Knorpelverletzung
- Knorpel entlastet den subchondralen Knochen und senkt die Reibung
- Aufbau:
- Wasser (65-80 %): Anteil nimmt bei Arthrose zu
- Kollagen (10-20 %): Kollagen 2 macht 90-95% des gesamten Kollagen aus, Stützgerüst des Knorpels
- Proteoglykane (10-15%): verantwortlich für Kompressionseigenschaften, sie werden von Chondrozyten gebildet
- Glukosaminglykane: Chondroitinsulfat und Keratansulfat
- Chondrozyten (5-10%): synthetisieren die Knorpelmatrix
- zonaler Aufbau: oberflächliche Schicht, Übergangszone, Radiärzone, Tidemark
- bei traumatischem Knorpeldefekt oft gleichzeitig Band- und Meniskusverletzung
Einteilung:
Outerbridge:- Grad 1: Aufweichung und Schwellung des Knorpels- Grad 2: Auffaserung der Knorpeloberfläche- Grad 3: Einrisse des Knorpels, die bis zum subchondralen Knochen reichen- Grad 4: kompletter Knorpelverlust bis zum subchondralen Knochen
Interational Cartilage Repair Society (ICRS) Klassifikation:
- Grad 0: kein erkennbarer Defekt
- Grad 1a: intakte Oberfläche, leichte Erweichung und/oder Fibrillation
- Grad 1b: zusätzlich oberflächliche Risse/Fissuren
- Grad 2: Läsionstiefe < 50% der Knorpeldicke
- Grad 3a: > 50% Tiefe der Knorpeldicke, nicht bis zur kalzifizierenden Schicht (schwer abnormaler Knorpel)
- Grad 3b: > 50% Tiefe der Knorpeldicke, bis zur kalzifizierenden Schicht
- Grad 3c: > 50% Tiefe der Knorpeldicke, bis zur subchondralen Platte
- Grad 3d: > 50% Tiefe der Knorpeldicke mit Blasenbildung
- Grad 4a/b: vollständige Knorpelläsion mit Durchbruch der subchondralen Platte
Diagnose / Klinik:
- Anamnese
- Trauma
- Begleitverletzung (Kreuzband)
- Röntgen: AP, seitlich, Patella tangential, AP in 30 Grad Beugung unter Belastung
- MRT:
- hochauflösende MRT gute Knorpeldarstellung
- 3-D Ausmessung der Knorpeldicke (Noyes-Score für Knorpelqualität)
- Fett unterdrückende Sequenzen zeigen subchondrales Ödem als Hinweis auf einen Knorpeldefekt
- morphologische MRT-Sequenzen (MOCART score)
- biochemische MRT-Verfahren (z.B. T1-dGEMRIC, T2-Mapping)
- Arthroskopie gestattet Beurteilung
- der Defektgröße:
- klein: <2cm2
- mittel: 2-10cm2
- groß: >10cm2
- der Defektumgebung:
- allseitig von Knorpel umgeben (contained)
- im Randbereich des Defekts kein intakter Knorpel (uncontained)
Therapie:
- der „natürliche Verlauf“ einer Knorpelverletzung:
- es ist unklar, wie viele Patienten eine Knorpelverletzung erleiden, ohne Symptome zu entwickeln
- wahrscheinlich hängt die Prognose von folgenden Faktoren ab: Defektgröße und Defekttiefe, Alter, Gewicht des Patienten und gleichzeitiger Meniskus- und Bandverletzung mit daraus resultierender Instabilität, Achsenverhältnisse
- Langzeitverlauf nach diagnostischer Arthroskopie: bis zu 78% gut und exzellent nach 14 Jahren
operative Therapie:
- gegenwärtig gibt es keine Daten dafür, dass eines der im folgenden genannten Verfahren den anderen überlegen wäre; aus diesem Grund empfiehlt sich eine umsichtige Indikationsstellung, vor allem bei teuren Verfahren
- Therapiealgorithmus:
- Femurkondylus: <2cm2:
- Microfracture, ggf. keine Therapie (individuelle Entscheidung)
