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Notizbuch

Kongenitaler Klumpfuß

- 50% beidseitig
- Jungen : Mädchen=3:1
- Inzidenz:

  • 1 / 2000
  • selten bei Chinesen
  • häufiger bei Schwarzen
  • für jedes folgende Kind ist das Risiko 20-30 x höher als in der Normalbevölkerung

- Fehlrotation des Talus führt zu den 5 Komponenten des Klumpfußes:

  • Spitzfuß (Equinus)
  • Rückfußvarus
  • Vorfußadduktion
  • Supination
  • Cavus Deformität

- Ätiologie:

  • genetisch: polygen
  • angeborene Störungen: Arthrogryposis multiplex
  • neuromuskuläre Erkrankungen:
    • Spina bifida
    • Cerebralparese
    • Charcot-Marie-Tooth Syndrom
    • Poliomyelitis
  • intrauteriner Platzmangel: als alleiniger Faktor unwahrscheinlich, da keine höhere Inzidenz an Klumpfüßen bei Zwillingen oder Oligohydramnion
  • Noxe in der 9. Schwangerschaftswoche: jeder Fuß ist während der Entwicklung einmal ein Spitzfuß
  • Deviation des Talushalses nach medial: Frage was war zuerst da, der Klumpfuß oder die Deviation des Talushalses

 

Abb. 4-49: Neurogener Klumpfuß bei einem Patienten mit Halbseitenlähmung
Abb. 4-49: Neurogener Klumpfuß bei einem Patienten mit Halbseitenlähmung
Orthoforum

Diagnose / Klinik:

- Untersuchung des Fußes beim Neugeborenen:

  • Fußform: biegt sich der Vorfuß nach lateral spricht dies für einen Knick-Senk-Fuß, ist der Vorfuß adduziert so spricht dies für einen Sichelfuß oder einen Klumpfuß
  • wird mit dem Finger am Fußaußenrand entlang gestrichen, führt dies zur Pronation des Rückfußes und Korrektur der Vorfußadduktion (normal)
  • Umfassen des Calcaneus mit dem Daumen und Zeigefinger und Dorsalextension des Fußes: tritt der Calcaneus bei der Dorsalextension nach kaudal ist ein Spitzfuß ausgeschlossen, ein Klumpfuß liegt dann mit Sicherheit nicht vor

- Untersuchung der Hüftgelenke: Hüftdysplasie häufiger bei Kindern mit Klumpfüßen
- Untersuchung der Wirbelsäule: Spina bifida
- Fuß:

  • schmale Wade (prognostisch ungünstig)
  • leeres Fersenkissen aufgrund des Calcaneushochstandes

- Beurteilung der Rigidität: Lässt sich der Klumpfuß manuell redressieren?
- Röntgen: AP & seitlich (in maximaler Dorsalextension)

  • AP Aufnahme:
    • Talocalcanearwinkel nach Kite (normal 20-40 Grad): <20 Grad sind Ausdruck eines Rückfußvarus
    • Talus-Metatarsale I-Winkel (normal: 0-20 Grad): >20 Grad sind Ausdruck einer Vorfußadduktion
  • seitliche Aufnahme:
    • Talocalcanearwinkel nach Kite (normal 35-50 Grad): <35 Grad sind Ausdruck eines Spitzfußes und einer Rückfußvarusstellung
  • Kombination des Talocalcanearwinkel nach Kite in der AP- und in der seitlichen Aufnahme, um Genauigkeit zu verbessern:
    • Summe sollte größer als 40 Grad sein
    • Einzelwerte haben aufgrund der ungenauen Messung relativ geringe Aussagekraft
    • große Teile von Talus und Calcaneus sind noch knorpelig präformiert und auf dem Röntgenbild nicht zu erkennen

 

Abb. 4-50: Talocalcanearwinkel nach Kite bei einem Patienten mit einem Klumpfuß: in der AP (A) und seitlichen Aufnahme (B), sowie nach Klumpfußoperation (C)
Abb. 4-50: Talocalcanearwinkel nach Kite bei einem Patienten mit einem Klumpfuß: in der AP (A) und seitlichen Aufnahme (B), sowie nach Klumpfußoperation (C)
Orthoforum

