Hallux valgus
- Intrinsische Faktoren
- neuromuskuläre Grunderkrankung mit muskulärer Dysbalance
- Bindegewebsstörung
- Instabilität des Tarsometatarsalgelenks 1
- Plattfuß
- Vergrößerung des distalen Gelenkwinkels und Abweichen der Gelenkfläche nach lateral
- Spreizfuß
- extrinsische Faktoren:
- inadäquates Schuhwerk
- Folgen:
- da der erste Strahl nicht mehr die Last tragen kann, kommt es zu Transfermetatarsalgien
- aufgrund der Verlagerung der 1. Phalanx entstehen sekundär Krallenzehen und Hammerzehen des 2.-4. Strahls
- Metatarsus primus varus: Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels >11 Grad- Hallux valgus interphalangeus: Valgus Deformität in der Grundphalanx
Klinik / Diagnose:
- typische Deformität
- Schmerzen über der medialen Exostose, sekundäre Bursitis
- Hautreizungen, Druckstellen, Ulcus
- schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Metatarsophalangealgelenks 1
- Beurteilung der Stabilität des Tarsometatarsalgelenks 1: manuelle Verschiebung Metatarsale 1 gegen 2, Röntgen
- Beurteilung des Fußgewölbes (Knick-Senkfuß?)
- Spreizfuß
- Tibialis posterior Insuffizienz
- immer auch Untersuchung im Stehen mit bis zu den Kniegelenken freien Unterschenkeln, um die dynamische Instabilität des Vorfußes besser beurteilen zu können
- Ausmaß der Vorfußpronation: je ausgeprägter der Hallux valgus, um so deutlicher die Vorfußprontation
- Röntgenaufnahme im Stehen:
- Arthrose
- laterale Subluxation der proximalen Phalanx verursacht Inkongruenz des Metatarsophalangealgelenks
- Intermetatarsalwinkel (Winkel zwischen Os metatarsale 1 und 2): Normalwert kleiner 10 Grad
- Metatarsophalangealwinkel„Halluxvalguswinkel“ (Winkel zwischen Os metatarsale 1 und Grundphalanx): Normwert kleiner als 15 Grad
- Winkel zwischen der distalen metatarsalen Gelenkfläche (Verbindung zwischen lateralstem und medialstem Gelenkanteil) und Achse des Os metatarsale 1: Normalwert kleiner als 10 Grad
- Hallux valgus interphalangeus: Winkel zwischen proximaler Gelenkfläche der Grundphalanx und Achse der Grundphalanx ist größer 10 Grad
- Lage der Sesambeine: nach lateral subluxiert ? (AP Röntgenaufnahme)
- Winkel der Gelenkfläche des Tarsometatarsalgelenks 1: bei mehr als 15 Grad Neigung nach medial besteht der Verdacht auf eine Instabilität im Tarsometatarsalgelenk
Therapie:
konservativ:
- adäquates Schuhwerk mit weiter Zehenkammer, weiches Leder
- Hallux valgus-Nachtschiene: Therapieeffekt sehr umstritten
- Polsterschaumstof
operativ:
- wichtige Faktoren für die Operation:
- Kongruenz des Metatarsophalangealgelenks: ein inkongruentes Gelenk mit lateraler Subluxation erfordert die Reposition der Grundphalanx auf das Metatarsalköpfchen
- kongruentes Gelenk:
- Chevron-Osteotomie
- Akin Operation zur Korrektur des Hallux valgus interphalangeus
- Metatarsale Doppelosteotomie
- inkongruentes Gelenk:
- Intermetatarsalwinkel <15 Grad, Metatarsophalangealwinkel <30 Grad:
- (1) Chevron-Osteotomie
- (2) Mitchell-Osteotomie
- (3) distaler Weichteileingriff und basisnahe Osteotomie
- (4) Scarf-Osteotomie
- (5) Ludloff-Osteotomie,
- Intermetatarsalwinkel >15 Grad und / oder Metatarsophalangealwinkel > 30 Grad:
- (1) Scarf-Osteotomie mit distalem Weichteileingriff
- (2) Ludloff-Osteotomie mit distalem Weichteileingriff
- (3) distaler Weichteileingriff und proximale basisnahe Osteotomie
- (4) bei hohem Metatarsophalangealwinkel und vergrößertem Interphalangeal winkel (Hallux valgus interphalangeus): zusätzlich Akin Operation
- Arthrose:
- bei Vorliegen einer Arthrose kann eine operative Korrektur des Hallux valgus zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung führen
- eine Cheilektomie evtl. in Kombination mit einer Interpositionsarthroplastik oder MTP-1 Arthrodese ist die Methode der Wahl
- Operation nach Keller Brandes ist nur in Ausnahmefällen indiziert (Patienten mit geringen funktionellen Ansprüchen, z. Bsp. Patienten mit rheumatoider Arthritis)
- Eine Prothesenimplantation ist beim Hallux valgus nicht indiziert.