- Femurkondylus >2cm2:
- geringe körperliche Belastung: Microfracture (Versager Mosaikplastik)
- Sportler und bei stärkerer körperlicher Belastung: autologe Knorpeltransplantation (Versager Mosaikplastik)
- Tibia: Microfracture, da schlecht zugängig für andere Verfahren
- Patella: Korrektur des Alignements entscheidend, individuell kann eine Kombination mit einer Microfracture-Therapie oder Knorpeltransplantation sinnvoll sein
- Osteochondrosis dissecans: initial Refixierung, später: <2cm2 Anbohrung, >2cm2
Mosaikplastik ggf. autologe Knorpeltransplantation
- Shaving des aufgefaserten Gelenkknorpels: Wirkmechanismus
- Beseitigung mechanischer Symptome durch Abtragen von Auffaserungen und Knorpellappen
- Entfernung von Mediatoren, die eine Synovialitis und den resultierenden Gelenkerguss unterhalten
- kein Hinweis, dass Shaving die Reparaturprozesse anregt, vielmehr führt es zu zunehmender Auffaserung und Untergang des Knorpelgewebes
- Indikation: in Kombination mit einer Umstellungsosteotomie oder bei degenerativen Veränderungen in fortgeschrittenem Alter
- Stimulation mesenchymaler Stammzellen:
- Abrasionsarthroplastik: nach Johnson, mit dem Shaver wird der Knorpeldefekt gesäubert und der subchondrale Knochen eröffnet, Einströmen von Blut in den Defekt (heute zugunsten der Microfracture Technik verlassen worden)
- Pridie-Anbohrung: Eröffnen des subchondralen Knochens durch anterograde Anbohrung, Einströmen von Blut in den Defekt
- Microfracture: Eröffnen des subchondralen Knochens mit einer Ahle, Einströmen von Blut in den Defekt
- Nanofrakturierung: noch kleinere Instrumente und tiefere Penetration in die subchondrale Knochenschicht
- Mechanismus:
- undifferenzierte Stammzellen aus dem Blut bilden ein Reparaturgewebe
- nach 2 Wochen finden sich hier Chondrozyten, die Kollagen 2 und ein hyalinartigen Knorpel bilden
- später nimmt jedoch der Anteil an Kollagen 1 deutlich zu und der Proteoglykangehalt nimmt ab, es bildet sich mechanisch weniger belastbarer Faserknorpel
- keine Vernetzung der Kollagenfasern zwischen gesundem Knorpel und Regenerat im Defekt
- bereits nach 10 Wochen sind erste degenerative Veränderungen erkennbar
- Prognose ist um so besser, je kleiner der Defekt
- systematische Therapie mit der CPM Schiene verbessert die Qualität des Reparaturknorpels
- Microfracture zur Zeit von den genannten Verfahren die Methode der Wahl
- Mosaikplastik: nach Hangody
- Entnahme von autologen Knorpel-Knochen-Zylindern aus weniger belasteten Gelenkanteilen, z. Bsp. dem lateralen Femurkondylus und der interkondylären Notch
- Implantation dieser Zylinder in den Defekt
- die Zwischenräume werden mit der Zeit mit Faserknorpel gefüllt
- optimales Einpassen der Zylinder in den Defekt entscheidend für das Ergebnis
- mittelfristige Ergebnisse:
- gut und exzellent: 92% Femurkondyle, 88% Tibia, 81% Patella und Trochlea und 94% Talus
- besten Ergebnisse mit Zylindern von 8-10mm Durchmesser
- allogene Knorpel-Knochen Zylinder:
- Vorteil:
- keine Donor-site-Morbidity
- es kann Gewebe jüngerer Spender verwendet werden: besseres Reparaturpotential?