Therapie:

- D.R. Wenger: “Das Erreichen guter Ergebnisse bei der Klumpfußbehandlung ist eine Kunst, die nur von wenigen Meistern beherrscht wird“ (Wenger DR, Rang M. The Art and Practice of Children’s Orthopaedics)
- Befürchtungen der Eltern zerstreuen:

  • der Klumpfuß ist nicht ihre Schuld
  • das Kind wird sich normal entwickeln, Laufen lernen und Sport treiben wie alle anderen Kinder
  • es ist ein normales Baby

- nach der Geburt: redressierende Gipse in der Technik nach Ponseti

  • Intervalle: anfangs Gipswechsel alle 1-2 Tage, nach etwa 1-2 Wochen wöchentliche Gipswechsel für 6-12 Wochen
  • wenn redressierende Gipse zu keiner akzeptablen Korrektur der Klumpfußdeformität führen, ist später eine operative Therapie nötig
  • Technik nach Ponseti:
    • ein guter Gips ist dünn aber stabil, zeigt keine Fingerdruckstellen, ist eng genug, um den Fuß zu korrigieren, führt jedoch nicht zu einer Einschränkung der Durchblutung

 

Abb. 4-51: Klumpfußgips: Abrollen der Watte (A) und der Gipswickel (B), Modellieren des Gipses (C) sowie Korrektur des Vorfußes und Reposition des Talus (D)
Abb. 4-51: Klumpfußgips: Abrollen der Watte (A) und der Gipswickel (B), Modellieren des Gipses (C) sowie Korrektur des Vorfußes und Reposition des Talus (D)
Orthoforum

 

  • 1. Schritt:
    • Kniegelenk beugen
    • dünne Watteschicht
    • Abrollen der Watte vom kleinen Zeh über den Fußrücken zum großen Zeh fördert Pronationsbewegung

- rechter Fuß: im Uhrzeigersinn

  • damit die Watte nicht zu dick aufgetragen wird, sollte sie nur ¼ bis ½ Wattebreite überlappen
    • 2. Schritt:
      • 3-5cm breite Gipsrolle (gleiche Richtung wie bei der Watte)
      • Gipsbinde unter leichtem Zug halten, um einen guten Sitz zu erreichen
    • 3. Schritt:
      • Gips glatt streichen
      • Gips im Bereich des Calcaneus und oberhalb der Femurkondylen anmodellieren
      • Oberschenkel wird durch Assistenten gehalten, ohne dass die Finger oberhalb der Femurkondylen einen Eindruck hinterlassen
      • rechten Fuß:
      • Ferse wird mit der linken Hand umfasst: Daumen liegt lateral auf dem Taluskopf und der Zeigefinger umfasst medial den Fuß
      • Daumen fungiert als Widerlager für die Korrektur
      • rechte Hand umfasst den Vorfuß: Daumen liegt auf dem Fußballen und der Zeigefinger auf dem Fußrücken (verhindert, dass der Fuß zusammengedrückt wird und die Zehen übereinander liegen)
      • der Vorfuß wird nun abduziert
      • keine Pronation
      • dabei wird der Fuß als Ganzes zunächst gegen den Oberschenkel maximal nach außen gedreht und sukzessiv der Vorfuß gegen das Hypomochlion am Taluskopf (Daumen) abduziert
      • Korrektur des Spitzfußes blockiert das untere Sprunggelenk und ist nicht sinnvoll
      • der als Widerlager fungierende Daumen wird in Kreisbewegungen unter leichtem Druck bewegt, um ein Eindrücken des Daumens zu vermeiden
      • gleichzeitig wird der Gips an den Calcaneus anmodelliert und dabei der Rückfuß leicht valgisiert
      • für den linken Fuß werden die Hände entsprechend gewechselt

 

Abb. 4-52: Klumpfuß: vor Beginn der Gipsbehandlung (A), nach der Gipstherapie (B-D). Es verbleibt eine geringe Spitzfußkomponente (B)
Abb. 4-52: Klumpfuß: vor Beginn der Gipsbehandlung (A), nach der Gipstherapie (B-D). Es verbleibt eine geringe Spitzfußkomponente (B)
Orthoforum

