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Notizbuch

Humeruskopffraktur

- Risikofaktor: Osteoporose
- Humerushals (Collum chirurgicum): schwächste Region

Bildgebung:

- Röntgen: AP, Skapula-Y-Aufnahme, axiale Aufnahme
- Computertomografie:

  • verbessert die Genauigkeit der Frakturklassifikation nicht
  • hilfreich, um das Ausmaß einer Trümmerfraktur, eine Gelenkbeteiligung und den Zustand des Tuberculum minus zu beurteilen

Einteilung:

Neer-Klassifikation:
- geringe Reproduzierbarkeit
- folgende Faktoren werden beurteilt:

  • Fragmentverschiebung von >1cm
  • Fragmentabknickung von >45 Grad
  • 4 Fragmente: Humeruskopf, Tuberculum majus, Tuberculum minus und Humerusschaft

- Collum chirurgicum Fraktur (2-Fragment-Fraktur):

  • beide Tubercula verbleiben am Humeruskopf
  • durch den Zug des M. pectoralis wird der Schaft nach medial gezogen

- Tuberculum majus Fraktur (2-Fragment-Fraktur):

  • vordere Schulterluxation aus-schließen

 

Abb. 3-67: AO Klassifikation der Frakturen des proximalen Humerus (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerland)
Abb. 3-68: AO Klassifikation der Frakturen des proximalen Humerus (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerland)
Orthoforum
  • die Rotatorenmanschette zieht das Tuberculum nach dorsal

- Tuberculum minus Fraktur (2- Fragment-Fraktur)
- klinisch wichtig ist Unterteilung 3-Fragment und 4-Fragmentfraktur:

  • 3-Fragment-Fraktur: Tuberculum minus intakt, Blutversorgung in der Regel gut
  • 4-Fragment-Fraktur: Tuberculum minus ist frakturiert und die Blutversorgung eingeschränkt; Osteonekroserisiko ist erhöht

AO-Klassifikation: AO-Klass: 11-A bis 11-C

- 27 Unterklassen gestatten genaue Fraktureinteilung
- Typ A: extraartikuläre Fraktur durch Tuberculum majus (A1) oder Collum chirurgicum (A2)
- Typ B: Fraktur des Collum chirurgicum und Tuberculum majus oder minus
- Typ C: intraartikuläre Fraktur mit Beteiligung des Collum anatomicum

 

 

 

 

Therapie:

- individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung des Alters, der Funktion, der Knochenqualität und der Erwartungshaltung des Patienten:

„Quality of the bone and quality of the patient“
- meisten Frakturen sind eingestaucht und nicht verschoben:

  • kurzzeitige Ruhigstellung im Gilchrist
  • schmerzadaptierte Mobilisation innerhalb von 2 Wochen

- Collum chirurgicum Fraktur (2-Fragment-Fraktur):

  • geschlossene Reposition
  • stabil: frühe Krankengymnastik
  • instabil: Plattenosteosynthese, perkutane Pins

- Tuberculum majus Fraktur (2-Fragment-Fraktur):

  • vordere Schulterluxation ausschließen
  • die Rotatorenmanschette zieht das Tuberculum nach dorsal und macht eine geschlossene Reposition schwierig, deswegen perkutane K-Draht assistierte Reposition empfohlen

 

Abb. 3-68: Tuberculum majus Fraktur (A,B). Refixierung des Fragments mit zwei Zugschrauben (C)
Abb. 3-69: Tuberculum majus Fraktur (A,B). Refixierung des Fragments mit zwei Zugschrauben (C)
Orthoforum

 

- Tuberculum minus Fraktur (2-Fragment-Fraktur):

  • hintere Luxation ausschließen
  • Subscapularis Funktion intakt?
  • Subluxation der langen Bizepssehne ausschliessen
  • ggf. Fragment Fixierung oder Resektion und Fixierung des M. subscapularis im Knochenbett

- 3 Fragment-Fraktur (meist Collum chirurgicum und Tuberculum majus):

  • offene Reposition, Zuggurtung (8-ter Tour), Osteosynthese (winkelstabile Platte, Bündelnägel nach Hackethal)
  • Alternative: geschlossene perkutane K-Draht-Reposition, nur wenn bereits Erfahrung mit der Versorgung von 2-Fragmentfrakturen
  • beim älteren Menschen Indikation zur Prothese prüfen
  • Humeruskopfnekroserate: 27%

 

