SLAP-Läsion
- Superior Labrum Anterior Posterior Läsion
- Labrum ist ein faserknorpeliger Ring, der ähnlich dem Meniskus die Gelenkfläche vergrößert und die Pfanne vertieft.
- „suction cup“ Effekt: das Labrum formt ein Siegel um die artikulierende Gelenkfläche, erhält den Flüssigkeitsfilm und hilft, den Humeruskopf zu zentrieren
- Blutversorgung:
- geht von Kapsel und Periost, nicht vom Knochen aus
- ähnlich dem Meniskus ist die Versorgung an der Basis besser
- lange Bizepssehne:
- Ursprung am Tuberculum supraglenoidale und dem superioren Labrum
- die Bizepssehne hat eine geringe Depressorfunktion auf den Humeruskopf, deren klinische Bedeutung jedoch unklar ist
- Labrum: stabilisiert das Schultergelenk
- vertieft die Pfanne
- SLAP-Läsionen führen zu einer vermehrten Belastung des Lig. glenohumerale inferior insbesondere des anterioren Anteils
- Pathomechanismus: Kompression (Sturz auf ausgestreckten Arm), Zug (Wasserski), Peelback (Werfer, Überkopfsportler insbesondere beim Vorliegen eines GIRD)
- GIRD: glenohumeral internal rotation deficit
- Vermehrte Außenrotation und überproportionale Einschränkung der Innenrotation der Wurfarmschulter im Vergleich zur Gegenseite (in 90 Grad Abduktion)
- Ursache: posteroinferiore Kapselkontraktur
- sehr häufig mit Typ 2 SLAP-Läsionen vergesellschaftet
- Therapie: Dehnung der hinteren Kapsel
- Buford-Komplex:
- normale anatomische Variante
- Lig. glenohumerale medium strahlt direkt in das superiore Labrum am Ansatz des Bizeps ein
- der anteriorsuperiore Anteil des Labrums fehlt
- Differentialdiagnose: sublabraler Recessus, sublabral hole - kleine Dehiszenz zwischen 12 und 3 Uhr ohne Krankheitswert
Einteilung:
Stephen J. Snyder:
- Typ 1: (11%) degenerative Veränderungen des Labrumrandes ohne Beeinflussung der Verankerung von Bizeps und Labrum- Typ 2: (41%) Abriss des Bizepssehnenankers vom Tuberculum supraglenoidale
- Bizeps und Labrum sind gemeinsam abgelöst
- nach Morgan: anterior (Typ-2A), posterior (Typ-2B) oder beides (Typ-2C)
- Typ 3: (33%) Korbhenkelriss des superioren Labrums, ohne dass der Bizepssehnenanker betroffen ist- Typ 4: (15%) Korbhenkelriss des superioren Labrums, der Riss reicht in den Bizepssehnenanker hinein
- Kombinierte Verletzungen: Typ 2 & Typ 3 oder 4
- Typ 5-7 (nach Maffet): Assoziation mit anteriorer oder posteriorer Bankart-Läsion
Klinik / Diagnose:
- schlecht lokalisierbarer Schulterschmerz (in der Regel bei Überkopfaktivitäten)
- Einklemmungsgefühl oder Schnappen ist selten
- Anamnese:
- Zugverletzung: nach vorn beim Wasserski, nach oben beim Reckturnen, nach unten durch Luxation des Gelenks
- Kompression durch Sturz auf den ausgestreckten Arm
- Kompressions- und Rotationsprovokationstest: Schmerzprovokation unter Kompression des Schultergelenks und Rotation (ähnlich Meniskustests)
- O’Brien-Test für Typ 2 SLAP-Läsion: Arm wird 20 Grad adduziert und 90 Grad flektiert. Druck nach unten mit proniertem Unterarm (Innenrotation: Daumen zeigt nach unten): Schmerz ist Hinweis auf SLAP, mit supiniertem Untarm (Daumen zeigt nach oben): Hinweis auf ACPathologie (Der O’Brien Test kann auch bei einer AC-Arthrose positiv sein!)
- Speed-Test: der Arm wird in 90 Grad Flexion im Schultergelenk gehalten, die Handflächen zeigen nach oben. Schmerzen bei Druck nach unten sind ein Hinweis auf Bizepssehnenveränderungen und eine SLAP Läsion.