 

  • Schritt:
    • Ausschneiden des Gipses, bis der kleine Zeh vollständig zu sehen ist
    • Beurteilung der Durchblutung nach 10-15 Minuten
  • Schritt:
    • Abnahme des Gipses: ohne oszillierende Säge (eine Mini-Säge ist eine Alternative)
    • Schere
    • Alternative: Eltern nehmen den Gips zuhause ab, dazu sollte der Gips für etwa ½ Stunde eingeweicht werden (warmes Wasser mit Duschseife), anschließend wird die Gipsbinde abgewickelt
    • Vorteil: Kind wird vor jedem Gipswechsel gebadet und das traumatisierende Erlebnis einer Gipsentfernung durch den Arzt entfällt
    • nach dem Bad Haut fönen

 

  • Fußkorrektur:
    • zunächst wird das Fußgewölbe anmodelliert und die leichte (1) Hohlfußstellung durch Anheben des 1. Strahls korrigiert
    • gleichzeitig wird schrittweise die (2) Vorfußadduktion und der (3) Rückfußvarus korrigiert
    • mit Verschwinden der Adduktionsstellung kommt es automatisch zu einer Korrektur der (4) Supinationsstellung
    • am Ende der Gipsbehandlung verbleibt nur die Spitzfußstellung
  • Spitzfußstellung: Redressieren der Spitzfußstellung führt zu „Brechen des Mittelfußes“ und dem Entstehen eines Tintenlöscherfußes (die Achillessehne ist stärker als die Bänder und Kapseln des Mittelfußes)
  • Optionen:
    • perkutane Achillessehnendurchtrennung in den ersten 12 Wochen: anschließend Korrektur der Spitzfußstellung im Gips oder
    • Operation zur Therapie der Restdeformität im Alter von 6 bis 10 Monaten

 

Abb. 4-53: Nachtlagerungsschiene zur Spitzfußprophylaxe (A), GloboPed Sichelfußorthese (B), GloboPed dynamische dorsale Lagerungsschiene (C) (B & C: Mit freundlicher Genehmigung der Bauerfeind GmbH)
Abb. 4-53: Nachtlagerungsschiene zur Spitzfußprophylaxe (A), GloboPed Sichelfußorthese (B), GloboPed dynamische dorsale Lagerungsschiene (C) (B & C: Mit freundlicher Genehmigung der Bauerfeind GmbH)
Orthoforum

 

- nach Gipstherapie (ab der 12. Woche):

  • Korrekturergebnis bis zur Operation halten:
    • Oberschenkellagerungsschienen (Kniebeugung, Fuß nach außen gedreht und der Vorfuß abduziert) für 23 Stunden am Tag und Krankengymnastik
    • Krankengymnastik nach Zukunft Huber:
      • Fuß wird täglich durch die Eltern durch spezielle manuelle Redressionsgriffe geformt und 24 Stunden korrigierend mit einer elastischen Binde gewickelt (Voraussetzung regelmäßige Kontrolle durch einen qualifizierten Krankengymnasten und Orthopäden)
         keine Literatur über die Ergebnisse verfügbar (die Schienentherapie ist der Goldstandard!)
      • Wickeltechnik nach Zukunft Huber sollte frühestens nach 3 Monaten nach Abschluss der Redressionsgipse zum Einsatz kommen

- es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Therapie konsequent verfolgt wird- es macht keinen Sinn, bei der ersten sichtbaren Korrektur des Fußes im Gips vorzeitig auf eine weitere Gipsbehandlung zugunsten eines frühfunktionellen Krankengymnastikkonzepts zu verzichten

- Operation:

