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Notizbuch

Hallux valgus

Abb. 6-1: Juveniler Hallux valgus
Abb. 6-1: Juveniler Hallux valgus
Orthoforum

- Intrinsische Faktoren

  • neuromuskuläre Grunderkrankung mit muskulärer Dysbalance
  • Bindegewebsstörung
  • Instabilität des Tarsometatarsalgelenks 1
  • Plattfuß
  • Vergrößerung des distalen Gelenkwinkels und Abweichen der Gelenkfläche nach lateral
  • Spreizfuß

- extrinsische Faktoren:

  • inadäquates Schuhwerk

- Folgen:

  • da der erste Strahl nicht mehr die Last tragen kann, kommt es zu Transfermetatarsalgien
  • aufgrund der Verlagerung der 1. Phalanx entstehen sekundär Krallenzehen und Hammerzehen des 2.-4. Strahls

 

 

- Metatarsus primus varus: Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels >11 Grad- Hallux valgus interphalangeus: Valgus Deformität in der Grundphalanx

Klinik / Diagnose:

- typische Deformität

Abb. 6-2: Schwerer Hallux valgus (A) mit sekundärer Deformität Dig. 2-4, mediale Exostose (C)
Abb. 6-2: Schwerer Hallux valgus (A) mit sekundärer Deformität Dig. 2-4, mediale Exostose (C)
Orthoforum

 

- Schmerzen über der medialen Exostose, sekundäre Bursitis
- Hautreizungen, Druckstellen, Ulcus
- schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Metatarsophalangealgelenks 1
- Beurteilung der Stabilität des Tarsometatarsalgelenks 1: manuelle Verschiebung Metatarsale 1 gegen 2, Röntgen
- Beurteilung des Fußgewölbes (Knick-Senkfuß?)
- Spreizfuß
- Tibialis posterior Insuffizienz
- immer auch Untersuchung im Stehen mit bis zu den Kniegelenken freien Unterschenkeln, um die dynamische Instabilität des Vorfußes besser beurteilen zu können
- Ausmaß der Vorfußpronation: je ausgeprägter der Hallux valgus, um so deutlicher die Vorfußprontation
- Röntgenaufnahme im Stehen:

  • Arthrose
  • laterale Subluxation der proximalen Phalanx verursacht Inkongruenz des Metatarsophalangealgelenks
  • Intermetatarsalwinkel (Winkel zwischen Os metatarsale 1 und 2): Normalwert kleiner 10 Grad
  • Metatarsophalangealwinkel„Halluxvalguswinkel“ (Winkel zwischen Os metatarsale 1 und Grundphalanx): Normwert kleiner als 15 Grad
  • Winkel zwischen der distalen metatarsalen Gelenkfläche (Verbindung zwischen lateralstem und medialstem Gelenkanteil) und Achse des Os metatarsale 1: Normalwert kleiner als 10 Grad
  • Hallux valgus interphalangeus: Winkel zwischen proximaler Gelenkfläche der Grundphalanx und Achse der Grundphalanx ist größer 10 Grad
  • Lage der Sesambeine: nach lateral subluxiert ? (AP Röntgenaufnahme)
  • Winkel der Gelenkfläche des Tarsometatarsalgelenks 1: bei mehr als 15 Grad Neigung nach medial besteht der Verdacht auf eine Instabilität im Tarsometatarsalgelenk

 

Abb. 6-3: Bestimmung der Linie an die distale Gelenkfläche des Metatarsale 1 (A), Winkel der distalen metatarsalen Gelenkfläche (B), kongruente (C) und inkongruente (D) Gelenkfläche
Abb. 6-3: Bestimmung der Linie an die distale Gelenkfläche des Metatarsale 1 (A), Winkel der distalen metatarsalen Gelenkfläche (B), kongruente (C) und inkongruente (D) Gelenkfläche
Orthoforum

 

Abb. 6-4: Inkongruenz des Metatarsophalangealgelenks (A), Metatarsophalangealwinkel (B) und Intermetatarsalwinkel (C)
Abb. 6-4: Inkongruenz des Metatarsophalangealgelenks (A), Metatarsophalangealwinkel (B) und Intermetatarsalwinkel (C)
Orthoforum

 

Abb. 6-5: Hallux valgus ohne (A) und mit Subluxation der Sesambeine (B), Schemazeichnung der lateralen Subluxation der Sesambeine (C)
Abb. 6-5: Hallux valgus ohne (A) und mit Subluxation der Sesambeine (B), Schemazeichnung der lateralen Subluxation der Sesambeine (C)
Orthoforum

Therapie:

konservativ:
- adäquates Schuhwerk mit weiter Zehenkammer, weiches Leder
- Hallux valgus-Nachtschiene: Therapieeffekt sehr umstritten
- Polsterschaumstof

 

