Vordere Kreuzbandruptur im Wachstumsalter
- Inzidenz: 0.5% aller Kreuzbandrupturen treten vor dem 12. Lebensjahr auf
- Problem:
- klassische Kreuzbandplastik nutzt transepiphysäre Tunnel und birgt das Risiko einer Wachstumsstörung im unreifen Skelett
- transepiphysäre Bohrungen in der Tibia eher unkritisch, da im Zentrum der Wachstumsfuge, kritisch femoraler Tunner
- Ausmaß der Wachstumsstörung steht in Abhängigkeit von zu erwartendem Restwachstum
- Wachstumsfuge von proximaler Tibia und distalem Femur haben den größten Anteil am Längenwachstum
- unbehandelte Kreuzbandrupturen im Wachstumsalter haben auch das Risiko einer sekundären Instabilität, sekundären Meniskusverletzungen, Schwellung und Schmerz
- Mechanismus: Verdrehtrauma bei fixiertem Fuß (DD: Patellaluxation!)
Klinik / Diagnose:
- Kinder können in der Regel den Verletzungsmechanismus nicht wiedergeben
- aus Angst vor Schmerzen ist das Knie nur eingeschränkt klinisch beurteilbar
- 2/3 haben einen blutigen Gelenkerguss
- Beurteilung der Reife (Tanner) und des Skelettalters (Röntgen linke Hand)
- Tests: vordere und hintere Schublade, Lachmann-Test (Problem: Unterscheidung Ruptur
versus physiologische Laxität) im Vergleich zur Gegenseite
- Röntgen:
- AP, seitlich, Notch-Aufnahme (30 Grad Beugung), Patella tangential
- besteht ein knöcherner Ausriss?
- MRT
Therapie:
- Beurteilung, ob operatives versus konservatives Vorgehen: Abwägung
- Alter: je älter, desto geringer das Wachstumspotential und desto geringer das Risiko einer notwendigen Operation
- Sportaktivität in der Zukunft: Level 1 und 2 eher Operation
- Ansprüche
konservative Therapie:
- zeitweise konservativ: isolierte Kreuzbandruptur, die einer operativen Korrektur bedarf; Verzögerung des Eingriffes bis das Restwachstum abgeschlossen oder das verbleibende Risiko einer Wachstumsstörung gering ist
- definitiv konservativ: Patient bereit, funktionelle und sportliche Einschränkungen zu akzeptieren:
- 1. Woche: Ruhigstellung, Teilbelastung an 2 Unterarmgehstützen, leichte Mobilisation
- 2.-6. Woche: Wiedererlangen des freien Bewegungsausmaßes, Muskelaufbau und gleichzeitig Abtrainieren der Gehstützen
- ab 7. Woche: Muskelaufbau, Funktionsorthesen sind bei Kindern nicht indiziert
operative Therapie:
- Indikation:
- bei kombinierten Verletzungen
(Kreuzband und Meniskus) - kurz vor Wachstumsabschluss
- Zeitpunkt: wenn Schwellung und Schmerz zurückgegangen sind und Bewegungsausmaß passiv und aktiv frei
- Technik:
- die Wachstumsfuge aussparend:
- für Tanner 1-2 (wenige Schamhaare)
- nicht möglich Isometrie des Kniegelenks wiederherzustellen
- Technik nach Brief oder Parker:
- mediale ischiokrurale Muskulatur (Gracilis unter Erhalt der tibialen Insertion) wird durch kleinen Knochentunnel in das Kniegelenk eingezogen und lateral durch die Femurkondyle ausgeleitet
- ggf. als temporäre Technik bis Wachstumsabschluss
- partielle Verletzung der Wachstumsfuge:
- Tanner 3 (kräftige Schambehaarung von umschriebener Ausdehnung)
- Tunnel: 6-8mm Durchmesser
- möglichst Transplantatsehnengewebe in Höhe der Wachstumsfuge
- durch die Wachstumsfuge: Standardverfahren
- Tanner 4 und mehr (Schamhaar wie beim Erwachsenen)
- post-OP: siehe vordere Kreuzbandplastik beim Erwachsenen
- alternativ: Orientierung am Skelettalter; bei Jungen ab 15. und Mädchen ab 13. Jahren,
kaum noch Deformität zu erwarten
- "tibial spine fractures": bei arthroskopischer oder offener Refixation gute Prognose