- orthotope Grafts: exakt von derselben Stelle im Knie des Spenders mit optimaler Passform
- Nachteil: Infektionsrisiko, Knochennekrose mit Einbruch des Knorpels, Vitalität von autologen Chondrozyten besser als von allogenen Chondrozyten, allogener Knorpel zeigt ausgeprägtere degenerative Veränderungen
- nach 10 Jahren zirka 70% gute und sehr gute Ergebnisse
- Grundlagen:
- Gelenkknorpel ist kaum immunogen
- Lagerung bei 4 Grad bis zu 40 Tage möglich
- Problem: Kühlen führt zu intrazellulärer Eisbildung mit Verletzung der Zellen
- vermeidbar durch langsames Kühlen bis -20-40 Grad (um Bildung von intrazellulärem Eis zu minimieren), anschließend rasch bis -70-80 Grad
- Verwendung von knorpelprotektiven Stoffen (Dimethylsulfoxid oder Glycerol) hat nur fraglich einen positiven Effekt
- Perichondriumplastik:
- Perichondrium der Rippe ist zur Chondrogenese fähig, bildet vermehrt Kollagen 2
- nach Abtragung des zerstörten Knorpelrests und Anfrischen des subchondralen Knorpels wird ein Stück Rippenperichondrium in den Defekt eingepasst und mit Fibrinkleber eingeklebt
- Ergebnisse:
- 90% Einheilungsrate nach 12 Monaten
- nach 10 Jahren kein Unterschied zu Débridement & Anbohrung
- Periostlappenplastik:
- Periost hat das Potential zur Knorpel- und Knochenbildung: bei hohem Sauerstoffpartialdruck eher Knochenbildung, bei geringerem Sauerstoffpartialdruck eher Knorpelbildung
- continous passive motion (CPM) hat positiven Effekt auf Chondrogenese und Kollagen 2 Bildung
- Periost hat bei jüngeren Patienten höheren Anteil an Kollagen 2
- Débridement des Defekts bis Blutung aus subchondralem Knochen, dann Einkleben des Periostlappens mit Fibrin
- Ergebnisse:
- bis zu 96% gute und exzellente mittelfristige Ergebnisse
- Verknöcherung des Reparaturgewebes beschrieben
- klassische autologe Knorpeltransplantation: ACT autologe Chondrocytentransplantation
- nach der Entnahme von Knorpel wird dieser für mehrere Wochen kultiviert und anschließend re-implantiert
- der Defekt wird, ohne den subchondralen Knochen zu verletzen, mit einer Kürette von Knorpelresten befreit
- anschließend werden die Knorpelzellen unter einen Periostlappen oder auf einem Trägermedium in den Defekt eingebracht
- neuere Verfahren ohne Abdeckung bzw. als matrix-gekoppelte Verfahren umgehen Problem der Periostlappenhypertrophie
- Ergebnisse:
- nach 3 Monaten ist der Defekt ausgefüllt, jedoch zeigen sich noch wellenförmige Bewegungen des neuen Knorpels als Hinweis auf fehlende Verbindung zum subchondralen Knochen
- nach 2 Jahren gleichartiges Aussehen wie der umgebende Knorpel
- klinische Studien: >90% gute und exzellente Ergebnisse
- aber viele ungeklärte Probleme:
- Kollagen-Zusammensetzung des Reparaturknorpels ist unklar
- in Studien häufig kleine Knorpeldefekte versorgt, die auch ohne Therapie ein gutes Outcome haben
- wenige randomisierte Studien zeigen durchaus vergleichbare Ergebnisse mit der wesentlich billigeren Microfracture Technik nach Steadman
- mesenchymale Stammzellen:
- lassen sich aus Periosteum und Knochenmark isolieren
- Vorteil:
- weniger differenziert als reife Chondrozyten und in der Lage, verschiedenartige Typen von Chondrozyten zu bilden; sind evtl. besser geeignet, die zonale Anordnung des Knorpels wiederherzustellen
- Mediatoren des Knorpeldefekts, die nach der Verletzung ausgeschüttet werden, sind eher in der Lage, Stammzellen als Chondrozyten zu stimulieren
- erste Versuche zeigen gute Verbindung zum Knochen und exzellente mechanische Eigenschaften
- Matrix für Knorpelregeneration:
- Ziel ist es heute, eine Trägersubstanz für Chondrozyten oder Stammzellen zu entwickeln, die deren optimale Anordnung ermöglicht und als Gerüst im Defekt fungiert
- so könnten größere Knorpeldefekte mit einer formangepassten Matrix abgedeckt werden
- die Matrix könnte aus Kollagen, Fibrinogen, Kohlenstofffasern, Polylaktat etc. aufgebaut sein
- erste klinische Anwendungen, jedoch noch keine Langzeitdaten
- post-OP:
- CPM-Bewegungsschiene über 6 Stunden/Tag für 8 Wochen hat entscheidenden Einfluss auf die Bildung hyalinartigen Knorpels bei allen Reparaturtechniken
- Komplikationen / Prognose:
- gute Prognose:
- oberflächliche Läsion
- Defekte <2cm2 (grosse Defekte besser mit autologer Knorpeltransplantation)
- intakte Umgebung
- keine knöcherne Fehlstellung
- keine Bandinstabilität
- persistierende Funktionseinschränkung
- posttraumatische Arthrose
- Kissing Lesion (Knorpeldefekte an gegenüberliegendem Knorpel) schlechte Prognose