Abb. 6-6: Zehenspreizer aus Paragummi zur Anwendung beim Hallux valgus (A), Hammerzehenschutz aus Formschaum (B), Hühneraugenpflaster aus Schaumgummi (C), Hornhautschutz aus Filz (D) zur symptomatischen Therapie von Fußbeschwerden. (Bauerfeind Orthopädie
Abb. 6-6: Zehenspreizer aus Paragummi zur Anwendung beim Hallux valgus (A), Hammerzehenschutz aus Formschaum (B), Hühneraugenpflaster aus Schaumgummi (C), Hornhautschutz aus Filz (D) zur symptomatischen Therapie von Fußbeschwerden. (Bauerfeind Orthopädie GmbH)
Orthoforum

 

operativ:
- wichtige Faktoren für die Operation:

  • Kongruenz des Metatarsophalangealgelenks: ein inkongruentes Gelenk mit lateraler Subluxation erfordert die Reposition der Grundphalanx auf das Metatarsalköpfchen
    • kongruentes Gelenk:
      • Chevron-Osteotomie
      • Akin Operation zur Korrektur des Hallux valgus interphalangeus
      • Metatarsale Doppelosteotomie
    • inkongruentes Gelenk:
      • Intermetatarsalwinkel <15 Grad, Metatarsophalangealwinkel <30 Grad:
      • (1) Chevron-Osteotomie
      • (2) Mitchell-Osteotomie
      • (3) distaler Weichteileingriff und basisnahe Osteotomie
      • (4) Scarf-Osteotomie
      • (5) Ludloff-Osteotomie,
      • Intermetatarsalwinkel >15 Grad und / oder Metatarsophalangealwinkel > 30 Grad:
      • (1) Scarf-Osteotomie mit distalem Weichteileingriff
      • (2) Ludloff-Osteotomie mit distalem Weichteileingriff
      • (3) distaler Weichteileingriff und proximale basisnahe Osteotomie
      • (4) bei hohem Metatarsophalangealwinkel und vergrößertem Interphalangeal winkel (Hallux valgus interphalangeus): zusätzlich Akin Operation
    • Arthrose:
      • bei Vorliegen einer Arthrose kann eine operative Korrektur des Hallux valgus zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung führen
      • eine Cheilektomie evtl. in Kombination mit einer Interpositionsarthroplastik oder MTP-1 Arthrodese ist die Methode der Wahl
      • Operation nach Keller Brandes ist nur in Ausnahmefällen indiziert (Patienten mit geringen funktionellen Ansprüchen, z. Bsp. Patienten mit rheumatoider Arthritis)
      • Eine Prothesenimplantation ist beim Hallux valgus nicht indiziert.
    • Hypermobilität:
      • <5% aller Patienten zeigen eine ausgeprägte Hypermobilität des Tarsometatarsalgelenks
      • in diesen Fällen ist eine Arthrodese des Tarsometatarsalgelenks (Lapidus Operation) indiziert, um einem Hallux-valgus Rezidiv vorzubeugen
    • neuromuskuläre Grunderkrankung: da das Muskelungleichgewicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten Fehlstellung führt, wird bei Patienten mit einer neuromuskulären Grunderkrankung u.a. eine MTP-1 Arthrodese ggf. in Kombination mit einer Jones-Operation (Rückversetzung des Extensor hallucis auf das Metatarsale empfohlen)

 

Abb. 6-7: Instabilität des Tarsometatarsalgelenks mit einer Gelenkneigung >15 Grad (A), Osteotomie (B) und Schraubenarthrodese in der Technik nach Lapidus (C), alternativ: Plattenosteotosynthese
Abb. 6-7: Instabilität des Tarsometatarsalgelenks mit einer Gelenkneigung >15 Grad (A), Osteotomie (B) und Schraubenarthrodese in der Technik nach Lapidus (C), alternativ: Plattenosteotosynthese
Orthoforum

 

Operationstechniken:
- Chevron-Osteotomie:

  • Indikation:
    • Hallux-valgus-Winkel <30 Grad und nur geringe Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels
    • kontraindiziert bei ausgedehntem Metatarsus primus varus und Intermetatarsalwinkel von >15 Grad
  • Technik:
    • medialer Zugang
    • V-förmige subkapitale Osteotomie
    • Verschiebung des Metatarsalköpfchens nach lateral und Osteosynthese mit einer Schraube
    • ein exzessives Release auf der lateralen Seite kann die Blutversorgung des Metatarsalköpfchens gefährden
    • ist der Winkel der distalen metatarsalen Gelenkfläche erhöht, kann durch eine zuklappende Keilentnahme eine Korrektur erfolgen
    • post-OP: Vorfußtherapieschuh, Vorfußentlastungsschuh oder konventionelles Schuhwerk (mit Sohlenverstärkung) für 4 Wochen
    • Komplikationen: selten avaskuläre Knochennekrose, Pseudarthrose und Versagen der Osteosynthese

 

Abb. 6-8: Chevron-Osteotomie: vor (A) und nach der Operation (B,C)
Abb. 6-8: Chevron-Osteotomie: vor (A) und nach der Operation (B,C)
Orthoforum

 

- Mitchell-Osteotomie:

