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Notizbuch

Diskogener Kreuzschmerz, Facettensyndrom, ISG Irritation

- 80% der Bevölkerung haben mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen
- chronische Rückenschmerzen sind Rückenschmerzen, die mehr als 3 Monate anhalten
- Problem: Patienten mit chronischen Rückenschmerzen haben intersegmentale Synapsen, die klinisch eine exakte Segmentzuordnung nicht mehr erlauben
- rezidivierende Schmerzreize können zu einem Schmerzgedächtnis führen, das auch ohne Reiz eine Schmerzwahrnehmung verursacht
- Dekonditionierung: fehlende physische Belastbarkeit begünstigt die Entstehung chronischer Schmerzen
- Patienten mit chronischen Schmerzen haben häufig psychosoziale Probleme und leiden unter Depression und Inaktivität

 

Abb. 5-5: Degenerative Veränderungen der Facettengelenke (Pfeile A-C)
Abb. 5-5: Degenerative Veränderungen der Facettengelenke (Pfeile A-C)
Orthoforum

Klinik:

- Bewegungsumfang: Rotation, Re- und Inklination, Ott- und Schober-Zeichen
- Druck- und Klopfschmerz
- radikuläre Symptomatik: Sensibilitätsstörungen, Lähmungen, positiver Lasègue, positiver
umgekehrter Lasegue
- psychosomatische Beurteilung
- Verlaufsbeurteilung und Messen des Therapieerfolgs: Oswestry-Score

  • Fragebogen zum Rückenschmerz
  • enthält Fragen zu Schmerzintensität, Körperpflege, Fähigkeit, Gewichte zu heben, Gehstrecke, Sitzen, Stehen, Schlafen, Sexualleben, Soziale Stellung und Mobilität

 

Abb. 5-6: Ott-Zeichen
Abb. 5-6: Ott-Zeichen
Orthoforum

- Chronizität der Beschwerden sollte mit der Stadieneinteilung nach Gerbershagen untersucht werden (Gerbershagen HU, Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerztherap 1992; 27:377-380); Hinweise für Chronifizierung sind:

  • Andauern der Beschwerden über längeren Zeitraum
  • gleichbleibende Schmerzintensität
  • multilokuläres Schmerzbild
  • regelmäßig mehr als 2 Medikamente
  • mehr als eine Entzugsbehandlung
  • mehr als 3x den Arzt gewechselt
  • mehr als 3 Krankenhausaufenthalte aufgrund von Schmerzen
  • mehr als 3 Operationen
  • mehr als 2 schmerzbedingte Rehabilitationsmaßnahmen
  • Patienten, die 7 Kriterien erfüllen, haben eine schwere Chronifizierung

- Röntgen: AP & seitlich (Re- und Inklination)

  • Beurteilung einer segmentalen Instabilität: eine Translation von >4-5mm und eine relative Abknickung >15 Grad sind ein Hinweis auf eine segmentale Instabilität
  • es besteht eine geringe Korrelation zwischen segmentaler Instabilität und Rückenschmerz

- Diskografie:

  • Punktion des Nucleus pulposus und Injektion von 1.5-2.5ml Kontrastflüssigkeit
  • reproduziert dies die bekannten Schmerzen, so ist das ein entscheidender Hinweis auf das symptomatische Bandscheibenfach
  • Diskographie wird heute nicht mehr verwendet

- Diskografie+CT: im Anschluss an die Diskografie wird im CT die Verteilung des Kontrastmittels in der Bandscheibe analysiert
- MRT: „black disc disease“, der Flüssigkeitsverlust einer degenerativ veränderten Bandscheibe zeigt sich als hypointenses Signal in der T2 gewichteten Sequenz
- Differentialdiagnose:

  • Tumoren, Metastasen
  • Tethered Cord: Spitze des Conus medullaris sollte auf Höhe von BWK 12/LWK1 liegen, bei einem Tethered Cord liegt der Conus tiefer (z. B. bei Dysraphien)
  • Apoplex des Conus medullaris: Gefäßverschluss der Versorgungsgefäße mit plötzlichem Beschwerdebeginn
  • Aortenaneurysma (beidseitige Beschwerden, abgeschwächte Pulse)
  • osteoporotische Frakturen gewinnen immer mehr an Bedeutung (auch Sakruminsuffizienzfrakturen)