- Moving Valgus Test: Arm wird in der Scapula-Ebene maximal abduziert und ein Valgusstress nach medial und dorsal ausgelöst: Schmerz
- bei einem defekten Labrum-Bizepsanker-Komplex kann die Rotatorenmanschette direkt über das Glenoid „reiben“, so dass eine Kombination aus einer SLAP-Läsion und einer partiellen oder kompletten Rotatorenmanschettenruptur möglich wird (SLAC Läsion: superior labrum and anterior cuff)
- Hyperflexions-Widerstandstest nach Habermeyer: Patient in Rückenlage, Arme beide maximal flektiert auf der Liege. Anheben gegen Widerstand schmerzhaft (oft kann die Ausgangsposition nicht schmerzfrei eingenommen werden)
- der Apprehension-Test kann Schmerzen durch Zug am Labrum auslösen
- Rotatorenmanschettenatrophie insbesondere der Fossa infraspinata kann auf eine Kompression des N. suprascapularis durch ein sekundäres Ganglion bei einer SLAP-Läsion zurückzuführen sein (MRT)
- intraartikuläre Injektion: diagnostisch und therapeutisch bei Verdacht auf SLAP
- Röntgen: AP, Supraspinatus-Tunnel (SST), axiale Aufnahme
- Ausschluss einer SLAP-Fraktur (durch Kompression des Humeruskopfes gegen den Oberrand des Glenoids)
- MRT:
- es ist schwierig, eine SLAP-Läsion im MRT zu diagnostizieren
- intraartikuläre Gadoliniumgabe verbessert die Darstellbarkeit (MRT Arthrografie Methode der Wahl)
- Gold Standard: Arthroskopie
- Eine genaue Diagnose und Klassifizierung ist häufig erst durch eine Arthroskopie möglich. CAVE: vermeide Überdiagnose und Therapie von SLAP 1 Läsionen
- Typ 1,3 & 4 sind relativ leicht zu erkennen
- Typ 2 bedarf der genauen Untersuchung mit einem Tasthaken, um einen physiologischen Spalt zwischen Labrum und Glenoid von einer SLAP-Läsion zu unterscheiden
Therapie:
konservative Therapie:
- Typ 1: gute Indikationen für
konservative Therapie
- intraartikuläre Injektion kann zu
dauerhafter Schmerzlinderung führen
- Krankengymnastik:
- bei allen SLAP-Läsionen sollte mit
dem Arm unter Schulterniveau
gearbeitet werden, um Belastung des Labrums zu minimieren - kein Bankdrücken und Lat-ziehen
- Arbeit in geschlossener Kette führt zu einer Gelenkkompression und ist kontraindiziert
- GIRD: Verbesserung des Innenrotationsdefizits (Sleeper Stretch)
operative Therapie:
- Typ 2,3 und 4 SLAP-Läsionen sollten operativ, Typ 1 Läsionen können zunächst konservativ therapiert werden
- Typ 1: Débridement der degenerativen Veränderungen, eine Verletzung des Bizepsankers sollte vermieden werden
- Typ 2: 1 Nahtanker in den oberen Rand des Glenoids vor den Bizepsanker mit einem Faden der anterior und einem Faden der posterior durch das Labrum geführt wird (alternative Techniken beschrieben)
- Typ 3:
- zunächst wird der Labrumkorbhenkel mit Zangen und dem Shaver abgetragen, da eine Reparatur oft nicht möglich ist
- es ist auf den Ansatz des Lig. glenohumerale medium zu achten: strahlt dieses in das anteriorsuperiore Labrum ein (Buford-Komplex), so sollte die Resektion des Korbhenkels nur mit äußerster Vorsicht und unter Schonung des Ansatzes des Lig. glenohumerale medium erfolgen
- ggf. muss hier das Labrum mit Nahtankern fixiert werden, um eine Insuffizienz des Lig. glenohumerale medium zu vermeiden
- im Anschluss an die Resektion des Korbhenkels sollte die Stabilität des Bizepssehnenansatzes mit einem Tasthaken geprüft werden
- Typ 4:
- werden wie Typ 3 Läsionen durch Resektion des Labrumlappens und des eingerissenen Bizepsanteils behandelt, es sei denn, es liegt eine ausgeprägte Schwächung der eingerissenen Bizepssehne vor (>30% der Sehne betroffen)
- ist die Bizepssehne geschwächt, erfolgt eine individuelle Entscheidung (Alter, Aktivität, Rest-Bizeps bereits degenerativ verändert) zwischen
- Rekonstruktion der Bizepssehne oder der gesamten SLAP-Läsion oder
- Release der Bizepssehne und Tenodese
- Bizepstenodese: wesentlich reproduzierbarere Ergebnisse als die meisten SLAP-Operationen,
Methode der Wahl ab dem 40. Lebensjahr und bei Re-Operationen
- post-OP:
- Typ 1 freie Mobilisation
- Typ 2-4 je nach Ausmaß der Rekonstruktion sollte eine Belastung der Bizepssehne für mindestens 6 Wochen unterbleiben:
- 4 Wochen Ruhigstellung in einer Armschlinge mit freier Mobilisation der Hand und
des Ellenbogens sowie Pendelübungen und passive Mobilisation der Schulter bis 60 Grad - aktive Belastung erst, wenn keine Schmerzen bei freier passiver Beweglichkeit ab 5. Woche
- ab 6. Woche: isometrische und isotone Kräftigungsübungen für die Rotatorenmanschette
- Sport ab 12. Woche
- 4 Wochen Ruhigstellung in einer Armschlinge mit freier Mobilisation der Hand und
- Begleitverletzungen:
- 30% der Patienten haben eine partielle Rotatorenmanschettenruptur
- 10% eine komplette Rotatorenmanschettenruptur
- 20% eine Bankart-Läsion
- Prognose:
- Ergebnisse nach Rekonstruktion einer SLAP Läsion sehr unterschiedlich
- Ab dem 40. Lebensjahr empfiehlt sich fast immer ein Bizepstenodese, -tenotomie
- Sportler (Werfer und Überkopfsportler): Verlust des Leistungsniveaus durch SLAP Rekonstruktion nicht selten (rezidivierende Beschwerden: Bizepstenodese)
- bei professionellen Überkopfsportlern kehrt ca. 1/3 nicht auf das vorherige Leistungsniveau zurück