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Notizbuch

Analyse einer knöchernen Deformität

Deformität in der Frontalebene:

- Fehlstellungstest:

  • für eine korrekte Fehlstellungsbeurteilung in der Frontalebene bedarf es einer Achsenstandaufnahme
  • Voraussetzung für eine auswertbare Achsenstandaufnahme sind:
    • gestreckte Kniegelenke
    • Kniescheibe muss nach vorn zeigen
    • die Stellung der Füße ist unerheblich.
  • Beurteilung der Achsenstandaufnahme:
    • Mechanische Beinachse oder Mikulicz-Linie:
      • in der Achsenstandaufnahme wird eine Linie zwischen Zentrum des Hüftkopfes und Zentrum des oberen Sprunggelenks eingezeichnet
      • Linie sollte 10 mm (3 und 17mm) medial des Kniegelenkzentrums (Eminentia intercondylaris) verlaufen.
    • lateral distaler Femurwinkel: Winkel zwischen
      • Linie zwischen Zentrum des Hüftgelenkes und dem Zentrum der Kniegelenkslinie (Mitte zwischen beiden Kondylen)
      • Linie an die Femurkondylen
      • Normwert: 88 Grad (85-90 Grad)
      • Abweichung von der Norm spricht für eine Deformität des Femurs
    • proximal medialer Tibiawinkel: Winkel zwischen
      • Linie zwischen dem Zentrum des oberen Sprunggelenks und dem Zentrum des Kniegelenks
      • Linie an das Tibiaplateau
      • Normwert: 87 Grad (85-90 Grad)
      • Abweichung von der Norm spricht für eine Deformität in der Tibia
    • Gelenklinienwinkel: Winkel zwischen
      • Linie an das Tibiaplateau
      • Linie an die Femurkondylen
      • Winkel sollte nach lateral offen sein und etwa 1.75 Grad (0-3 Grad) betragen
      • Abweichung von der Norm ist Ausdruck einer Kniegelenksinstabilität mit Anteil an der Fehlstellung
    • Subluxation:
      • markiere die Mitte der Femurkondylen und des Tibiaplateaus und beurteile ob eine Subluxation des Kniegelenkes vorliegt
      • Bei einer Abweichung nach medial oder lateral hat die Subluxation Einfluss auf die Fehlstellung.
    • lateraler distaler Tibiawinkel & lateraler proximaler Femurwinkel: auch wenn das Sprunggelenk und das Hüftgelenk am Ende der mechanischen Achse liegen und damit kaum Einfluss auf eine Abweichung der mechanische Achse haben, werden beide Winkel zur kompletten Analyse der Deformität beurteilt:
      • lateral distale Tibiawinkel: Normalwert: 89 Grad (86-92 Grad)
      • lateral proximale Femurwinkel: Normwert: 90 Grad (85-95 Grad)

- nachdem die Ausrichtung in der Frontalebene entsprechend den 6 Schritten analysiert wurde, ist es möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob und wo eine Fehlstellung in der Frontalebene existiert

 

Abb. 4-38: Analyse einer Deformität: mechanische Beinachse normal (A), Varusfehlstellung (B), lateraler distaler Femurwinkel (C), proximaler medialer Tibiawinkel (D) und Gelenklinienwinkel (E)
Abb. 4-38: Analyse einer Deformität: mechanische Beinachse normal (A), Varusfehlstellung (B), lateraler distaler Femurwinkel (C), proximaler medialer Tibiawinkel (D) und Gelenklinienwinkel (E)
Orthoforum

Analyse einer Tibiadeformität:

- Fehlstellung in der Diaphyse:

  • es wird eine Linie in die Mitte der proximalen und distalen Diaphyse eingezeichnet, dort wo sich beide Linien schneiden liegt das center of rotation and angulation CORA
  • eine sehr einfache Methode, lässt jedoch die Analyse der gelenknahen Deformitäten nicht zu

- gelenknahe Tibiadeformität:

  • mechanische Achse der proximalen Tibia:
    • bei normalem lateral distalen Femurwinkel kann die mechanische Achse des Femurs verlängert werden und entspricht der mechanischen Achse der proximalen Tibia
    • ist der lateral distale Femurwinkel pathologisch, so wird der proximal mediale Tibiawinkel der Gegenseite verwendet und in einem entsprechenden Winkel an das Tibiaplateau die proximale Tibiaachse eingezeichnet
    • sind sowohl der laterale, distale Femurwinkel der gleichen Seite, als auch der proximale, mediale Tibiawinkel der Gegenseite pathologisch verändert, so wird zum Einzeichnen der korrekten proximalen Tibiaachse der Normwert für den proximal medialen Tibiawinkel von 87 Grad verwendet