  • sobald der Fuß mindestens 8cm lang ist, kann (ab dem 7. Lebensmonat) durch eine Operation die definitive Korrektur erfolgen
  • je jünger das Kind und je kleiner der Fuß, desto schwieriger die Operation
  • Bestandteile einer Operation sind je nach Restdeformität:
    • Cincinnati Zugang
    • N. suralis (lateral) aufsuchen
    • z-förmige Verlängerung der Achillessehne (in der Frontalebene)
    • Flexor hallucis longus und Gefäßnervenbündel medial identifizieren
    • Peronealsehnen aufsuchen (lateral)
    • Release der hinteren Gelenkkapsel des oberen und unteren Sprunggelenks, ggf. talocalcaneare Bänder
    • Release des M. abductor hallucis
    • oberhalb des M. abductor geht es in den Fuß (Henryscher Knoten)
    • Verlängerung der Sehne des Tibialis posterior
    • Eröffnen und Release des Talonaviculargelenks
    • plantar des M. abductor wird die Plantarfaszie dargestellt und ein ca. 0.5cm breiter Sehnenspiegel entfernt
  • viel Erfahrung nötig, um eine Über- oder Unterkorrektur zu vermeiden
  • post-OP:
    • korrigierender Klumpfußgips (gespalten) und nach 5 Tagen Wechsel auf einen geschlossenen Gips (Verbandswechsel)
    • je nach Wunde erneuter Gipswechsel 3 und 6 Wochen nach der Operation
    • bis Laufbeginn Oberschenkellagerungsschienen
    • nach Laufbeginn unter Umständen Dreibackeneinlage oder Antivarus-Schuh

- Restdeformität: selbst mit viel Erfahrung sind nur 75% der Füße mit einer einmaligen Operation hinreichend therapiert, mögliche Folgeoperationen:

 

Abb. 4-54: Langzeitergebnis 4 Jahre nach Klumpfußoperation: gute aktive Dorsalextension (A,B) und Plantarflexion (C), Röntgenbild (D)
Abb. 4-54: Langzeitergebnis 4 Jahre nach Klumpfußoperation: gute aktive Dorsalextension (A,B) und Plantarflexion (C), Röntgenbild (D)
Orthoforum

 

Abb. 4-55: nach Klumpfußoperation: Überkorrektur mit resultierendem Knicksenkfuß (A), Unterkorrektur mit Restklumpfuß (B-C)
Abb. 4-55: nach Klumpfußoperation: Überkorrektur mit resultierendem Knicksenkfuß (A), Unterkorrektur mit Restklumpfuß (B-C)
Orthoforum

 

 

 

 

Abb. 4-56: Vor (A) und nach (B) Additions-SubtraktionsOsteotomie (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 4-56: Vor (A) und nach (B) Additions-SubtraktionsOsteotomie (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Orthoforum

(1) Calcaneusosteotomie nach Dwyer:

  • lateraler Zugang
  • Osteotomie von kraniodorsal nach kaudal und ventral
  • Entnahme eines Keils mit lateraler Basis Verschiebung des kaudalen Calcaneusanteil nach lateral
  • Valgisierung des Rückfußes

(2) Additions-Substraktions-Osteotomie:

  • Entnahme eines Keils aus dem Kuboid zur Verkürzung der lateralen Säule
    und Einsetzen im Os cuneiforme mediale zur Verlängerung der medialen Säule
  • effiziente Korrektur der Vorfußadduktion
    möglich

(3) Tibialis anterior (splitting) transfer:

  • subkutane Tunnelung des Tibialis anterior oder
    eines Teils der Sehne (splitting transfer) auf den Fußrücken oder Fußaußenrand (Os cuneiforme laterale oder Os cuboideum)
  • Muskelkontraktion korrigiert Vorfußadduktion

(4) Korrektur mit dem Fixateur extern:

  • Distraktion im Bereich der Ferse korrigiert den Spitzfuß
  • Distraktion im Bereich des Fußinnenrandes korrigiert die Vorfußadduktion
  • Kompression im Bereich des Fußrückens korrigiert die Spitzfußstellung

(5) T-Arthrodese: Korrektur der

  • Vorfußadduktion: knöcherner Keil mit lateraler Basis im Chopartgelenk
  • Spitzfuß: Keil mit dorsaler Basis im Bereich des Chopartgelenkes
  • Rückfußvarus: Keil mit lateraler Basis im unteren Sprunggelenk
  • Indikation: neuromuskulärer Klumpfuß, Arthrose und schmerzhafter Restklumpfuß
  • Patienten mit idiopathischem Klumpfuß brauchen jede Restbeweglichkeit des Fußes
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