Lesezeichen setzen
Inhalt melden
Notizbuch

Tibiaschaftfraktur

Abb. 3-50: Offene Fraktur linke Tibia und geschlossene Fraktur distaler Femur, initial Fixateur, nach 7 Tagen Wechsel auf Marknagel
Abb. 3-51: Offene Fraktur linke Tibia und geschlossene Fraktur distaler Femur, initial Fixateur, nach 7 Tagen Wechsel auf Marknagel
Orthoforum

- direktes Trauma:

  • oft ausgeprägtes Weichteiltrauma (Typ 2-3 nach Tscherne)
  • häufig Mehrfragmentfraktur

- indirektes Trauma:

  • Torsionsverletzung
  • geringeres Weichteiltrauma (Typ 0 & 1 nach Tscherne)
  • oft Spiralfraktur, einfache Fraktur (Typ A), Fibulafraktur weiter proximal oder distal

Bildgebung:

- Röntgen: AP, seitlich

Einteilung:

AO - Klassifikation AO-Klass 42-A bis C
- Typ A: einfache Fraktur

  • A1: Spiralfraktur
  • A2: schräg, Winkel >30 Grad
  • A3: quer, Winkel <30 Grad

- Typ B: Keilfraktur mit 2 Hauptfragmenten mit Kontakt

  • B1: Drehkeil
  • B2: Biegekeil
  • B3: fragmentierter Keil

- Typ C: Mehrfragmentfraktur

  • C1: spiralförmig
  • C2: segmental
  • C3: unregelmäßig

 

Abb. 3-51: C1 Fraktur: stabilisiert mit einem Marknagel (A), bzw. einer Plattenosteosynthese (C), Fixierung einer B2-Tibiafraktur mit einem Fixateur extern (B) (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerlan
Abb. 3-52: C1 Fraktur: stabilisiert mit einem Marknagel (A), bzw. einer Plattenosteosynthese (C), Fixierung einer B2-Tibiafraktur mit einem Fixateur extern (B) (mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing, Copyright © 2003, by AO Publishing, Switzerland)
Orthoforum

Therapie:

konservative Therapie:
- Indikation:

  • Typ A 2 und A3:
    • Fehlstellung <5 Grad
    • Fehlrotation <10 Grad
    • Verkürzung von <1cm

- Gipsruhigstellung (6-8 Wochen), später Sarmiento Schiene (4-10 Wochen)
- Heilungszeit verlängert
- Funktion schlechter als nach Operation

operative Therapie:
- Marknagelversorgung:

  • Therapie der Wahl
  • proximale und distale Verriegelung
  • erhöhte Komplikationsrate bei proximalen und distalen Frakturen
  • unaufgebohrte Nägel:
    • höhere Pseudarthroserate
    • längere Heilungszeit
    • häufiger Bruch der Verriegelungsschrauben
  • aufgebohrte Nägel:
    • Kompartmentsyndrom häufiger
  • aufgebohrter Nagel ist Methode der Wahl
  • kein aufgebohrter Marknagel bei gleichzeitigem Thoraxtrauma

Fixateur extern:

  • offene Fraktur
  • Problem:
    • Pininfekte
    • Fehlstellung
  • heute zunehmend von unaufgebohrten oder minimal aufgebohrten Marknägeln verdrängt
  • Wechsel zum Marknagel innerhalb von 1 Woche ohne erhöhte Infektionsgefahr möglich
  • Wechsel auf Marknagel nach längerer Fixateurtragezeit zeigt Infektionsraten bis 50%

- Plattenosteosynthese:

  • nur für proximale oder distale Frakturen, die nicht mit einem Marknagel versorgt werden können
  • Nachteile:
    • hohe Pseudarthroserate
    • lange Heilungszeit
    • Vollbelastung erst spät möglich
    • ausgedehnter Zugang

- offene Fraktur:

  • frühes Débridement (ggf. Wiederholung nach 48 Stunden) und perioperative Antibiotikaprophylaxe senken das Infektionsrisiko
  • minimal aufgebohrter oder unaufgebohrter Marknagel ist aufgrund geringerer Infektionsrate und leichterer Weichteildeckung bei offenen Frakturen Implantat der Wahl
  • Fixateur:
    • Pseudarthroserate erhöht
    • häufiger Heilung in Fehlstellung
    • Pininfekte

- post-OP:

  • Röntgenverlaufskontrolle
  • Hochlagerung bis Abschwellung
  • Ausschluss Kompartmentsyndrom
  • beschwerdeadaptierte passive Mobilisierung
  • Teilbelastung 10kg für 6 Wochen
  • ggf. nach 8 Wochen Dynamisierung des Marknagels

