Tibia vara
- Wachstumsstörung der medialen Wachstumsfuge: Varusfehlstellung und Innenrotation der Tibia
- infantile Form: Morbus Blount- infantile Form: prädisponierende/ ätiologische Faktoren
- Amerikaner afrikanischen Ursprungs
- Schwarze karibischen Ursprungs (Jamaika)
- Übergewicht
- früher Laufbeginn
- kein Stoffwechseldefekt oder angeborene Achsenfehlstellung
- adoleszente Form: prädisponierende/ ätiologische Faktoren
- Übergewicht
- leichte Varusfehlstellung
- Differentialdiagnose: Rachitis
- Metaphyse im Gegensatz zum Morbus Blount becherförmig verbreitert
- Verknöcherungsstörungen im Bereich des Übergangs von der Epiphyse zur Metaphyse
Einteilung:
Zeitpunkt des Auftretens:
- infantile Form: beidseitig, vor dem 6. Lebensjahr (1.-3. Lebensjahr)
- juvenile Form: 6-10. Lebensjahr
- adoleszente Form: >10. Lebensjahr
infantile Tibia vara (M. Blount):
- Langenskiöld:
- 6 Stadien nach radiologischer Ausprägung der Deformität:
- Stadium 1-3: Varusdeformität der Tibia, zunehmende schnabelförmige Deformierung und Abwinkelung der Epiphyse
- Stadium 4: Verschmälerung der medialen Epiphysenfuge und fortschreitender Abfall des medialen Epiphysenanteils
- Stadium 5: deutliche Deformität der Epiphyse, die Wachstumsfuge ist um 90 Grad abgewinkelt
- Stadium 6: knöcherner Epiphysenverschluss
- King-Klassifikation:
- Grad 1: fragliche Tibia vara, Varus <15 Grad
- Grad 2: Tibia vara, Frühform: Varus 15-30 Grad
- Grad 3: Tibia vara mit fortgeschrittener Deformität der Epiphyse
- Grad 4: teilweiser Verschluss der Wachstumsfuge (Computertomografie)
Klinik / Diagnose:
- physiologische Tibia vara: Winkel zwischen Metaphyse und Diaphyse (Levine-Drennan-Winkel) <11 Grad
infantile Form: (M. Blount)
- Laufbeginn: initial vermehrte tibiale Innenrotation
- Levine-Drennan-Winkel >15 Grad und prädisponierende Faktoren (siehe oben): progredienter Verlauf wahrscheinlich
- Laufen mit innenrotiertem Fuß und gebeugten Knien führt zu progredienter Varusfehlstellung
- Röntgen: Kniegelenk AP & seitlich: abrupte Abwinkelung der medialen Metaphyse und Bildung eines schnabelartigen Fortsatzes (Einteilung nach Langenskiöld)
juvenile Form
- ausgeprägte Varusfehlstellung
- geringere Beteiligung der Epiphyse als bei den fortgeschrittenen Stadien der infantilen Tibia vara
adoleszente Form:
- zunehmende Varusdeformität und Verbreiterung der medialen Epiphyse im Jugendalter
Therapie:
infantile Form:
- King 1 oder Langenskiöld 1-3:
- konservativ
- Nachtschienen (Denis-Brown-Schiene): eine Entlastung der medialen Epiphyse ist nur durch komplexe Hüft- und Sprunggelenk einfassende Schienen möglich und kaum praktikabel
- King 2 oder Langenskiöld 4:
- progredient und älter als 3 Jahre: proximale Tibiaosteotomie (Korrektur der Innenrotation und Varusdeformität)
- gleichzeitige Fibulaosteotomie notwendig, da Osteotomie unterhalb der Tuberositas (anders als bei Erwachsenen mit Arthrose)
- Gefahr der Verletzung der A. poplitea am Abgang der A. tibialis anterior und A. tibialis posterior
- Gefahr des Kompartmentsyndroms: immer Faszie des anterioren Kompartments offen belassen
- King 3 oder Langenskiöld 5: Überkorrektur nötig, um Rezidiv zu vermeiden
- King 4 oder Langenskiöld 6:
- transepiphysäre Osteotomie und Epiphysiodese oder
- Resektion des verknöcherten Anteils der Wachstumsfuge und distale Korrekturosteotomie
- später oft Verlängerung nötig
- Hexapodfixateur (z. Bsp. Taylor-Spatial-Frame) beste Therapieoption: ermöglicht 3-D Korrektur (Varus, Innenrotation und Verkürzung)
juvenile Form:
- Therapie wie bei der adoleszenten Form, jedoch höhere Rezidivrate
- laterale Epiphysiodese vor dem 10. Lebensjahr keine gute Alternative
adoleszente Form:
- spontane Ausheilung möglich
- proximale Tibiaosteotomie: nahe Wachstumsstop ist eine Überkorrektur wie bei der infantilen Form nicht nötig
- genaue Planung unter Berücksichtigung der Gelenklaxizität, des Übergewichts und begleitender Fehlstellungen der distalen Tibia und des Femurs
- Ilisarov-Fixateur oder Taylor-Spatial-Frame gute Alternative zu Plattenosteosynthese
- Korrekturosteotomie: Anheben des medialen Tibiaplateaus mit einer zur Eminentia intercondylaris ansteigenden medialen Osteotomie
- laterale Epiphysiodese:
- Problem: Wachstumsfuge krank, „keine Blount-Klammern bei Morbus Blount“
- Problem: Rotationsfehlstellung kann nicht korrigiert werden
Komplikationen / Prognose:
- intraartikuläre Deformität: Arthrose