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Notizbuch

Karpaltunnelsyndrom

- betrifft bis zu 10% der Bevölkerung
- Frauen : Männer = 3 : 1
- Risikofaktoren: Übergewicht, Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes (30% Patienten mit peripherer diabetischer Neuropathie), Schwangerschaft (bis zu 50%), Nierenleiden, Akromegalie, rheumatoide Arthritis (Sehnenscheidenentzündung), Alter (>50. Lebensjahr), Rauchen

Pathomechanismus:

- unklar, ob mechanische Faktoren oder Ischämie die Ursache für Nervendysfunktion sind
- erhöhter Ruhedruck im Karpaltunnel >25mm Hg (normal <10mm Hg)
- Druckerhöhung bei Flexion und Extension im Handgelenk: >90mm Hg bei Karpaltunnelsyndrom

Klinik / Diagnose:

- intermittierendes v.a. nächtliches Taubheitsgefühl oder Kribbelparästhesien im Versorgungsbereich des Nervus medianus (Brachialgia paraesthetica nocturna)
- Schwäche und Atrophie der Daumenballenmuskulatur (M. abd. pollicis brevis): Hinweis auf fortgeschrittene Erkrankung
- Provokation der Beschwerden durch mehrfaches Greifen, extreme Handpositionierung

- Phalen’s Test: maximale Flexion beider Handgelenke führt zu Parästhesien innerhalb von einer Minute
- Hoffmann-Tinel-Zeichen: leichtes Klopfen im Verlauf des Nerven löst Kribbeln aus
- Durkan-Test: direkte Kompression des Nervus medianus im Karpaltunnel löst in 30 Sekunden Parästhesien aus
- 2-Punkt-Diskriminierung: pathologisch, wenn Punkte im Abstand von mindestens 5mm nicht unterschieden werden

- Semmes-Weinstein-Monofilament-Test: mit Monofilamenten zunehmender Dicke werden Fingerinnenseiten solange berührt bis berührter Finger identifiziert wird (pathologisch: >2.8)
- Elektrodiagnostik: Nervenleitungsgeschwindigkeit & Elektromyografie

  • reduzierte Nervenleitungsgeschwindigkeit
    • (1) verringerte Amplitude des Aktionspotentials
    • (2) erhöhte Latenzzeit (motorisch: >4.5 ms, sensorisch >3.5 ms)
    • (3) verringerte Leitungsgeschwindigkeit (>0.5 m/s Unterschied im Vergleich zur Gegenseite)
  • einziger objektivierbarer Test
  • bis zu 20% der Patienten mit typischer Klinik haben eine unauffällige Elektrodiagnostik, zeigen jedoch Besserung nach Karpaltunnelspaltung

 

Abb. 7-26: Phalen-Test (A), Hoffmann-Tinnel‘sches Zeichen (B) und Untersuchung der Zweipunktdiskrimination (C)
Abb. 7-26: Phalen-Test (A), Hoffmann-Tinnel‘sches Zeichen (B) und Untersuchung der Zweipunktdiskrimination (C)
Orthoforum

Therapie:

konservative Therapie:
- Schiene für Handgelenk und MCP-Gelenke in Neutralstellung (nachts): allein oder in Kombination mit medikamentöser Therapie, Ultraschall oder Iontophorese
- orale Einnahme von NSAR, Vitamin B6: allein nicht wirksam
- oral Kortison: zwar wirksam, jedoch hohe Rate an Nebenwirkungen
- Kortisoninjektion in den Karpaltunnel
- Vermeidung von Berufs - oder Freizeittätigkeiten, die mit extremen Handgelenkspositionen einhergehen
- Yoga: kurzfristige Besserung beschrieben
- Akupunktur und Magnetfeldtherapie: in Studien unwirksam

operative Therapie
- Indikation:

  • Versagen der konservativen Therapie
  • permanentes Taubheitsgefühl oder Kribbelparästhesien
  • Schwäche oder Atrophie der Daumenballenmuskulatur
  • motorische Denervierung

- offene Technik:

  • Längsschnitt zwischen Thenar und Hypothenar in Verlängerung des Ringfingers
  • Spaltung des Retinakulum flexorum an der Ulnaseite des Karpaltunnels zur Schonung des palmaren Astes des N. medianus
  • ggf. Karpaldachplastik
  • gegenüber endoskopischer Technik bessere Sichtbarkeit des Karpaltunnels (Ganglien, Tumore, Knochenvorsprünge, Sehnenrupturen), Möglichkeit der digitalen Austastung des Kanals und der Synovektomie der Beugesehnen

- Technik mit 2 endoskopischen Zugängen nach Chow

  • Schnitt etwa 1cm proximal des Schnittpunktes der Verlängerung des Ringfingers und des abgespreizten Metacarpale 1
  • Schnitt etwa 1-1.5cm radial und 0.5cm proximal des Os pisiforme (proximal der Handgelenksbeugefurche und ulnar der Sehne des M. palmaris longus)
  • Durchtrennung des Retinakulums von dorsal mit dem Messer unter Sicht

- Technik mit einem endoskopischen Zugang nach Agee

  • 1,5cm Zugang proximal der Handgelenksbeugefurche und ulnar der Sehne des M. palmaris longus

 

Abb. 7-27: Zugang für ein offenes Karpaltunnelrelease (A), sowie ein endoskopisches Karpaltunnelrelease in der Technik nach und Agee (B) und Chow (C)
Abb. 7-27: Zugang für ein offenes Karpaltunnelrelease (A), sowie ein endoskopisches Karpaltunnelrelease in der Technik nach und Agee (B) und Chow (C)
Orthoforum

Komplikationen / Prognose:

- Daumenballenatrophie persistiert in vielen Fällen
- Erfolgsrate:

  • konservative Therapie: kurzfristig bis zu 80%, langfristig bis zu 50%
  • operative Therapie:
    • 80-95% subjektive Besserung
    • kein Unterschied offen versus endoskopisch
    • kürzere Krankschreibungszeit bei endoskopischem Verfahren
    • schlechtere Operationsergebnisse:
      • Diabetiker
      • Symptome aufgrund beruflicher Belastung

- Ursachen für Rezidiv der Beschwerden:

  • falsche Diagnose (radikuläre Symptome C6/7)
  • „Double Crush Syndrom“: neben Kompression im Karpaltunnel auch Kompression des Nervus medianus weiter proximal
  • periphere Neuropathie: Diabetes
  • Raumforderung im Karpaltunnel trotz Release: Sehnenscheidenentzündung, Ganglion
  • iatrogene Verletzung des Nervus medianus

- intra- und post-OP Komplikationen:

  • Verletzung des palmaren Asts des N. medianus
  • Verletzung des N. medianus (endoskopische Technik)
  • Verletzung des Hohlhandbogens (endoskopische Technik)
  • Narbenbildung
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