Beckenringfraktur

- Rasanztrauma, massive Gewalteinwirkung (Verkehrsunfall)
- Inzidenz 37 Fälle / 100.000 Einwohner / Jahr
- 5% aller Frakturen
Diagnose / Klinik:
- genaue Untersuchung der Anogenitalregion: Hämatome
- Frauen: intravaginale Untersuchung
- rektale Untersuchung: Verlagerung von Prostata oder Rektum
- Verletzung der Urethra (15% bei instabilen Beckenringverletzungen): Blutung aus Harnröhre, Verlagerung der Prostata, Hämaturie
- Beinlängendifferenz
- Palpation der anatomischen Landmarks (Spina iliaca anterior et posterior, Crista iliaca, Symphyse)
- manuelle Untersuchung der Beckenstabilität gibt früh Hinweis auf den Verletzungstyp
- neurologischer Status
- Labor (Anämie)
Bildgebung:
- Röntgen:
- Beckenübersicht AP
- Inletaufnahme:
- Strahlenverlauf von cranial in das Becken
- Beckeneingangsebene mit direkter Aufsicht auf die Linea terminalis
- Beurteilung ventro-dorsale Verschiebung
- Outletaufnahme:
- Strahlenverlauf von distal im Winkel von 45 Grad
- Beurteilung cranio-kaudale Verschiebung
- Beurteilung Sakrum
- Computertomografie: Knochen- und Weichteilfenster
- Sonografie: retroperitoneales Hämatom
- retrograde Urethrografie, ggf. Zystografie
- Proktoskopie, ggf. Rektoskopie
Einteilung:
ABC Klassifikation nach Tile und AO: (in Anlehnung an Müller E., ed. ComprehensiveClassification of Pelvis and Acetabulum Fractures. Bern, Schweiz, Maurice Müller Foundation, 1995)
- Typ A: stabile Beckenringfrakturen
- Verletzungsmechanismus. AP-Kompression, Außenrotation
- hinterer Beckenring intakt
- A1: Abrissfraktur des Beckenrandes (Spina iliaca etc.)
- A2: stabile, gering verschobene Fraktur der Beckenschaufel
- A3: Querfraktur des Kreuz- oder Steißbeins, die nicht den Beckenring betrifft

- Typ B: partiell instabile Fraktur (rotationsinstabil) mit inkompletter Unterbrechung des hinteren Beckenrings
- Verletzungsmechanismus: laterale Kompression, Innenrotation
- hintere Beckenring ist unterbrochen und damit bei Rotationsbelastung instabil
- B1: einseitige Außenrotationsverletzung („open book“), Sprengung der Symphyse und der Ligg. sacroiliaca ventralia, so dass sich die Beckenschaufeln wie die Seiten eines Buches nach außen aufdrücken lassen
- B2: einseitiges Innenrotationstrauma oder laterale Kompression des Beckens mit Fraktur des vorderen Beckenrings (Schambein) oder des Sakrums
- B3: beidseitige Außen- oder Innenrotationsverletzung

- Typ C: komplette dreidimensional instabile Fraktur, d.h. Rotations- und Translationsinstabilität
- Verletzungsmechanismus: Translation in vertikaler Richtung
- hinterer Beckenring komplett unterbrochen, damit Translations- und Rotationsinstabilität
- C1: einseitig instabil, Gegenseite stabil
- C2: einseitig komplett instabil, Gegenseite nur rotationsinstabil
- C3: beidseitig instabil

Therapie:
- Notfallmaßnahmen (Schockraum) bei Kreislaufinstabilität
- Beckenkompressionsverband (Besenstiel)
- pneumatischer Notfallbeckengürtel nach Baumgärtel
- Beckenzwinge
- ventraler, supraacetabulärer Fixateur extern
- Angiografie / Embolisation
- Laparotomie / Beckentamponade

konservative Therapie:
- Indikation:
- Beckenrandabrissfrakturen (Typ A1)
- stabile Beckenfraktur (Typ A2 und A3)
- Frakturen aufgrund lateraler Kompression (Typ B2 und B3)
- auch bei diesen Verletzungen ist eine operative Intervention notwendig: wenn
- ausgedehnter Blutverlust
- unklare Blutungsquelle
- Nervenverletzung
- Bettruhe, anschließend Mobilisation unter schmerzadaptierter Teilbelastung (Röntgenkontrolle)
operative Therapie:
- Indikation:
- Typ B1, Typ B2, Typ B3, wenn Beinverkürzung >1cm oder Innenrotationsabweichung >15 Grad
- Typ C
- Typ B:
- externe Fixierung über ventralen Fixateur (temporär) oder
- Plattenosteosynthese der Symphyse

- Typ C:
- Verletzungen des vorderen Beckenrings: offene Reposition und Schrauben- oder Plattenosteosynthese
- Verletzungen des hinteren Beckenrings:
- ISG Dislokation:
- Plattenosteosynthese zwischen Ilium und lateralem Os sacrum
- Alternative: perkutane Verschraubung (ggf. CT gesteuert)
- ISG Frakturen:
- Fixierung des Fragments mit Platte oder Schrauben
- Sakrumfrakturen:
- Plattenosteosynthese
- perkutane Schraubenosteosynthese
- ISG Dislokation:

- instabile Fraktur und instabiler Kreislauf: Notfalloperation
- Typ B1: ggf. mit einfachem Fixateur
- Typ C: Beckenzwinge nach Ganz zur Stabilisierung des dorsalen Beckenrings
- da meist Blutungen venösen Ursprungs, reicht eine externe Fixierung oft zur Tamponade und Adaptierung der Bruchflächen aus
- bei arteriellen Blutungen kann in ¾ der Fälle durch eine Angiografie und Embolisation die Blutung kontrolliert werden
- post-OP:
- Teilbelastung für 6 Wochen
- perioperative Antibiotikaprophylaxe
Prognose / Komplikationen:
- Patienten mit instabilem Kreislauf haben eine Mortalität von 10%
- Typ A und B: Mehrzahl exzellente Ergebnisse
- Typ C: <50% exzellente Ergebnisse (häufig Begleitverletzungen)