 

Abb. 4-39: Analyse einer Tibiadeformität: proximaler medialer Tibiawinkel (A), laterale, distaler Tibiawinkel (B), Center of Rotation and Angulation (C), Ausmaß der Deformität (D)
Abb. 4-39: Analyse einer Tibiadeformität: proximaler medialer Tibiawinkel (A), laterale, distaler Tibiawinkel (B), Center of Rotation and Angulation (C), Ausmaß der Deformität (D)
Orthoforum

 

  • mechanische Achse der distalen Tibia:
    • verwende den lateral distalen Tibiawinkel der Gegenseite, um die mechanische Achse der distalen Tibia zu rekonstruieren
    • liegt auch auf der Gegenseite eine knöcherne Deformität mit Veränderung des distalen Tibiawinkels vor, so sollte der Normwert für den lateral distalen Tibiawinkel (89 Grad) verwendet werden
  • nachdem die mechanische Achse der proximalen und distalen Tibia eingezeichnet wurde, kann an deren Schnittstelle das center of rotation and angulation CORA bestimmt werden:
    • stimmt das CORA mit dem Zentrum der Deformität überein, so kann der Winkel zwischen der proximalen und distalen Tibiaachse als Ausmaß der Deformität bestimmt werden
    • stimmt das CORA nicht mit der offensichtlichen Fehlstellung in der Tibiadiaphyse überein, so liegt entweder eine zweite Deformität vor oder es besteht eine zusätzliche Translationsfehlstellung
    • zweite Deformität: in dieser Situation zeichnet man eine dritte Linie als mechanische Achse des mittleren Segments ein und erhält an der Schnittstelle mit der proximalen und distalen Tibiaachse zwei CORA

Analyse einer Femurdeformität:

- im Gegensatz zur Tibia, bei der die mechanische und die anatomische Achse übereinstimmen, gibt es bei der Analyse einer Femurdeformität die Möglichkeit, sowohl die mechanische, als auch die anatomische Achse zu verwenden
- Analyse auf der Basis der mechanischen Achse:

  • aus Einfachheitsgründen soll hier nur auf die Analyse der Deformität auf der Basis der anatomischen Achse eingegangen werden

 

Winkel Mittelwert Minimum Maximum
lateral dist. Femurwinkel (mech.) 88 85 90
lateral dist. Femurwinkel (anat.) 81 79 83
lateral prox. Femurwinkel (mech.) 90 85 95
medial prox. Femurwinkel (anat.) 84 80 89
posterior dist. Femurwinkel (anat.) 83 79 87
proximal med. Tibiawinkel (mech.) 87 85 90
lateral dist. Tibiawinkel (mech.) 89 86 92
posterior prox. Tibiawinkel (anat.) 81 77 84

Tab. 4-4: entnommen aus: Paley D. Deformity planning for frontal and sagittal plane corrective osteotomies.
Orhop Clin North Am 1994; 25: 425-465

 

- Analyse auf der Basis der anatomischen Achse:

  • anatomische Achse des proximalen Femur:
    • liegt die Deformität hinreichend weit distal, so kann die proximale anatomische Achse als Verbindung von zwei Mittelpunkten der proximalen Femurdiaphyse rekonstruiert werden
    • liegt auf der Gegenseite keine Deformität des Femurs vor, so wird die anatomische Achse mit dem proximal medialen Femurwinkel der Gegenseite, unter Verwendung einer Linie an den Trochanter major und durch das Hüftkopfzentrum, rekonstruiert
    • hat auch die Gegenseite eine knöcherne Deformität, so wird anstelle des proximalen medialen Femurwinkels der Gegenseite der Normwert von 84 Grad verwendet
  • anatomische Achse des distalen Femur:
    • zeigt der Femur der Gegenseite keine Deformität:
      • so wird unter Verwendung von zwei Mittelpunkten der distalen Diaphyse die anatomische Achse der Gegenseite bis zur Femurkondylenlinie verlängert
      • nun wird bestimmt wie weit der Schnittpunkt mit der Femurkondylenlinie vom Kniegelenkszentrum abweicht
      • anschließend wird dieser Schnittpunkt auf die zu untersuchende Seite übertragen und die distale anatomische Achse mit Hilfe des lateral distalen Femurwinkels der Gegenseite rekonstruiert
    • liegt eine Deformität der Gegenseite vor:
      • so wird als Ausgangspunkt für die anatomische Achse ein Punkt 1 cm medial des Kniegelenkszentrums (Eminentia intercondylaris) aufgesucht und von hier unter Verwendung des Normwertes für den lateral distalen Femurwinkel (anatomisch) von 81 Grad die anatomische Achse rekonstruiert

