Die chronisch verhakte Schulterluxation
- Inzidenz: bezogen auf alle Schulterluxationen
- verhakte hintere Luxation 2%
- verhakte vordere Luxation 4%
- Risiko:
- Krampfanfälle
- Polytrauma und lebensgefährliche Unfälle
- Patienten, die nicht in der Lage sind, ihre Beschwerden kundzutun
- im Durchschnitt ist die Diagnose um 8 Monate verzögert
- je länger die Therapie verzögert wurde, um so schlechter das zu erwartende Ergebnis
- Wenn man bei jedem Patienten mit Schulterschmerz oder Bewegungseinschränkung aneine Schulterluxation denkt, sollte keine Luxation übersehen werden.
Klinik / Diagnose:
- rechts / links Asymmetrie
- verhakte hintere Luxation:
- prominentes Coracoid
- der Humeruskopf ragt nach dorsal über das Akromion hinaus
- eingeschränkte Abduktion, Flexion (<100 Grad)
- Innenrotationskontraktur (10-60 Grad),
- keine aktive & passive Außenrotation
- verhakte vordere Luxation:
- Verlust der Deltakontur
- Vorstehen des hinteren Akromions
- Einschränkung der Beweglichkeit geringer als bei der verhakten hinteren Luxation
- Risiko:
- Gefäss-Nervenverletzung, da diese Verletzungen häufig beim älteren Menschen auftreten
- >50% aller verhakten hinteren Luxationen gehen mit einer Fraktur einher (Collum chirurgicum)
- Computertomografie:
- bei Hinweis auf ausgeprägten knöchernen Defekt (reverse Hill Sachs Defekt): Computertomografie zur definitiven Beurteilung der Defektgröße
- MRT:
- verhakte vordere Luxation: Ausschluss einer Subscapularisruptur
- verhakte hintere Luxation: Ausschluss einer Infraspinatusruptur
Therapie:
konservative Therapie:
- verhakte hintere Luxation:
- Patienten ohne chirurgische Therapie zeigen im Verlauf keine Progredienz der Schmerzen und zunehmende Funktionseinschränkung
- überlegtes Nichtstun bei alten Patienten, die mit der Hand den Mund, den vorderen Oberkörper und die Genitalregion erreichen und deren Gegenseite eine normale Funktion hat
- geschlossene Reposition:
- wenn Repositionsversuch innerhalb der ersten 6 Wochen, dann Erfolgsrate zwischen 17 und 25%
- geschlossene Reposition nur, wenn Luxation <6 Wochen und <20% Gelenkflächenbeteiligung
- Vollnarkose
- Röntgenbild: 50% dieser Luxationen zeigen gleichzeitig eine Fraktur
- Technik:
- langsame Innenrotation, um die hintere Kapsel zu dehnen
- Zug nach lateral, um die Verhakung zu lösen
- dann Reposition durch Außenrotation
- anschließend permanente Ruhigstellung (Tag und Nacht) in 15 Grad Außenrotation für 6 Wochen
- verhakte vordere Luxation:
- chronisch verhakte vordere Luxation wird in der Regel schlechter toleriert als ihr hinteres Gegenstück
- Patienten mit hinterer Luxation haben bessere Funktionswerte
- Position der luxierten Schulter in Abduktion und Außenrotation verhindert das Erreichen des Körpers
- überlegtes Nichtstun nur, wenn geringe Behinderung und die Luxation seit langer Zeit besteht, so dass ein schlechtes Rekonstruktionsergebnis zu erwarten ist
- geschlossene Reposition:
- Kontraindikation:
- >1 Woche
- Rotatorenmanschettenruptur
- Fraktur
- wenn Repositionsversuch: immer DMS testen (ältere Patienten!)
- Kontraindikation:
operative Therapie:
- verhakte hintere Luxation:
- Indikation:
- ausgeprägte Beschwerden
- gute Knochensubstanz
- Patient operationsfähig
- Patient in der Lage, Rehabilitationsprogramm durchzuführen
- Krampfleiden therapiert
- Größe der reversen Hill Sachs Delle: bei großem Defekt (vorderer Humeruskopf) kommt es mit zunehmender Innenrotation zu einer erneuten Luxation:
- Hill Sachs Delle: <20% des Humeruskopfes bedarf keiner Therapie
- Hill Sachs Delle: 20-40% des Humeruskopfes:
- McLaughlin: Transfer des M. subscapularis in den Defekt (Erfolgsrate 44%)
- Modifikation nach Neer:
- Transfer des Tuberculum minus mit Subscapularis in den Defekt
- Erfolgsrate fast 100%, deswegen Methode der Wahl
- Zugang von vorn durch das deltopectorale Intervall, um ggf. die Implantation einer Endoprothese durchführen zu können
- post-OP: Ruhigstellung mit einer Schiene in Außenrotationsstellung
- alternativ:
- Rotationsosteotomie mit Rotation des Kopfes nach außen oder des Schaftes nach innen, so dass der Knochendefekt bei der Innenrotation nicht zu einer Luxation führt, oder
- osteochondrales Allograft vom Femurkopf, das in den Defekt eingepasst und durch versenkte Schrauben fixiert wird
- Hemicap: partieller Oberflächenersatz
- Hill Sachs Delle: >40% des Humeruskopfes:
- Schulterprothese:
- bei Arthrose des Glenoids: Totalendoprothese
- Technik: Positionieren in relativer Anteversion (weniger Retroversion als sonst: 5-10 Grad)
- post-OP: Ruhigstellung in Außenrotationsschiene für 6 Wochen
- hohes Reluxationsrisiko: Alternativ inverse Prothese
- verhakte vordere Luxation:
- häufig Kapsulotomie nötig, um Außenrotationskontraktur zu korrigieren
- da Hill Sachs Delle >40% in der Regel zu rezidivierenden Luxationen bei Außenrotation
führt, wird in diesen Fällen eine Schulterprothese favorisiert- Problem: Instabilität
- Knochendefekte des Glenoids mit Spongiosa oder Resten des Humeruskopfes augmentieren
- genaue Beurteilung der Qualität der Subscapularissehne, da diese häufig
ausgedünnt ist, ggf. kann eine Verstärkung mit einer Allograftsehne in Betracht gezogen werden
- Ergebnisse: bei weitem nicht so gut wie beim Schultergelenksersatz infolge einer verhakten hinteren Luxation
- bei frischeren Luxationen kann bis zu 40-50% Kopfbeteiligung ggf. eine Rotationsosteotomie durchgeführt werden
- eine Mc Laughlin Operation gibt es für die verhakte vordere Luxation nicht
- Problem: Instabilität