Abb. 3-69: Blutversorgung des Humeruskopfes durch die Arteria circumflexa (anterior und posterior) (A), Stabilisierung einer A3 Fraktur mit einer T-Platte und einer Zuggurtungsosteosynthese (B), Fixierung einer B2 Fraktur mit kanülierten Schrauben und ein
Abb. 3-70: Blutversorgung des Humeruskopfes durch die Arteria circumflexa (anterior und posterior) (A), Stabilisierung einer A3 Fraktur mit einer T-Platte und einer Zuggurtungsosteosynthese (B), Fixierung einer B2 Fraktur mit kanülierten Schrauben und einer Zuggurtungsosteosynthese (C) (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright ©  2003, by AO Publishing, Switzerland)
Orthoforum

 

Abb. 3-70: Philos-Platte für Frakturen des proximalen Humerus (Synthes GmbH Deutschland)
Abb. 3-71: Philos-Platte für Frakturen des proximalen Humerus (Synthes GmbH Deutschland)
Orthoforum

 

- 4 Fragment-Fraktur:

  • Humeruskopfnekroserate hoch
  • offene Reposition und Osteosynthese mit winkelstabiler Platte beim jungen Patienten
  • Hemiprothese beim älteren Patienten
  • in Valgusstellung eingestauchte Frakturen ohne laterale Verschiebung haben die geringste Humeruskopfnekroserate
  • ggf. konservative Therapie: älterer Patient, wenn schlechtere Funktion in Kauf genommen werden kann oder das Operationsrisiko unvertretbar hoch ist

- frühe Rehabilitation (<2 Wochen) wichtig für das Funktionsergebnis
- Hemiarthroplastik:

  • gute Schmerzreduktion, jedoch nur eingeschränkte Wiederherstellung der Funktion
  • frühe Prothesenimplantation zeigt bessere Ergebnisse als die Implantation nach fehlgeschlagener offener oder geschlossener Therapie
  • entscheidend: Wiederherstellung der Kopfretroversion und der Humeruslänge

 

Abb. 3-71: Trümmerfraktur bei einer 74-jährigen Patientin: natives Röntgenbild (A), CT-Bildgebung (B,C), Röntgenbild nach Versorgung mit einer Hemiprothese (D)
Abb. 3-72: Trümmerfraktur bei einer 74-jährigen Patientin: natives Röntgenbild (A), CT-Bildgebung (B,C), Röntgenbild nach Versorgung mit einer Hemiprothese (D)
Orthoforum

Kindesalter:

- direkter Sturz mit gestrecktem Ellenbogen
- Kindesmisshandlung ausschließen
- In der Regel Frakturen im Bereich des Collum chirurgicum (Metaphyse): partielle (11-M/2) oder komplette (11-M/3) metaphysäre Frakturen
- Therapie:

  • <10. Lebensjahr: bis 30 Grad (Extension/Flexion) oder 10 Grad (Varus/Valgus) Dislokation konservative Therapie
  • >10. Lebensjahr: bis 20 Grad (Extension/Flexion) oder 10 Grad (Varus/Valgus) Dislokation konservative Therapie
  • ggf. indirekte Reposition in „hanging cast“ oder geschlossene Reposition unter Narkose
  • operative Therapie: 1.6-2.0mm K-Draht Osteosynthese oder intramedulläre Nagelung mit 2 Marknägeln (Durchmesser: 1/3 des Markraums) von distal in das Fragment; offene Reposition nur bei Weichteilinterposition
Abb. 3-72: Pseudarthrose einer Humerusfraktur (A). Versorgung mit einem proximalen Humerus-ersatz (B)
Abb. 3-73: Pseudarthrose einer Humerusfraktur (A). Versorgung mit einem proximalen Humerus-ersatz (B)
Orthoforum

Prognose / Komplikationen:

- adhäsive Kapsulitis: Prophylaxe durch frühe Physiotherapie
- bei isolierten Frakturen der Tubercula immer eine Luxation ausschließen
- >40. Lebensjahr: an Rotatorenmanschettenrupturen denken
- Pseudarthrose:

  • stabile Fixierung und Spongiosaplastik
  • erhöhtes Risiko:
    • starke Fragmentverschiebung
    • Weichteilinterposition
    • schlechte Weichteildeckung
    • schlechte Knochenqualität

 

- perkutane Pins: hohes Verletzungsrisiko für Nervus axillaris, Vena cephalica, Bicepssehne, N. musculocutaneus

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