 

Abb. 4-40: Rekonstruktion der proximalen anatomischen Achse: Verbindung von 2 Mittelpunkten des proximalen Femurs (A), mit Hilfe des proximalen medialen Femurwinkels (B); Rekonstruktion der distalen anatomischen Achse: Verbindung von 2 Mittelpunkten des d
Abb. 4-40: Rekonstruktion der proximalen anatomischen Achse: Verbindung von 2 Mittelpunkten des proximalen Femurs (A), mit Hilfe des proximalen medialen Femurwinkels (B); Rekonstruktion der distalen anatomischen Achse: Verbindung von 2 Mittelpunkten des distalen Femurs (C), bzw. mit Hilfe des lateralen distalen Femurwinkels (D); Center of Rotation and Angulation (E), Ausmaß der Deformität (F)
Orthoforum

 

  • nachdem die mechanische Achse des proximalen und distalen Femurs eingezeichnet wurde, kann an deren Schnittstelle das center of rotation and angulation CORA bestimmt werden:
    • stimmen CORA und Zentrum der Deformität überein, so kann der Winkel zwischen der proximalen und distalen anatomischen Femurachse als Ausmaß der Deformität bestimmt werden
    • stimmt das CORA nicht mit der offensichtlichen Fehlstellung in der Femurdiaphyse überein, so liegt entweder eine zweite Deformität vor oder zusätzlich besteht eine Translationsfehlstellung
    • zweite Deformität: in dieser Situation zeichnet man eine dritte Linie als mechanische Achse des mittleren Segments ein und erhält, an der Schnittstelle mit der proximalen und distalen Femurachse, zwei CORA

Was muss man bei einer Osteotomie beachten:

- die Achse, um die gedreht werden muss, liegt im rechten Winkel zu der Ebene der Deformität
- Winkelhalbierende für einen Winkel, dessen Scheitelpunkt das CORA und dessen Schenkel die sich schneidenden, anatomischen Achsen sind

  • auf dieser Winkelhalbierenden kann an jedem Punkt die Drehachse für die Korrektur der Deformität gelegt werden
  • liegt die Drehachse auf der Konvexen Seite der Deformität, kommt es zu einer Verlängerung
  • liegt sie auf der konkaven Seite, so kommt es zu einer Verkürzung des Knochens
  • für die klinische Anwendung heißt das:
    • korrigiert man um einen Drehpunkt in der konvexseitigen Kortikalis, kommt es zu einer Korrektur der Deformität durch eine aufklappende (open wedge) Osteotomie
    • korrigiert man um einen Drehpunkt, der in der konkavseitigen Kortikalis liegt, so erfolgt eine zuklappende Osteotomie oder Closing wedge Osteotomie mit resultierender Verkürzung des Knochens
  • jeder Punkt auf der Winkelhalbierenden ist ein Center of Rotation and Angulation für die Korrektur der Deformität
  • solange man die Drehachse auf der Winkelhalbierenden platziert, werden sich die proximale und distale mechanische Achse immer korrekt ausrichten und zeigen keine Translation
  • wird die Osteotomie proximal oder distal des CORA (der Winkelhalbierenden) durchgeführt und um eine Drehachse auf der Winkelhalbierenden der Deformität korrigiert, so richten sich zwar die Achsen korrekt aus, jedoch kommt es zu einer Translation an der Osteotomiestelle
  • Translation:
    • erschwert die Osteosynthese
    • verursacht prominente Knochenvorsprünge
  • wird um einen Punkt gedreht, der nicht auf der Winkelhalbierenden liegt, so kommt es zu einer Translation der anatomischen Achse (Versatz der proximalen und distalen Achse) und zu einer Translation der Osteotomieenden

- aufklappende Osteotomie: „opening wedge“

  • geringere Knochenkontaktfläche durch Aufklappen der Osteotomie
  • relativ instabil

- zuklappende Osteotomie: „closing wedge“

  • bedürfen eines größeren Zugangs und kompletter Darstellung des Knochens, um den Knochenkeil zu entnehmen
  • führt zu einer Verkürzung des Knochens

- Dom Osteotomie:

  • große Knochenkontaktfläche
  • kein Einfluss auf die Knochenlänge
  • stabil
  • Drehachse ist das Zentrum des zirkulären Doms

 