- Hypermobilität:
- <5% aller Patienten zeigen eine ausgeprägte Hypermobilität des Tarsometatarsalgelenks
- in diesen Fällen ist eine Arthrodese des Tarsometatarsalgelenks (Lapidus Operation) indiziert, um einem Hallux-valgus Rezidiv vorzubeugen
- neuromuskuläre Grunderkrankung: da das Muskelungleichgewicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten Fehlstellung führt, wird bei Patienten mit einer neuromuskulären Grunderkrankung u.a. eine MTP-1 Arthrodese ggf. in Kombination mit einer Jones-Operation (Rückversetzung des Extensor hallucis auf das Metatarsale empfohlen)
- kongruentes Gelenk:
Operationstechniken:
- Chevron-Osteotomie:
- Indikation:
- Hallux-valgus-Winkel <30 Grad und nur geringe Vergrößerung des Intermetatarsalwinkels
- kontraindiziert bei ausgedehntem Metatarsus primus varus und Intermetatarsalwinkel von >15 Grad
- Technik:
- medialer Zugang
- V-förmige subkapitale Osteotomie
- Verschiebung des Metatarsalköpfchens nach lateral und Osteosynthese mit einer Schraube
- ein exzessives Release auf der lateralen Seite kann die Blutversorgung des Metatarsalköpfchens gefährden
- ist der Winkel der distalen metatarsalen Gelenkfläche erhöht, kann durch eine zuklappende Keilentnahme eine Korrektur erfolgen
- post-OP: Vorfußtherapieschuh, Vorfußentlastungsschuh oder konventionelles Schuhwerk (mit Sohlenverstärkung) für 4 Wochen
- Komplikationen: selten avaskuläre Knochennekrose, Pseudarthrose und Versagen der Osteosynthese
- Mitchell-Osteotomie:
- Indikation:
- moderate Fehlstellung: Intermetatarsalwinkel bis 20 Grad
- (ähnliche Indikation: Hohmann Osteotomie, Kramer Osteotomie)
- Technik:
- Osteotomie am metadiaphysären Übergang quer zur Schaftachse
- zweite inkomplette Osteotomien parallel und etwa 3mm distal, ohne die laterale Kortikalis zu zerstören
- Lateralverschiebung des Metatarsalköpfchens und Fixierung mit einer Naht
- post-OP: Unterschenkelgips für 4-6 Wochen und 2 Unterarmgehstützen
- Komplikation:
- Korrekturverlust
- Transfermetatarsalgie durch Abkippen des Kopfs nach dorsal
- distales Weichteilrelease & proximale Osteotomie:
- Indikation: für fast alle Indikationen möglich, auch bei juvenilem Hallux valgus sinnvoll
- Technik:
- dorsaler Zugang und Darstellen des distalen Intermetatarsalraums (lateral)
- Release des M. adductor hallucis vom Sesambein und Mobilisation des Sesambeins
- laterale Kapselinzision
- (alternativ können M. adductor hallucis und laterale Kapsel auch über einen medialen Zugang dargestellt werden)
- anschließend medialer Zugang
- Entfernung der medialen Exostose
- Osteotomie: 1cm distal des Tarsometatarsalgelenks; Technik: Dom-Osteotomie oder additive/substraktive Keilosteotomie mit Schrauben- oder Plattenosteosynthese
- post-OP: Vorfußtherapieschuh mit Teilbelastung an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
- Komplikationen: selten
- Scarf-Osteotomie:
- Indikation:
- Korrektur des Metatarsus primus varus (großer Intermetatarsalwinkel)
- bietet Möglichkeit den 1. Strahl in gewissem Umfang zu verlängern oder zu verkürzen
- Technik:
- distaler Weichteileingriff (siehe oben)
- markieren der Sägeebene mit K-Drähten (der distale K-Draht verläuft in Richtung auf das Metatarsalköpfchen 5)
- Osteotomie entlang der Längsachse
- Schrägosteotomie: proximal-plantar und distal-dorsal
- Korrektur und Fixierung mit zwei Zugschrauben
- post-OP: Vorfußtherapieschuh und Teilbelastung 10kg an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
- Komplikation: Fraktur des Metatarsale 1
- Ludloff -Osteotomie:
- Indikation:
- Korrektur des Metatarsus primus varus (großer Intermetatarsalwinkel)
- Technik:
- distaler Weichteileingriff (siehe oben)
- Schrägosteotomie: proximal-dorsal nach distal-plantar
- Korrektur und Fixierung mit zwei Zugschrauben
- post-OP: Vorfußtherapieschuh und Teilbelastung 10kg an 2 Unterarmgehstützen für 6 Wochen
- Komplikation: Fraktur des Metatarsale 1
- Akin-Osteotomie:
- Indikation:
- Korrektur des Hallux valgus interphalangeus in Kombination mit Chevron-Osteotomie oder distalem Weichteileingriff
- kongruentes Metatarsophalangealgelenk
- Technik: Keilosteotomie der Grundphalanx und Fadenosteosynthese, nur selten ist ein K-Draht oder eine Schraubenosteosynthese notwendig
- Komplikation: Rezidiv vor allem bei inkongruentem Metatarsophalangealgelenk
Prognose / Komplikation:
- vor Hallux valgus Operation: etwa 1/3 der Patienten können die Schuhe tragen die sie möchten, nach der Operation sind es 2/3 der Patienten
- wenn vor der Operation eine passive Korrektur der Deformität nur mit gleichzeitig starker Einschränkung der Dorsalextension möglich ist, muss der Patient über eine postoperativ zu erwartende Bewegungseinschränkung aufgeklärt werden
- Unterkorrektur des Metatarsus primus varus ist eine der häufigsten Ursachen für Versagen der Operation
- bei juvenilem Hallux valgus sollten die Epiphysenfugen geschont werden