Kindesalter:

Unterschenkelfraktur
- starkes Trauma (Verkehrsunfälle, Sturz aus großer Höhe)
- DD: Kindesmissbrauch
- D/2 (Grünholzfraktur, Toddler Fraktur),D/4 (Querfraktur) und D/5 (Spiralfraktur)
- 2/3 isolierte Tibiafrakturen
- 40% mittleres und 50% distales Drittel
- Therapie:

  • konservative Therapie:
    • wenn gute Reposition und Retention im Gips möglich, dann konservative Therapie
    • Indikation: Achsenfehler <10 Grad, Rotationsfehler <10 Grad
    • CAVE: Erhalt der physiologischen Antekurvation
    • Gipsanlage unter Narkose ggf. Gipskeilung, diaphysäre Frakturen haben die Tendenz zur Varusfehlstellung
    • Komplikation: Rückfall in Varusfehlstellung, Nachkontrolle für 2 Jahre oder bis Fugenverschluss
  • operative Therapie:
    • Indikation: nicht exakt reponierbare oder retinierbare Frakturen, Kompartmentsyndrom, gleichzeitige Femurfraktur oder Begleitverletzung
    • eilige Versorgung
    • Methode der Wahl:
      • 2 intramedulläre Marknägel (1/3 Markraumdurchmesser)
      • von medial und lateral der Tuberositas tibiae antegrad
      • Spitzen distal nach dorsal gedreht: Herstellung der Antekurvation
      • in der Regel geschlossene Reposition
      • keine Osteosynthese der Fibula
      • Ent- oder Teilbelastung für 3 Wochen, Vollbelastung bei Querfrakturen
      • Metallentfernung: 3-4 Monate
    • Fixateur extern: 2. und 3. gradige offene Frakturen, Weichteildefekt, Mehrfragmentfraktur
    • Komplikation: Beinverlängerung (Kleinkinder) durch Fugenstimulierung, Beinverkürzung (ab 8.-10. Lebensjahr) aufgrund vorzeitigem Verschluss der Fuge
Abb. 3-52: Fortgeschrittenes Kompartmentsyndrom nach Spaltung der Muskellogen
Abb. 3-53: Fortgeschrittenes Kompartmentsyndrom nach Spaltung der Muskellogen
Orthoforum

Prognose / Komplikationen:

- Fehlstellung:

  • Fixateur und Platten-osteosynthese hohes Risiko
  • ab >5 Grad Fehlstellung: Gefahr degenerativer Veränderungen in angrenzenden Gelenken

- Knie- Schmerz:

  • ca. 50% der Patienten klagen nach Marknageleinbringung über Knieschmerzen
    (belastungsabhängig, Knien)
  • Risiko erhöht bei Zugang durch gespaltenes Lig. patellae
  • Metallentfernung führt bei >75% zu deutlicher Beschwerdelinderung

- Pseudarthrose:

  • wenn keine Frakturkonsolidierung innerhalb von 6 Monaten
  • Therapie:
    • Ultraschall
    • Elektrostimulation
    • Dynamisierung bei axial stabilen Frakturen (Typ A, B?)
    • axial instabile Frakturen (Typ B, C):
      • Aufbohren und Austausch des Marknagels
      • Spongiosaplastik (bei offenen Frakturen Grad 3 nach Gustilo erst nach 3 Monaten)

- Kompartmentsyndrom:

  • unverhältnismäßige Schmerzen
  • prall-elastische Schwellung und Druckschmerz
  • Kompartmentdruck:
    • ist der Druck höher als der diastolische Blutdruck – 30 dann ist dies ein Hinweis auf ein Kompartmentsyndrom (Bsp. RR: 120/70, dann ist ein Kompartmentdruck >40mm Hg pathologisch)
    • von anderen Autoren wird jeder Druck >30mm Hg als pathologisch angesehen
  • Spätzeichen: sollten nicht abgewartet werden!
  • Sensibilitätsstörung zwischen Dig. 1 und 2 ( N. peroneus profundus )
  • Zehenheberschwäche
  • Pulsverlust A. dorsalis pedis / A. tibialis posterior
  • die Klinik ist entscheidend, im Zweifel Kompartmentspaltung
  • Risiko:
    • Weichteiltrauma
    • Zug über längere Zeit (Lagerung auf Frakturtisch)
    • Marknagel? (aufgebohrt und unaufgebohrt)
  • Therapie:
    • Fasziotomie aller 4 Kompartimente nach Mason
    • Notfall
VORHERIGES KAPITEL NÄCHSTES KAPITEL