Abb. 4-41: Deformität (A), Bestimmung des Centers of Rotation and Angulation (B), Winkelhalbierende (C), aufklappende Osteotomie (D-E), zuklappende Osteotomie (F-G), Korrektur um einen Drehpunkt außerhalb der Winkelhalbierenden führt zu einer Translation
Abb. 4-41: Deformität (A), Bestimmung des Centers of Rotation and Angulation (B), Winkelhalbierende (C), aufklappende Osteotomie (D-E), zuklappende Osteotomie (F-G), Korrektur um einen Drehpunkt außerhalb der Winkelhalbierenden führt zu einer Translation (H-I)
Orthoforum

Rotationsfehlstellung:

- Tibia: da hier anatomische und mechanische Achse übereinstimmen, kann im Anschluss an die Korrekturosteotomie das distale Segment, entsprechend dem Ausmaß der Rotationskomponente, um die mechanische Achse derotiert werden, ohne dass eine sekundäre Deformität resultiert
- Femur:

  • da hier anatomische und mechanische Achse nicht übereinstimmen, führt eine Rotation um die mechanische Achse zu einer sekundären Deformität
  • dies lässt sich dadurch erklären, dass eine Außenrotation zu einer relativen Verkürzung des Schenkelhalses führt und aufgrund der resultierenden Verlagerung des Hüftkopfzentrums sekundär die mechanische Achse verändert wird

Sagittale Deformität:

- eine sagittale Deformität kann durch eine Beugekontraktur im Hüft- und Kniegelenk vorgetäuscht werden
- in voller Streckung verläuft die mechanische Achse vom Hüftkopfzentrum zum Zentrum des oberen Sprunggelenks vor dem Kniegelenk und erleichtert so die Stabilisierung des Kniegelenks in Streckung

 

Abb. 4-42: Mechanische Achse in voller Streckung (A), posteriorer proximaler Tibiawinkel (B), posteriorer distaler Femurwinkel (C), mechanische Achse bei einer Femurdeformität (D), posteriorer distaler Femurwinkel bei einer Femurdeformität (F)
Abb. 4-42: Mechanische Achse in voller Streckung (A), posteriorer proximaler Tibiawinkel (B), posteriorer distaler Femurwinkel (C), mechanische Achse bei einer Femurdeformität (D), posteriorer distaler Femurwinkel bei einer Femurdeformität (F)
Orthoforum

 

- Fehlstellungstest:

  • Tibia: posteriorer proximaler Tibiawinkel
    • Verbindungslinie zwischen der Mitte des Sprunggelenks und dem Übergang vom vorderen zum zweiten Viertel des Kniegelenksplateaus einzeichnen
    • der Winkel zwischen dieser Achse und der tibialen Gelenklinie ist der posteriore proximale Tibiawinkel
    • Normwert: 80 Grad (77-84 Grad)
  • Femur: posteriorer distaler Femurwinkel
    • Verbindungslinie zwischen Hüftkopfzentrum und dem Übergang vom vorderen zum mittleren Drittel der distalen Gelenklinie einzeichnen
    • die distale Gelenklinie läuft vom vorderen zum hinteren Ende des Gelenkknorpels
    • Winkel zwischen beiden Linien ist der posterior distale Femurwinkel
    • Normwert: 83 Grad (79-87 Grad)

- besteht eine sagittale diaphysäre Deformität so kann durch Einzeichnen einer Linie in die proximale Diaphyse (verbinde 2 Mittelpunkte) und die distale Diaphyse (verbinde 2 Mittelpunkte) am Schnittpunkt das CORA bestimmt werden
- gelenknahe Deformität: Achsen können mit Hilfe des anterior distalen Tibiawinkels, bzw. des posterior proximalen Tibiawinkels oder des posterior distalen Femurwinkels rekonstruiert werden

kombinierte Deformität:

- Ausmaß der Gesamtdeformität wird durch Bestimmen der Teilkomponenten in AP- und seitlicher Ebene errechnet:

  • dazu wird in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem festgelegt, dass 1mm= 1 Grad entspricht
    • Y-Achse verläuft von anterior (oben) nach posterior (unten)
    • X-Achse verläuft von medial (links) nach lateral (rechts)
  • nun wird eine Antekurvationsfehlstellung von zum Beispiel 25 Grad mit entsprechend 25mm auf der Y-Achse nach anterior und eine Valgusfehlstellung von zum Beispiel 20 Grad entsprechend mit 20mm nach lateral auf der X-Achse eingezeichnet
  • durch Einzeichnen eines Vektogramms lässt sich nun das Ausmaß der Gesamtdeformität: 35 Grad (entsprechend der Länge des Summationsvektors) und die Richtung 51 Grad (Winkel des Summationsvektors) bestimmen
  • die Korrektur erfolgt nun in der Ebene der Deformität mit einer Osteotomie und Drehung des distalen Fragments um in diesem Beispiel 35 Grad nach antero-lateral
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