Therapie:

konservative Therapie: Injektionsbehandlung
- Kortison:

  • Triamcinolonacetonid (Volon A, Triam-Inject KS) Verweildauer 3-8 Tage
  • Triamcinolonhexaacetonid (Lederlon) Verweildauer: 6 Tage
  • Rimexolon (Rimexel) Verweildauer: 25 Tage

- Lokalanästhetika:

  • bevorzugt vom Amid-Typ: Lidocain (Xylocain), Bupivacain (Carbostesin)
  • Bupivacain stärker und länger wirksam als Lidocain, jedoch höhere Toxizität

- Facetteninfiltration:

  • in Bauchlage
  • Einstichstelle zwischen den Dornfortsätzen 2cm paramedian
  • Vorschub der Kanüle bis knöcherner Kontakt (ggf. unter Bildverstärkerkontrolle)
  • Nadel sollte im kaudalen Gelenkrezessus liegen
  • Diagnostik: 1-1.5ml Lokalanästhetikum
  • Therapie: 2ml Lokalanästhetikum und Kortikoid

 

Abb. 5-7: Facettengelenksinfiltration des linken Facettengelenks LWK 3/4 (A-B). Wurzelblockade der Nervenwurzel LWK 5 unterhalb des linken Querfortsatzes des 5. Lendenwirbelkörpers (C-D)
Abb. 5-7: Facettengelenksinfiltration des linken Facettengelenks LWK 3/4 (A-B). Wurzelblockade der Nervenwurzel LWK 5 unterhalb des linken Querfortsatzes des 5. Lendenwirbelkörpers (C-D)
Orthoforum

 

- Iliosakralgelenksinfiltration:

  • in Bauchlage
  • 2cm lateral des Dornfortsatzes LWK 5, bzw. 2-3cm medial der Spina iliaca posterior superior
  • Infiltration 45 Grad nach kaudal und lateral
  • Diagnostik: 3-5ml Lokalanästhetikum
  • Therapie: 5-10ml Lokalanästhetikum und Kortikoid

- Wurzelblockade:

  • in Bauchlage
  • unter Bildverstärker Infiltration der Nervenwurzel distal des Querfortsatzes
  • alternativ: Einstichstelle 8cm paramedian über dem Beckenkamm, in 60 Grad-Neigung zur Koronarebene wird die Nadel horizontal für die Spinalnervenwurzel L 4 und 45 Grad nach kaudal für die Spinalnervenwurzel L5 nach medial vorgeschoben
  • Diagnostik: 1ml Lokalanästhetikum
  • Therapie: 5ml Lokalanästhetikum und Kortikoid

- Epidural-Perineurale Injektion:

  • in Bauchlage (oder Sitzen)
  • Zweinadeltechnik
  • Einstich der Führungsnadel etwa 2cm paramedian von der Gegenseite in etwa 45 Grad Neigung zur betroffenen Seite die Nadel vorschieben
  • nach Durchstechen der interspinalen Bänder wird die dünnere Spinalnadel durch die Führungsnadel vorgeschoben bis ein knöcherner Kontakt erreicht ist (Bildverstärkerkontrolle)
  • Aspiration (Liquor?)
  • Therapie: 1ml Lokalanästhetikum und 1ml Kortikoid

 

Therapie akute Lumbago chronische Lumbago
Analgetika + +
NSAR ++ ++
Bettruhe -  
Trainingstherapie - +++
TENS - (-)
-Verhaltenstherapie - +
Traktion - (+)

Epidurale Injektion

(radikuläre Symptome)

+ ++
Rückenschule (+)

Arbeitsplatz +++

außerhalb: -

Muskelrelaxans ++ +
Manualtherapie + +
Antidepressiva   -
Orthese   -
Akupunktur   (+)

Tab. 5-3: Beurteilung der Wirksamkeit der konservativen Therapie des chronischen Rückenschmerzes
auf der Basis von 150 Studien (Tulder et al, Spine 1997; 22: 2128-2156): „+“positiver Effekt, „-“
kein Effekt

 

- sakrale Injektion:

  • der Patient wird auf allen Vieren gelagert (Knie-Ellenbogen) und mit einer dünnen Spinalnadel in der Medianlinie der Hiatus sacralis punktiert (10ml)

- epidurale Injektion:
- tiefe paravertebrale Infiltration:

