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Notizbuch

Diabetischer Fuß

Wundheilungsstörung, Ulcus

- Ätiologie:

  • Neuropathie: Verlust der Sensibilität
  • Ischämie: diabetische Mikro- und Makroangiopathie
  • Druck: unklar, ob Druckspitzen oder erhöhter mittlerer Druck oder Kombination entscheidend für Ulcusentstehung
  • Trias: Neuropathie + Deformität + Trauma

- chronische Wunden: wenn trotz intensiver Therapie nach 6 Wochen kein Wundverschluss
- Ulcus:

  • periphere arterielle Verschlusskrankheit: Ulcus im Bereich der Akren
  • chronische venöse Insuffizienz: Ulcus im Bereich des medialen Fußrandes
  • Polyneuropathie: Fußsohle

- Druck:

  • intrinsische Faktoren:
    • vorspringende Knochenkanten
    • eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit
    • Deformität
    • geringe Gewebeelastizität
    • Hornhaut
  • extrinsische Faktoren:
    • schlechte Schuhversorgung
    • Fremdkörper (Steine) im Schuh werden aufgrund gestörter Sensibilität nicht bemerkt
    • Trauma
    • physische Belastung

- Einteilung nach Wagner:

  • Grad 0: Haut intakt, Vorstadium eines Ulcus, ausgeheiltes Ulcus
  • Grad 1: oberflächliche Wunde ohne Beteiligung des Subkutangewebes
  • Grad 2: reicht durch das Subkutangewebe, ggf. exponiert: Sehnen, Bänder, Knochen
  • Grad 3: Osteitis, Abszess, Osteomyelitis
  • Grad 4: Gangrän des Vorfußes
  • Grad 5: Gangrän des gesamten Fußes

- 10% aller Diabetiker haben Fußprobleme
- 25% aller Diabetiker entwickeln Fußprobleme in ihrem Leben
- 50% aller Amputation sind auf Diabetes zurückzuführen
- 80% der Patienten hatten Fußulcera, bevor es zur Amputation gekommen ist

neuropathische Arthropathie:

- auslösende Faktoren für eine Charcot-Fraktur oder Luxation:

  • geringes Trauma: Umknicken, Überlastung durch repetitive Mikrotraumata
  • Trauma: Sturz, Autounfall

- Einteilung nach Sanders: welcher Anteil des Fußes ist betroffen; mehrere Typen möglich:

  • Typ 1: Inter- und Metatarsalgelenke
  • Typ 2: Lisfranc Gelenk
  • Typ 3: Chopart-Gelenk
  • Typ 4: oberes Sprunggelenk
  • Typ 5: unteres Sprunggelenk

- Im Rahmen einer diabetischen Osteoarthropathie kann es zum Auftreten eines Ulcus kommen, entsprechend der Sanders Klassifikation ist bei einem

  • Typ 1 mit einem Ulcus im Bereich des Fußballens,
  • Typ 2 und 3 mit einem Ulcus im Bereich des Mittelfußes und Fußrandes und bei einem
  • Typ 4 und 5 mit einem Ulcus im Bereich des Innen- und Außenknöchels zu rechnen

- Einteilung der Entwicklung der Diabetischen Osteoarthropathie nach Eichenholtz:

  • Grad 1:
    • akute Entzündung, leicht zu verwechseln mit einer Infektion
    • Rötung, Überwärmung
    • Röntgen: Demineralisierung, Fragmentation, ggf. in Frühphase noch keine Veränderungen
  • Grad 2:
    • weniger Entzündungszeichen
    • Röntgen: Resorption der knöchernen Abbauprodukte, Heilung der Frakturen, Bildung neuen Knochens
  • Grad 3:
    • geringe Schwellneigung, Hauttemperatur normalisiert sich
    • Röntgen: knöcherne oder fibröse Ankylose, Remodellierung

Klinik / Diagnose:

- Anamnese: Dysästhesien, Schmerzen
- neurologische Untersuchung: scharf-stumpf-Diskriminierung, Monofilament-Test, Stimmgabel, Wattebausch
- Labor: CRP, BSG
- Wadenatrophie geht der Osteoarthropathie voraus
- Differentialdiagnose eines chronischen Ulcus: Plattenepithelkarzinom
- Röntgen AP & seitlich: „Candy Stick“-Deformität, spitz zulaufende Metatarsalknochen als Ausdruck der Osteoarthropathie
- Pedobarografie: Druckverteilung, (Therapieüberprüfung: mit Schuhversorgung oder
Einlagenversorgung)

Therapie:

- Beste Therapie ist das Verhindern eines Ulcus: optimale Schuhversorgung durch einen erfahrenen Orthopädieschuhmacher und fachgerechte Fußpflege
- offene Wundbehandlung:

  • Wundheilung verläuft in Phasen: 1. Entzündung – 2. Proliferation – 3.Reparation
    • chirurgisches Wunddébridement
    • Hydrokolloide (Comfeel, Varhesive, etc.)
    • Hydropolymere (Tielle, etc.)
    • Aktive Induktion von Granulationsgewebe (Promogran, etc.)
    • Alginate (Trionic, etc.)
    • Hydrogele (Nu-Gel, etc.)
    • antiseptische Wundauflagen (Actisorb Silver 220, Silvercel, etc.)
    • enzymatische Wundreinigung (Varidase, Iruxol N, etc.)
    • Fettgaze (Cuticerin, etc.)
    • Vacuum assisted closure (KCI-Vakuum-system, etc.)
    • Madentherapie

