  • Hinterstrangbahnen intakt: Vibrationsempfinden und Tiefensensibilität sind normal

- posteriore Rückenmarksverletzung:

  • Hinterstrangbahnen verletzt: Verlust des Vibrationsempfindens und der Tiefensensibilität
  • Tractus spinothalamicus ggf. intakt: Berührungsempfinden, Schmerz- und Temperaturwahrnehmung unter Umständen normal

- Brown-Séquard-Syndrom:

  • gleichseitige Beeinträchtigung der motorischen Funktion und Tiefensensibilität
  • gegenseitige Beeinträchtigung des Berührungsempfindens, der Schmerz- und Temperaturwahrnehmung

Motorische Funktion: Kraftgrad
- Kraftgrad 5: aktive Bewegung gegen vollen Widerstand möglich- Kraftgrad 4: aktive Bewegung gegen Widerstand möglich- Kraftgrad 3: aktive Bewegung gegen Schwerkraft möglich- Kraftgrad 2: aktive Bewegung möglich, wenn die Schwerkraft ausgeschaltet ist- Kraftgrad 1: sichtbare oder tastbare Muskelkontraktionen- Kraftgrad 0: totale Lähmung

Therapie:

- initiale Therapie:

  • bereits bei Reanimation und Bergung an Möglichkeit einer Rückenmarksverletzung denken
  • statt Esmarch-Handgriff eher nasale oder orale Intubation
  • adäquate Immobilisierung, um Folgeverletzungen zu vermeiden: Zervikalorthese, Vakuummatratze (en bloc Mobilisation)
  • schneller Transport: RTW <50-75 km, Hubschrauber >50-75 km

- medikamentöse Therapie (The National Acute Spinal Cord Injury Study)

  • Bolus Methylprednisolon 30mg /kg KG
  • Erhaltungsdosis: 5,4mg /kg KG / Stunde
  • Infusionsdauer:
    • 24 Stunden, wenn Beginn innerhalb von 3 Stunden nach der Verletzung
    • 48 Stunden, wenn Beginn 3 bis 8 Stunden nach der Verletzung
    • keine Kortisongabe, wenn Therapie um mehr als 8 Stunden verzögert

- Operation:

  • Zeitpunkt:
    • Kaninchenmodell:
      • bis zu 6 Stunden nach der Verletzung nahezu komplette Erholung
      •  ab 6 Stunden kaum therapeutischer Erfolg
    • umgehende Operation, möglichst in den ersten 6 Stunden nach dem Auftreten der Symptome
    • auf keinen Fall sollte das Verschwinden der Symptome des spinalen Schocks abgewartet werden
  • ventrale oder dorsale Dekompression und Stabilisierung

Prognose / Komplikationen:

- Prognose abhängig von:

  • Verletzungsmuster: funktionelles Outcome nach Brown-Séquard-Verletzung besser als nach zentraler Rückenmarksverletzung
  • adäquater initialer Therapie

- Dekubitus
- Mortalität im Krankenhaus in den ersten Tagen bei fast 20%
- Psyche

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