Acetabulumfraktur
- Rasanztrauma (Verkehrsunfall)
- junge Männer
- Verletzungsmechanismus abhängig von der Krafteinleitung:
- Krafteinleitung über Trochanter major
- Krafteinleitung über das Knie bei gebeugter Hüfte
- Krafteinleitung über den Fuß bei gestrecktem Knie- und Hüftgelenk
- Krafteinleitung über die dorsalen Beckenanteile
- Nervus ischiadicus: Verletzung durch Fragmente der hinteren Pfanne, initial meist Peroneusanteil betroffen
Bildgebung:
- Röntgen:
- Beckenübersicht
- Inletaufnahme:
- Strahlenverlauf von cranial in das Becken
- Beckeneingangsebene mit direkter Aufsicht auf die Linea terminalis
- Beurteilung ventro-dorsale Verschiebung
- Outletaufnahme:
- Strahlenverlauf von distal im Winkel von 45 Grad
- Beurteilung cranio-kaudale Verschiebung
- Beurteilung Sakrum
- Ala- Aufnahme: Judet- Aufnahme
- nicht betroffene Seite um 45 Grad angehoben
- Beurteilung vorderer Pfannenrand und hinterer Pfeiler
- Obturator Aufnahme:
- betroffene Seite um 45 Grad angehoben
- hinterer Acetabulumrand und vorderer Pfeiler
- Tränenfigur: Position des Hüftkopfes zur Tränenfigur, Hinweis auf Subluxation
- Unterbrechung Linea iliopectinea (vorderer-) oder ilio-ischiale Linie (hinterer Pfeiler)
- Computertomografie: Ausschluss begleitender Beckenringfrakturen und Hüftkopffrakturen
Einteilung:
Judet und Letournel:- 2-Säulen-Theorie: auf dem Kopf stehendes Y
- vordere Pfeiler: verläuft vom Os Ilium zum Os pubis
- hintere Pfeiler: verläuft vom Os Ilium zum Os ischium
- Dach: Os ilium und Pfannendach
- einfache Frakturen:
- Fraktur des hinteren Pfannenrands
- Fraktur des hinteren Pfeilers
- Fraktur des vorderen Pfannenrands
- Fraktur des vorderen Pfeilers
- Querfraktur durch das Pfannendach (transvers)
- komplexe Frakturen:
- Fraktur des hinteren Pfeilers und des hinteren Pfannenrands
- Querfraktur und Fraktur des hinteren Pfannenrands
- T-Fraktur
- Fraktur des vorderen Pfeilers und hintere Querfraktur
- Fraktur des hinteren - und vorderen Pfeilers: Acetabulum ist nicht mehr mit dem Sakrum verbunden
AO Klassifikation:
- Typ A: partielle Fraktur der Gelenkfläche, nur ein Pfeiler ist von der Fraktur betroffen
- A1: hinterer Pfannenrand
- A2: hinterer Pfeiler
- A3 vorderer Pfeiler oder Pfannenrand
- Typ B: partielle Fraktur der Gelenkfläche, transvers; beide Pfeiler sind quer frakturiert, jedoch ist ein Teil des Acetabulums noch mit dem proximalen Ilium verbunden
- B1: transvers
- B2: T-förmig
- B3: Fraktur des vorderen Pfeilers und hintere Querfraktur
- Typ C: komplette Fraktur des Acetabulums, beide Pfeiler; Acetabulum hat keine Verbindung zum Achsenskelett mehr
- C1: hohe Fraktur beider Pfeiler
- C2: niedrige Fraktur beider Pfeiler
- C3: mit Beteiligung des ISG
Therapie:
- temporäre Traktion als zeitweise Ruhigstellung (Extension)
konservative Therapie:
- Indikation:
- Hüftkopf kongruent zur Hüftpfanne (Gelenkstufe <2 mm)
- keine Beteiligung des Gewicht tragenden Pfannenknochens (Matta Bogen: 45 Grad der cranialen Pfanne in Beckenübersichtsaufnahme, Obturator-Aufnahme und AlaAufnahme normal)
- 10 Kg Teilbelastung für 3 Monate: bessere Entlastung des Hüftgelenks als Gehen unter Entlastung (Gelenkreaktionskräfte bei 10kg Teilbelastung geringer)
operative Therapie:
- Indikation:
- jeder Hinweis auf eine Subluxation
- Fragmente, die mehr als 50% der hinteren Wand umfassen
- > 2mm Stufe in der Gelenkfläche
- intraartikuläre Fragmente
- instabile Frakturen: komplexe Frakturen nach Judet und Letournel
- elektiver Eingriff, nur Hüftluxation ist ein Notfall
- Zugang:
- dorsal:
- Kocher- Langenbeck
- ventral:
- Letournel (ilioinguinal)
- Smith-Peterson
- Osteosynthese: mit Beckenrekonstruktionsplatte und Schraubenosteosynthese (siehe Abb. 3-21)
- Prophylaxe für heterotope Ossifikation
- Indomethacin 2x50mg für 2 Wochen, danach 50 mg/Tag für 3 Monate oder
- einmalige Bestrahlung mit 7 Gy
- perioperative Antibiotikaprophylaxe
- post-OP:
- 6-8 Wochen 10kg Teilbelastung
- im Anschluss Röntgenverlaufskontrolle, ggf graduelle Steigerung der Belastung
- Metallentfernung in der Regel nicht indiziert
- Alternativen: Ziel jeder Operation sollte zunächst die Rekonstruktion der Anatomie sein, in Einzelfällen:
- Hüftprothese
- ggf. Arthrodese (junger Patient)
Prognose / Komplikationen:
- Coxarthrose: abhängig von der Qualität der Gelenkrekonstruktion und dem Ausmaß des Knorpelschadens
- Hüftkopfnekrose bei Luxationsfrakturen