  • Indikation:
    • moderate Fehlstellung: Intermetatarsalwinkel bis 20 Grad
    • (ähnliche Indikation: Hohmann Osteotomie, Kramer Osteotomie)

 

Abb. 6-9: Mitchell-Osteotomie: vor (A) und nach der Operation (B,C)
Abb. 6-9: Mitchell-Osteotomie: vor (A) und nach der Operation (B,C)
Orthoforum

 

  • Technik:
    • Osteotomie am metadiaphysären Übergang quer zur Schaftachse
    • zweite inkomplette Osteotomien parallel und etwa 3mm distal, ohne die laterale Kortikalis zu zerstören
    • Lateralverschiebung des Metatarsalköpfchens und Fixierung mit einer Naht
  • post-OP: Unterschenkelgips für 4-6 Wochen und 2 Unterarmgehstützen
  • Komplikation:
    • Korrekturverlust
    • Transfermetatarsalgie durch Abkippen des Kopfs nach dorsal

- distales Weichteilrelease & proximale Osteotomie:

  • Indikation: für fast alle Indikationen möglich, auch bei juvenilem Hallux valgus sinnvoll
  • Technik:
    • dorsaler Zugang und Darstellen des distalen Intermetatarsalraums (lateral)
    • Release des M. adductor hallucis vom Sesambein und Mobilisation des Sesambeins
    • laterale Kapselinzision
    • (alternativ können M. adductor hallucis und laterale Kapsel auch über einen medialen Zugang dargestellt werden)
    • anschließend medialer Zugang
    • Entfernung der medialen Exostose
    • Osteotomie: 1cm distal des Tarsometatarsalgelenks; Technik: Dom-Osteotomie oder additive/substraktive Keilosteotomie mit Schrauben- oder Plattenosteosynthese

 

Abb. 6-10: Schemazeichnung eines distalen Weichteilreleases der Sehne des M. adductor hallucis
Abb. 6-10: Schemazeichnung eines distalen Weichteilreleases der Sehne des M. adductor hallucis
Orthoforum

 

  • post-OP: Vorfußtherapieschuh mit Teilbelastung an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
  • Komplikationen: selten

- Scarf-Osteotomie:

  • Indikation:
    • Korrektur des Metatarsus primus varus (großer Intermetatarsalwinkel)
    • bietet Möglichkeit den 1. Strahl in gewissem Umfang zu verlängern oder zu verkürzen

 

Abb. 6-11: Röntgenbild: vor (A,C) und nach Scarf-Osteotomie (B,D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 6-11: Röntgenbild: vor (A,C) und nach Scarf-Osteotomie (B,D) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

 

Abb. 6-12: Scarf-Osteotomie: vor (A) und nach Operation (B,C)
Abb. 6-12: Scarf-Osteotomie: vor (A) und nach Operation (B,C)
Orthoforum

 

  • Technik:
    • distaler Weichteileingriff (siehe oben)
    • markieren der Sägeebene mit K-Drähten (der distale K-Draht verläuft in Richtung auf das Metatarsalköpfchen 5)
    • Osteotomie entlang der Längsachse
    • Schrägosteotomie: proximal-plantar und distal-dorsal
    • Korrektur und Fixierung mit zwei Zugschrauben
  • post-OP: Vorfußtherapieschuh und Teilbelastung 10kg an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
  • Komplikation: Fraktur des Metatarsale 1

- Ludloff -Osteotomie:

  • Indikation:
    • Korrektur des Metatarsus primus varus (großer Intermetatarsalwinkel)
  • Technik:
    • distaler Weichteileingriff (siehe oben)
    • Schrägosteotomie: proximal-dorsal nach distal-plantar
    • Korrektur und Fixierung mit zwei Zugschrauben
  • post-OP: Vorfußtherapieschuh und Teilbelastung 10kg an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
  • Komplikation: Fraktur des Metatarsale 1

- Akin-Osteotomie:

  • Indikation:
    • Korrektur des Hallux valgus interphalangeus in Kombination mit Chevron-Osteotomie oder distalem Weichteileingriff
    • kongruentes Metatarsophalangealgelenk
  • Technik: Keilosteotomie der Grundphalanx und Fadenosteosynthese, nur selten ist ein K-Draht oder eine Schraubenosteosynthese notwendig
  • Komplikation: Rezidiv vor allem bei inkongruentem Metatarsophalangealgelenk

Prognose / Komplikation:

- vor Hallux valgus Operation: etwa 1/3 der Patienten können die Schuhe tragen die sie möchten, nach der Operation sind es 2/3 der Patienten
- wenn vor der Operation eine passive Korrektur der Deformität nur mit gleichzeitig starker Einschränkung der Dorsalextension möglich ist, muss der Patient über eine postoperativ zu erwartende Bewegungseinschränkung aufgeklärt werden
- Unterkorrektur des Metatarsus primus varus ist eine der häufigsten Ursachen für Versagen der Operation
- bei juvenilem Hallux valgus sollten die Epiphysenfugen geschont werden

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