Innenrotierter und außenrotierter Gang
- Gangbild des Kleinkindes:
- breitbasig
- Knie gebeugt: tibiale Innenrotation durch Zug der ischiokruralen Muskulatur möglich
- schnelles Gehen wird nicht durch größere Schritte, sondern durch höhere Schrittfrequenz erreicht
- geringer Armschwung, erst 6 Monate nach Laufbeginn beginnt gegenläufige Armbewegung
- im Alter von 3 Jahren ähnelt das Gangbild dem eines Erwachsenen
innenrotierter Gang:
- 10% aller Kinder
- Ursache:
- Metatarsus varus (Säuglinge)
- Innenrotation der Tibia (Laufbeginn): patellofemorale Instabilität häufiger
- vermehrte Antetorsion der Schenkelhälse: 90% der Fälle
- normale Durchschnittswerte:
- im Alter von 1 Jahr: 31 Grad
- im Alter von 8 Jahren: 24 Grad
- im Alter von 15 Jahren: 15 Grad
- Kinder mit innenrotiertem Gang haben Werte von >40 Grad, auch wenn sich diese Werte nicht vollständig normalisieren, so verschwindet doch der innenrotierte Gang in der Regel
- normale Durchschnittswerte:
- neuromuskuläre Erkrankungen:
- Spina bifida
- Cerebralparese
- Poliomyelitis
- bei diesen Erkrankungen verbessern sich die knöcherne Rotationsfehlstellung und der innenrotierte Gang in der Regel nicht
- genetische Faktoren: ähnliches Gangbild wie die Eltern
außenrotierter Gang:
- das Kind läuft wie Charlie Chaplin
- häufig bei spätem Laufbeginn
- Ursache:
- Bauchlage im frühen Kindesalter führt zu einer Kontraktur der Außenrotatoren des Hüftgelenks (wenn die Füße mit ihrer Innenseite auf der Matratze liegen)
- Außenrotationsfehlstellung der Tibia: selten
- Knick-Senk-Fuß: selten
- am häufigsten ist eine Kombination aller drei Faktoren
Klinik / Diagnose:
- innenrotierter bzw. außenrotierter Gang
- alle Kinder haben bei Laufbeginn eine Tendenz zu stolpern und zu fallen; dies liegt nicht zwangsläufig an dem innen- oder außenrotierten Gangbild
- Gangbild: Kind zu Spielzeug oder mit den Eltern laufen lassen, dabei Füße, Kniestellung und Gangbild beobachten
- Hüftgelenk: bei einem außenrotierten Gangbild aufgrund einer Kontraktur der Hüftaußenrotatoren kommt es zu einer Einschränkung der Innenrotation, diese hat nichts mit einer Retroversion des Schenkelhalses zu tun!
- Hüpfen auf zwei Beinen (nach 2 Jahren), auf einem Bein (nach 4 Jahren)
- X-Bein, O-Bein: im Stehen
- Abstand zwischen den Femurkondylen (O-Bein)
- Abstand zwischen den Innenknöcheln (X-Bein)
- Genu varum: nach 3. Lebensjahr immer pathologisch
- bei dunkelhäutigen Kindern an Morbus Blount denken (bei Europäern seltener)
- Rachitis
- Genu valgum: physiologisch
- Vorfuß: in Bauchlage mit gebeugten Knien Beurteilung ob normales Fußprofil oder adduzierter Vorfuß
- Tibiale Innenrotation:
- in Bauchlage bei locker hängendem Fuß (wenn man den Fuß verdreht, ist aufgrund der Beweglichkeit jede Innen- und Außenrotationsstellung möglich) und 90 Grad gebeugten Kniegelenken wird das Ausmaß der Torsion der Malleolengabel im Verhältnis zum Oberschenkel bestimmt
- Antetorsion der Schenkelhälse:
- in Bauchlage bei 90 Grad gebeugten Kniegelenken wird mit Daumen und Zeigefinger der Trochanter major umfasst
- mit zunehmender Außenrotation kommt es zu einer Horizontalstellung des Trochanter (Schenkelhals parallel zur Liege)
- in dieser Position entspricht das Ausmaß der Innenrotation der Antetorsion des Schenkelhalses
- Röntgen: nur in Ausnahmefällen, wenn klinisch die Diagnose unklar ist
- Rippstein 1: Becken AP, mit über die Tischkante hängenden Knien
- Rippstein 2: Aufnahme oder Dunn Aufnahme (90 Grad Hüftflexion, 20 Grad Abduktion, 90 Grad Kniebeugung)
- Rippstein 1 Aufnahme: projizierter CCD Winkel
- Rippstein 2 Aufnahme projizierter Antetorsionswinkel
- Normwertetabelle zur Umrechnung der projizierten in die reellen Antetorsions- und CCD-Winkel
Projizierte CCD Winkel |
20 |
30 |
Projizierte 40 |
Antetorsions 50 |
winkel 60 |
70 |
80 |
110 |
21 108 |
32 106 |
42 105 |
52 103 |
61 100 |
71 97 |
80 93 |
120 |
22 117 |
33 115 |
44 112 |
54 108 |
62 104 |
72 101 |
82 95 |
130 |
24 126 |
35 124 |
46 120 |
55 116 |
64 109 |
73 104 |
83 100 |
140 |
27 135 |
38 132 |
49 127 |
58 120 |
67 115 |
75 107 |
84 100 |
150 |
29 144 |
42 141 |
52 136 |
61 129 |
69 120 |
77 112 |
85 102 |
160 |
34 155 |
46 151 |
57 144 |
66 135 |
73 128 |
79 117 |
86 105 |
170 |
46 164 |
58 159 |
67 154 |
73 145 |
77 134 |
83 122 |
87 113 |
Tab. 4-5: Umrechnung projizierter in reelle CCD (Centrum-Collum-Diaphysenwinkel) und Antetorsionswinkel
- Computertomografie: selten indiziert
Therapie:
- „The psychodrama of torsion“ (M.Rang): wenn das Kind nicht ordentlich läuft, ist die ganze Familie besorgt und kaum durch eine oberflächliche Untersuchung und ein schnelles versicherndes Wort des Arztes zu beruhigen (Wenger DR, Rang M. The Art and Practice of Children’s Orthopaedics)
- Vorgehen:
- Ursache erklären
- Rückversicherung
- Wiedervorstellungstermin zur Verlaufskontrolle vereinbaren
- Tibia Außenrotation:
- >40 Grad:
- hat negativen Einfluss auf die Rückbildung der femoralen Antetorsion
- Korrektur im Alter von 8-10 Jahren: Chance auf eine spontane Korrektur der Antetorsion des Schenkelhalses bleibt bestehen
- Technik: supramalleoläre Derotationsosteotomie mit K-Drahtfixierung und Gipsruhigstellung
- Coxa antetorta: Antetorsion >50 Grad im Alter von >10 Jahren und Außenrotation <20 Grad ggf. intertrochantäre Derotationsosteotomie
Prognose / Komplikationen:
innenrotierter Gang:
- vermehrte Anteversion: keine präarthrotische Deformität
- ist die Antetorsion des Schenkelhalses durch eine Außenrotation der Tibia kompensiert, ist nicht mit einer Verringerung der Antetorsion zu rechnen
- Coxa antetorta: >50 Grad Antetorsion bei Wachstumsabschluss
außenrotierter Gang:
- verschwindet in der Regel mit 18-24 Monaten
- Coxa retrotorta ist eine präarthrotische Deformität