Amputationen der Fingerspitze
- schräge oder transversale Amputation
Einteilung:
- nur Fingerspitze
- Nagel und distale Phalanx betroffen
- proximal des Nagels
Therapie:
- individuelle Entscheidung:
- Beruf: Musiker versus Handwerker
- dominante Hand betroffen
- Gesundheitszustand des Patienten (andere Verletzungen, Polytrauma)
konservative Therapie:
- Débridement der Wunde
- regelmäßige Verbandswechsel bis sekundäre Wundheilung abgeschlossen ist
- kleine Wunde <1 cm2 und intakter Knochen:
- Dauer: ca. 3-4 Wochen
- Ergebnisse:
- exzellent
- normale Sensibilität, Beweglichkeit und Kraft beim Spitzgriff
- Problem: Nageldystrophie
- größere Wunde: >1 cm2
- Dauer der Therapie bis zu 9 Wochen
- in 1/3 der Fälle tritt eine Nageldeformität auf
- Funktion und Kosmetik oft besser als nach komplexer Rekonstruktion mit Hautlappen
- konservative Therapie für kleine und große Wunden sinnvoll; Problem: je größer die Wunde, desto länger die Behandlungszeit
operative Therapie:
- Indikation:
- freiliegender Knochen oder Sehne
- Eröffnung des Gelenks (DIP)
- Therapieoptionen:
- Verkürzung der distalen Phalanx bis ein primärer Wundverschluss möglich ist
- Problem: Verkürzung des Fingers und Verringerung der Kraft
- Spalthauttransplantation:
- Spalthautentnahme ist einfach und komplikationsarm
- Problem: Spalthaut zieht sich während der Heilung zusammen
- Sensibilität eingeschränkt
- Vollhauttransplantat:
- stabilere Defektabdeckung
- Kontrakturen seltener als nach einer Spalthautdeckung
- kosmetisch besser
- Entnahmestelle:
- Amputat
- Kleinfingerballen
- Sensibilität eingeschränkt (2-Punktdiskreminierung: <6mm bei 50 % der Patienten)
- Kutler-Lappenplastik:
- V-Y Lappenplastik von beiden Seiten des proximalen Fingeranteils
- V-förmige Inzision vom Defektrand bis zur Hautfalte des DIP-Gelenks und Schwenken des Lappens nach distal in den Defekt
- Sensibilität: nur gering eingeschränkt
- Cross-Finger-Lappen:
- Transfer von Haut und Subkutangewebe vom Fingerrücken der Mittelphalanx des längsten Nachbarfingers
- Sehnenscheide der Extensorensehne bleibt unberührt
- die Amputationswunde wird durch Beugung des verletzten Fingers auf die Mittelphalanx gelegt und dort ein adäquates Stück Haut und Subkutangewebe präpariert, umgeschlagen und in den Defekt eingenäht
- nach 2 Wochen wird das Transplantat von der Donor-Site getrennt
- keine Innervation: (2-Punktdiskriminierung ≥ 9mm bei 50% der Patienten)
- Technik mit Nervenverpflanzung beschrieben (Cohen): Wiederherstellung der Sensibilität möglich
- am Daumen:
- Defekte bis zu 2cm Länge
- die palmare Haut des Daumens wird zusammen mit dem radialen und ulnaren Gefäßnervenbündel von der Beugesehnenscheide vom Defekt bis zum MP-Gelenk gelöst, es bleibt ein proximaler Stiel
- anschließend wird der Daumen im Interphalangealgelenk gebeugt und der Lappen nach distal über den Defekt gelegt und eingenäht
- passive Mobilisation wird innerhalb von 7 Tagen in Abhängigkeit von der Spannung der Rekonstruktion begonnen
- aufgrund seiner Gefäßversorgung ist diese Technik nur am Daumen möglich
- 2-Punktdiskriminierung von 5 mm
- weitere wichtige Kuppenplastiken: nach
- Tranquilli-Leali
- Venkataswami
- Tsai
- Foucher
Prognose / Komplikation:
- Komplikationen:
- Ischämie: spannungsfreier Verschluss wichtig
- Krallennagel: wenn keine adäquate Stützung des Nagelbetts
- Verlust der Fingerbeere, wenn die Haut ohne Weichteilpolster über Knochen verschlossen wird
- Infektion
- Hämatom