  • Bauchlage (oder im Sitzen)
  • 5-6 cm paramedian wird die Nadel eingestochen und bis zum Querfortsatz vorgeschoben
  • Therapie: 7ml Lokalanästhetikum und Kortikoid

konservative Therapie: Krankengymnastik

- medizinische Trainingstherapie:

  • Schulung der Körperwahrnehmung
  • Verbesserung der neuromuskulären Aktivierung
  • Muskelaufbau und Beseitigung von Dysbalancen
  • Training unter Alltags- und Berufsbedingungen

- Rückenschule: am Arbeitsplatz und unter Arbeitsbedingungen entscheidender Bestandteil der Therapie des chronischen Rückenschmerzes

- NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika
- Analgetika: die wichtigsten Vertreter sind Metamizol (Novalgin) und Paracetamol (Benuron)

operative Therapie:
- Indikation:

  • Versagen der konservativen Therapie
  • keine psychosomatische Schmerzverarbeitungsstörung oder Rentenbegehren
  • klinische Symptomatik und Befund der Diskografie und des MRT stimmen überein
  • unauffällige Nachbarsegmente

- Technik:

  • Versteifung:
    • dorsale Stabilisierung mit Pedikelschrauben und intervertebrale Fusion mit Knochenspan oder Cage-Implantat:
    • PLIF=posterior lumbar interbody fusion,
    • TLIF=transforaminal lumbar interbody fusion: Zugang von weiter lateral (einseitige Facettengelenksresektion), geringeres Risiko der Nervenwurzelirritation
    • posterolaterale Fusion: Anfrischen des Processus transversus, Anlage von Spongiosa und Spondylodese mit Pedikelschrauben
    • ALIF (anterior lumbar interbody fusion)
    • minimal invasive Operationstechniken, Navigation: laparoskopische anteriore Fusion oder dorsale Fusion über minimalen Zugang mit Navigationsinstrumenten sind en vogue, jedoch besteht gegenwärtig Konsensus, dass diese den offenen Verfahren nicht überlegen sind

- Bandscheibenprothese:

  • bisher keine definitive Indikation, gute Kandidaten haben:
    • Bandscheibenfachhöhe von >4mm
    • keine Arthrose in den Facettengelenken
    • kein Verschleiß in den Anschlusssegmenten
    • schlank
  • mittelfristige Ergebnisse (bis 5 Jahre): vergleichbar der Arthrodese
  • auch wenn sich initial eine gewisse Beweglichkeit der künstlichen Bandscheibe zeigt, ist im Verlauf bei ca. ¼ der Patienten langfristig mit einer de facto „Fusion“ zu rechnen

 

Abb. 5-8: Monosegmentale Osteochondrose im Segment L5/S1: vor (A,B) und nach Implantation einer ProDisc Bandscheibenprothese
Abb. 5-8: Monosegmentale Osteochondrose im Segment L5/S1: vor (A,B) und nach Implantation einer ProDisc Bandscheibenprothese
Orthoforum

 

- Dynesys:

  • sicher und wirksam (Stoll TM 2002)
  • Komplikation: Schraubenlockerung (7/83), Verschleiß der Anschlusssegmente (7/83)

- minimal invasive Techniken:

  • IDET intradiscal electrothermal therapy
  • discTRODE intradiscal electrothermal annuloplasty
  • intervertebral disc decompression

Prognose / Komplikation:

- schwedische Lumbar Spine Study Group (2001 und 2004):

  • prospektiv randomisiert zeigt die Therapie des chronischen Rückenschmerzes durch eine Spondylodese nach 2 Jahren bessere Ergebnisse als die konservative Therapie
  • nach 5 Jahren besteht zwischen den Gruppen jedoch kein Unterschied mehr
  • Olle Hägg: durch die Fusion kann Zeit gewonnen werden, d.h. der Patient erreicht schneller eine Beschwerdelinderung, die langfristigen Ergebnisse sind jedoch gleich

- Patienten, die mehr als 2 Jahre aufgrund chronischer Rückenschmerzen nicht gearbeitet haben, haben nur eine minimale Chance, dass sie jemals wieder arbeiten werden
- post-OP:

  • degenerative Veränderungen der Anschlusssegmente
  • Pseudarthrose
  • Nervenverletzung
  • Duraverletzung
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