- Einlagenversorgung, Schuhzurichtung:

  • Ziel ist es, mechanischen Druck zu vermeiden (eingeschränkte Sensibilität):
    • fußbettende Einlagen nach Gipsabdruck
    • Druckumverteilung (retrokapitale Abstützung)
    • Polsterung des Schuhs (Schaft, Hinterkappe)
    • Pufferabsatz
    • Sohlenversteifung zur Reduktion der Scherkräfte im Fuß
    • Erleichtern des Abrollvorganges (Mittelfuß- oder Sohlenrolle)
    • Maßschuh
    • Knöchelkappe zur Stabilisierung des unteren Sprunggelenks
    • Arthrodesestiefel zur Stabilisierung des oberen und unteren Sprunggelenks
    • traditionell Ruhigstellung im Total Contact Cast (Gips, der möglichst gut anmodelliert ist und so zu einer gleichmäßigen Druckverteilung führt)
  • Mechanismus:
    • Ruhigstellung und Schutz vor Trauma
    • Reduktion des Ödems
    • Druckreduktion durch gleichmäßige Verteilung der Last
  • Indikationen:
    • Wagner-Grad 1 und 2
    • Eichenholz-Stadium 1 und 2, Ruhigstellung der Osteoarthropathie
  • Kontraindikationen:
    • tiefe Infektionen, Osteomyelitis
    • schlechte Hautqualität
    • Ischämie
    • schlechte Patientencompliance
    • Fersenulcus (da die Ferse nicht entlastet wird)

 

Abb. 6-22: Diabetische Osteoarthropathie (A,B) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 6-22: Diabetische Osteoarthropathie (A,B) (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

 

  • Technik:
    • Neutralstellung
    • 3-schichtige Wattepolsterung, Polsterung über Schienbeinkante, Zehen, Vorfußrücken
    • zunächst Aufbringen einer Gipsschicht (Scotch-Cast), dann sorgfältig anmodellieren (Fußlängsgewölbe, Fußsohle), 2 weitere Gipsschichten, dann 24 Stunden keine Belastung
    • im Anschluss: geringere Belastung, reduzieren der täglichen Aktivität auf 1/3 des Normalen
  • Alternativen:
    • Orthese nach Gipsabdruck (beste Alternative, jedoch teuer)
    • konfektionierte Orthesen (Aircast)
    • Allgöwer-Apparat

- geringe Schrittlänge verringert den Druck
- langsamere Gehgeschwindigkeit verringert den Druck
- Vermeidung von Druckspitzen beim Fersenkontakt und beim Push off
- Operationsindikation

  • wenn das Ulcus tiefer ist als sein Durchmesser, sollte eine chirurgische Sanierung erwogen werden
  • Beteiligung des Knochens
  • Luxation
  • Instabilität und Deformität bei knöchernem Substanzverlust
  • Infektion, je nach Ausdehnung

- Operationstechniken:

  • Débridement:
    • Resektion des prominenten und zerstörten Knochens
    • ggf. Einlage von Septopalketten für 2 Wochen
    • ggf. Reposition der Deformität
  • Ruhigstellung im Hoffmann-Fixateur für 6-8 Wochen (alternativ wird im amerikanischen Sprachraum ein Total-Contact-Cast ab dem 1. oder 2. post-op Tag empfohlen)
  • günstigster Operationszeitpunkt ist das Stadium 3 nach Eichenholtz
  • sparsame Knochenresektion

 

Abb. 6-23: Syme-Amputation (A), Pirogoff-Amputation (B), Vor- und Mittelfußamputationen (C)
Abb. 6-23: Syme-Amputation (A), Pirogoff-Amputation (B), Vor- und Mittelfußamputationen (C)
Orthoforum

 

  • Amputation wenn notwendig:
    • Zehenamputation
    • Keilresektion des infizierten Strahls (nach Brunner)
    • basisnahe Metatarsalknochen-Amputation
    • Lisfranc-Amputation
    • Chopart-Amputation
    • Pirogoff-Spitzy: Entfernung des Talus und Unterstellung des Calcaneus unter die Tibia
    • Syme: Exartikulation des oberen Sprunggelenks
    • ggf. innere Amputation Link-Witzelsche Operation (Entfernung der Tarsalknochen) oder Entfernung der Metatarsalknochen unter Belassen der distalen Knochen (innere Fußamputation)

- Grenzzonenamputation: jeder Diabetiker ist von einer Amputation auf der Gegenseite bedroht, deswegen immer sparsam amputieren
- Osteosynthese bei Fraktur auf dem Boden einer Osteoarthropathie:

  • eine Operation in eine floride Osteoarthropathie sollte vermieden werden („Griff ins Wespennest“), da die Knochen in Bewegung sind und die Osteosynthese mit hoher Wahrscheinlichkeit versagt
  • Patienten mit einer Osteoarthropathie Stadium 1 nach Eichenholtz sollten mit einem
    Total-Contact-Gips versorgt werden
  • wenn nur Neuropathie jedoch kein Hinweis auf Osteoarthropathie, kann eine Osteosynthese durchgeführt werden, jedoch muss mit einer höheren Komplikationsrate gerechnet werden
  • um eine sekundäre Osteoarthropathie zu vermeiden, müssen Patienten mit einer Neuropathie ungefähr doppelt so lang immobilisiert werden wie Patienten ohne Neuropathie (Beispiel: Sprunggelenksfraktur: 3 Monate Entlastung (4 Monate TotalContact-Gips, für 1 Jahr eine Schiene))
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