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Notizbuch

Frakturen der Fingerglieder (Phalangen)

- Inzidenz:

  • 100 Frauen und 150 Männer/100 000 Einwohner im Jahr betroffen
  • distale Phalanx: 32% aller Handfrakturen
  • Mittelfinger > Kleinfinger

Diagnose / Klinik:

- Schwellung
- Schmerz
- Hämatom
- klinische Untersuchung zum Ausschluss: Fraktur, Seitenbandverletzung, Sehnenabriss
- neurologische Untersuchung: Durchblutung, Motorik und Sensibilität
- Röntgen in 3 Ebenen:

  • dorsopalmar (dp) und streng seitliche Aufnahme, Schrägaufnahme (Zentralstrahl auf MP-Gelenk)
  • Beurteilung: Fraktur, Subluxation, Luxation

extraartikuläre Fraktur:

- distale Phalanx:

 

Abb. 7-3: Frakturen der distalen Phalanx: Längsbruch (A), Querbruch (B) und Nagelkranztrümmerbruch (C)
Abb. 7-3: Frakturen der distalen Phalanx: Längsbruch (A), Querbruch (B) und Nagelkranztrümmerbruch (C)
Orthoforum

 

  • geschlossene Reposition und Schienung für 2-4 Wochen
  • PIP-Gelenk kann in der Regel frei bleiben
  • perkutane K-Drahtfixierung: sinnvoll bei Verlust des Nagels als sekundärem Stabilisator
  • nach 2-4 Wochen Beginn der Mobilisation im DIP-Gelenk

- mittlere und proximale Phalanx:

  • keine Fragmentverschiebung: Ruhigstellung durch Tapen an den benachbarten Fingern für 3-4 Wochen (Twin-Tape-Verband)
  • Spiralfraktur: ggf. Schienung für 3-4 Wochen oder Schraubenosteosynthese
  • Operationsindikation: Fragmentverschiebung oder Instabilität nach Reposition
    • häufig bei Schräg-, Spiral- und Trümmerfrakturen
    • Frakturen der Knochenbasis häufig instabil aufgrund divergenten Muskelzugs

- geschlossene Reposition:

  • Beugung im Metacarpophalangealgelenk, um intrinsische Muskulatur zu entspannen
  • axialer Zug und Verstärkung der Deformität, um Fragmente zu lösen
  • anschließend Reposition
  • Kontrolle der Rotation
  • Schienung: MCP-Gelenk leichte Beugung, PIP- und DIP-Gelenk in Streckung für 3-4 Wochen

 

Abb. 7-4: Intraartikuläre Frakturen der Basis der proximalen Phalanx: knöcherner Ausriss des Seitenbandes (A), vertikaler Scherfraktur (B) und Trümmerfraktur (C)
Abb. 7-4: Intraartikuläre Frakturen der Basis der proximalen Phalanx: knöcherner Ausriss des Seitenbandes (A), vertikaler Scherfraktur (B) und Trümmerfraktur (C)
Orthoforum

 

- operative Stabilisierung:

  • perkutane Stabilisierung Methode der Wahl (K-Draht, Schrauben, Plattenosteosynthese (Vernarbungen))
  • wenn MCP-gelenkübergreifende Fixierung mit K-Draht, dann in 60 Grad Beugung, um Kontraktur der Seitenbänder zu vermeiden
  • offene Reposition und Osteosynthese, ggf. Spongiosaplastik indiziert bei:
    • nicht reponierbaren Frakturen
    • Knochensubstanzverlust
    • wenn perkutan keine adäquate Fixierung möglich

 

Abb. 7-5: Trümmerfraktur der Basis der proximalen Phalanx
Abb. 7-5: Trümmerfraktur der Basis der proximalen Phalanx
Orthoforum
  • Fixateur extern: bei schwerer Weichteilverletzung
  • Krankengymnastik möglichst früh, um Vernarbungen und Gelenkkontrakturen zu verhindern

 

 

 

 

 

 

 

intraartikuläre Fraktur des DIP- und PIP-Gelenks:

- Abriss der Streckaponeurose an der distalen Phalanx mit Gelenkbeteiligung: Hammer-Finger, Drop-Finger, sog. Busch-Fraktur

  • 6-8 Wochen Schienung DIP-Gelenk in Streckung, falls keine Dislokation
  • PIP-Gelenk wird nicht mit geschient
  • Operationsindikation:
    • palmare Subluxation
    • dorsales Fragment >1/3 der Gelenkfläche
  • Operationstechnik:
    • perkutane Reposition und K-Drahtfixierung, Drahtcerclage, Hakendraht-methode oder Schraubenosteosynthese

- Kompressionsfraktur Basis der distalen Phalanx:

  • Versuch einer geschlossenen Reposition und perkutanen K-Draht Fixierung
  • offene Reposition und Osteosynthese möglichst vermeiden

- intraartikuläre Fraktur der proximalen und mittleren Phalanx:

  • Versuch der geschlossenen Reposition und perkutanen K-Draht- oder SchraubenOsteosynthese
  • offene Reposition, wenn bei geschlossener Reposition kein zufriedenstellendes Ergebnis
  • bei bikondylären Frakturen ist meistens eine offene Reposition und eine Osteosynthese mit Zugschraube und Platte nötig
Abb. 7-6: Verlängerung einer Wunde unter Minimierung post-operativer Narbenkontrakturen
Abb. 7-6: Verlängerung einer Wunde unter Minimierung post-operativer Narbenkontrakturen
Orthoforum

intraartikuläre Fraktur des MCP-Gelenks:

- intraartikuläre Fraktur der Basis der proximalen Phalanx:

  • keine Fragmentverschiebung: Tapen an benachbarten Finger
  • Fragmentverschiebung: offene Reposition und Osteosynthese

- intraartikuläre Fraktur des Metakarpalköpfchens:

  • keine Fragmentverschiebung: Schienung in 70-90 Grad Beugung im MCP-Gelenk
  • Fragmentverschiebung: offene Reposition und Osteosynthese
    • meist Schraubenversorgung, ggf. perkutan
    • Risiko einer avaskulären Nekrose des Metakarpalköpfchens: möglichst geringe Darstellung des Knochens

 

 

Luxation des DIP-Gelenks:

- Scharniergelenk: Stabilisierung über Gelenkkonformität und Seitenbänder
- ca. 2/3 offene Luxation
- geschlossene Luxation: Reposition durch Flexion im DIP-Gelenk und axialen Zug
- offene Luxation:

  • Antibiotika
  • Spülung und Débridement
  • offene Reposition

- nach Reposition:

  • Schienung des DIP-Gelenks in Flexion für 2-3 Wochen,
  • Röntgenbild
  • langsame Mobilisation ab 2. Woche

- palmare Luxation: 6-8 Wochen Schienung
- immer prüfen, ob Beugesehne intakt

Luxation des PIP-Gelenks:

- Scharniergelenk: Gelenkkonformität und Seitenbänder, primäre Stabilisierung
- dorsale Luxation:

  • häufigste Luxation
  • reine Luxation, die Seitenbänder sind intakt
  • Eaton-Klassifikation:
    • Typ 1: Hyperextensionsverletzung, Tapen an Nachbarfinger
    • Typ 2: dorsale Luxation ohne Fraktur
      • Reposition durch axialen Zug
      • klinisch keine Instabilität: Tapen
      • klinisch instabil: Schienung in 10 Grad mehr Flexion als Position der Instabilität, schrittweise Streckung um 10 Grad jede Woche
    • Typ 3a: Luxationsfraktur <40% der Gelenkfläche (stabil): geschlossene Reposition und Schienung oder offene Reposition und Osteosynthese
    • Typ 3b: Luxationsfraktur >40% der Gelenkfläche (instabil): offene Reposition und Osteosynthese

- palmare Luxation:

  • gerade palmare Luxation: geschlossene Reposition durch Längszug
  • Rotationsluxation:
    • Kondylus luxiert zwischen Beugesehne und Seitenband: Reposition durch Beugung in MCP-Gelenk und PIP-Gelenk
    • oft offene Reposition nötig

- seitliche Luxation:

  • Ruptur eines Seitenbandes und der palmaren Platte
  • geschlossene Reposition und Schienung für 1-2 Wochen

Luxation des MCP-Gelenks:

- am ehesten Luxation nach dorsal oder ulnar
- Hyperextension im MCP-Gelenk: Hinweis auf dorsale Luxation
- Reposition: Flexion des Handgelenks und Reposition der proximalen Phalanx
- wenn Reposition aufgrund einer Weichteilinterposition (palmare Platte, Beugesehne, M. lumbricalis) nicht möglich:

  • klinisch verringerte Hyperextension
  • Röntgen: Verbreiterung des Gelenkspalts
  • offene Reposition

Prognose / Komplikation:

- Bewegungseinschränkung:

  • Prophylaxe:
    • frühe Mobilisation, um Verwachsungen zu vermeiden
    • Operation mit minimalem Weichteiltrauma
    • Ruhigstellung in Flexion im MCP-Gelenk sowie Extension im DIP- und PIP-Gelenk
  • chirurgisches Release und Mobilisation sind wenig erfolgversprechend

- Fehlstellung:

  • regelmäßige Röntgenverlaufskontrollen, um Verlust der Reposition rechtzeitig zu korrigieren

- Infektion:

  • offene Fraktur
  • Pin-Infekt

- Pseudarthrose:

  • selten
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