Tibiaschaftfraktur
- direktes Trauma:
- oft ausgeprägtes Weichteiltrauma (Typ 2-3 nach Tscherne)
- häufig Mehrfragmentfraktur
- indirektes Trauma:
- Torsionsverletzung
- geringeres Weichteiltrauma (Typ 0 & 1 nach Tscherne)
- oft Spiralfraktur, einfache Fraktur (Typ A), Fibulafraktur weiter proximal oder distal
Bildgebung:
- Röntgen: AP, seitlich
Einteilung:
AO - Klassifikation AO-Klass 42-A bis C
- Typ A: einfache Fraktur
- A1: Spiralfraktur
- A2: schräg, Winkel >30 Grad
- A3: quer, Winkel <30 Grad
- Typ B: Keilfraktur mit 2 Hauptfragmenten mit Kontakt
- B1: Drehkeil
- B2: Biegekeil
- B3: fragmentierter Keil
- Typ C: Mehrfragmentfraktur
- C1: spiralförmig
- C2: segmental
- C3: unregelmäßig
Therapie:
konservative Therapie:
- Indikation:
- Typ A 2 und A3:
- Fehlstellung <5 Grad
- Fehlrotation <10 Grad
- Verkürzung von <1cm
- Gipsruhigstellung (6-8 Wochen), später Sarmiento Schiene (4-10 Wochen)
- Heilungszeit verlängert
- Funktion schlechter als nach Operation
operative Therapie:
- Marknagelversorgung:
- Therapie der Wahl
- proximale und distale Verriegelung
- erhöhte Komplikationsrate bei proximalen und distalen Frakturen
- unaufgebohrte Nägel:
- höhere Pseudarthroserate
- längere Heilungszeit
- häufiger Bruch der Verriegelungsschrauben
- aufgebohrte Nägel:
- Kompartmentsyndrom häufiger
- aufgebohrter Nagel ist Methode der Wahl
- kein aufgebohrter Marknagel bei gleichzeitigem Thoraxtrauma
Fixateur extern:
- offene Fraktur
- Problem:
- Pininfekte
- Fehlstellung
- heute zunehmend von unaufgebohrten oder minimal aufgebohrten Marknägeln verdrängt
- Wechsel zum Marknagel innerhalb von 1 Woche ohne erhöhte Infektionsgefahr möglich
- Wechsel auf Marknagel nach längerer Fixateurtragezeit zeigt Infektionsraten bis 50%
- Plattenosteosynthese:
- nur für proximale oder distale Frakturen, die nicht mit einem Marknagel versorgt werden können
- Nachteile:
- hohe Pseudarthroserate
- lange Heilungszeit
- Vollbelastung erst spät möglich
- ausgedehnter Zugang
- offene Fraktur:
- frühes Débridement (ggf. Wiederholung nach 48 Stunden) und perioperative Antibiotikaprophylaxe senken das Infektionsrisiko
- minimal aufgebohrter oder unaufgebohrter Marknagel ist aufgrund geringerer Infektionsrate und leichterer Weichteildeckung bei offenen Frakturen Implantat der Wahl
- Fixateur:
- Pseudarthroserate erhöht
- häufiger Heilung in Fehlstellung
- Pininfekte
- post-OP:
- Röntgenverlaufskontrolle
- Hochlagerung bis Abschwellung
- Ausschluss Kompartmentsyndrom
- beschwerdeadaptierte passive Mobilisierung
- Teilbelastung 10kg für 6 Wochen
- ggf. nach 8 Wochen Dynamisierung des Marknagels
Kindesalter:
Unterschenkelfraktur
- starkes Trauma (Verkehrsunfälle, Sturz aus großer Höhe)
- DD: Kindesmissbrauch
- D/2 (Grünholzfraktur, Toddler Fraktur),D/4 (Querfraktur) und D/5 (Spiralfraktur)
- 2/3 isolierte Tibiafrakturen
- 40% mittleres und 50% distales Drittel
- Therapie:
- konservative Therapie:
- wenn gute Reposition und Retention im Gips möglich, dann konservative Therapie
- Indikation: Achsenfehler <10 Grad, Rotationsfehler <10 Grad
- CAVE: Erhalt der physiologischen Antekurvation
- Gipsanlage unter Narkose ggf. Gipskeilung, diaphysäre Frakturen haben die Tendenz zur Varusfehlstellung
- Komplikation: Rückfall in Varusfehlstellung, Nachkontrolle für 2 Jahre oder bis Fugenverschluss
- operative Therapie:
- Indikation: nicht exakt reponierbare oder retinierbare Frakturen, Kompartmentsyndrom, gleichzeitige Femurfraktur oder Begleitverletzung
- eilige Versorgung
- Methode der Wahl:
- 2 intramedulläre Marknägel (1/3 Markraumdurchmesser)
- von medial und lateral der Tuberositas tibiae antegrad
- Spitzen distal nach dorsal gedreht: Herstellung der Antekurvation
- in der Regel geschlossene Reposition
- keine Osteosynthese der Fibula
- Ent- oder Teilbelastung für 3 Wochen, Vollbelastung bei Querfrakturen
- Metallentfernung: 3-4 Monate
- Fixateur extern: 2. und 3. gradige offene Frakturen, Weichteildefekt, Mehrfragmentfraktur
- Komplikation: Beinverlängerung (Kleinkinder) durch Fugenstimulierung, Beinverkürzung (ab 8.-10. Lebensjahr) aufgrund vorzeitigem Verschluss der Fuge
Prognose / Komplikationen:
- Fehlstellung:
- Fixateur und Platten-osteosynthese hohes Risiko
- ab >5 Grad Fehlstellung: Gefahr degenerativer Veränderungen in angrenzenden Gelenken
- Knie- Schmerz:
- ca. 50% der Patienten klagen nach Marknageleinbringung über Knieschmerzen
(belastungsabhängig, Knien) - Risiko erhöht bei Zugang durch gespaltenes Lig. patellae
- Metallentfernung führt bei >75% zu deutlicher Beschwerdelinderung
- Pseudarthrose:
- wenn keine Frakturkonsolidierung innerhalb von 6 Monaten
- Therapie:
- Ultraschall
- Elektrostimulation
- Dynamisierung bei axial stabilen Frakturen (Typ A, B?)
- axial instabile Frakturen (Typ B, C):
- Aufbohren und Austausch des Marknagels
- Spongiosaplastik (bei offenen Frakturen Grad 3 nach Gustilo erst nach 3 Monaten)
- Kompartmentsyndrom:
- unverhältnismäßige Schmerzen
- prall-elastische Schwellung und Druckschmerz
- Kompartmentdruck:
- ist der Druck höher als der diastolische Blutdruck – 30 dann ist dies ein Hinweis auf ein Kompartmentsyndrom (Bsp. RR: 120/70, dann ist ein Kompartmentdruck >40mm Hg pathologisch)
- von anderen Autoren wird jeder Druck >30mm Hg als pathologisch angesehen
- Spätzeichen: sollten nicht abgewartet werden!
- Sensibilitätsstörung zwischen Dig. 1 und 2 ( N. peroneus profundus )
- Zehenheberschwäche
- Pulsverlust A. dorsalis pedis / A. tibialis posterior
- die Klinik ist entscheidend, im Zweifel Kompartmentspaltung
- Risiko:
- Weichteiltrauma
- Zug über längere Zeit (Lagerung auf Frakturtisch)
- Marknagel? (aufgebohrt und unaufgebohrt)
- Therapie:
- Fasziotomie aller 4 Kompartimente nach Mason
- Notfall