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Notizbuch

Tibia vara

- Wachstumsstörung der medialen Wachstumsfuge: Varusfehlstellung und Innenrotation der Tibia
- infantile Form: Morbus Blount- infantile Form: prädisponierende/ ätiologische Faktoren

  • Amerikaner afrikanischen Ursprungs
  • Schwarze karibischen Ursprungs (Jamaika)
  • Übergewicht
  • früher Laufbeginn
  • kein Stoffwechseldefekt oder angeborene Achsenfehlstellung

- adoleszente Form: prädisponierende/ ätiologische Faktoren

  • Übergewicht
  • leichte Varusfehlstellung

- Differentialdiagnose: Rachitis

  • Metaphyse im Gegensatz zum Morbus Blount becherförmig verbreitert
  • Verknöcherungsstörungen im Bereich des Übergangs von der Epiphyse zur Metaphyse

Einteilung:

Zeitpunkt des Auftretens:
- infantile Form: beidseitig, vor dem 6. Lebensjahr (1.-3. Lebensjahr)
- juvenile Form: 6-10. Lebensjahr
- adoleszente Form: >10. Lebensjahr

infantile Tibia vara (M. Blount):
- Langenskiöld:

  • 6 Stadien nach radiologischer Ausprägung der Deformität:
    • Stadium 1-3: Varusdeformität der Tibia, zunehmende schnabelförmige Deformierung und Abwinkelung der Epiphyse
    • Stadium 4: Verschmälerung der medialen Epiphysenfuge und fortschreitender Abfall des medialen Epiphysenanteils
    • Stadium 5: deutliche Deformität der Epiphyse, die Wachstumsfuge ist um 90 Grad abgewinkelt
    • Stadium 6: knöcherner Epiphysenverschluss

 

Abb. 4-33: Langenskiöld Klassifikation (in Anlehnung: Langenskiöld A. J Bone Joint Surg 1964; 46-A: 1405)
Abb. 4-33: Langenskiöld Klassifikation (in Anlehnung: Langenskiöld A. J Bone Joint Surg 1964; 46-A: 1405)
Orthoforum

 

- King-Klassifikation:

  • Grad 1: fragliche Tibia vara, Varus <15 Grad
  • Grad 2: Tibia vara, Frühform: Varus 15-30 Grad
  • Grad 3: Tibia vara mit fortgeschrittener Deformität der Epiphyse
  • Grad 4: teilweiser Verschluss der Wachstumsfuge (Computertomografie)
Abb. 4-34: Winkel zwischen Metaphyse und Diaphyse nach Levine und Drennan (angelehnt an Levine, Drennan. J Bone Joint Surg 1982; 62-A: 1159)
Abb. 4-34: Winkel zwischen Metaphyse und Diaphyse nach Levine und Drennan (angelehnt an Levine, Drennan. J Bone Joint Surg 1982; 62-A: 1159)
Orthoforum

Klinik / Diagnose:

- physiologische Tibia vara: Winkel zwischen Metaphyse und Diaphyse (Levine-Drennan-Winkel) <11 Grad

infantile Form: (M. Blount)
- Laufbeginn: initial vermehrte tibiale Innenrotation
- Levine-Drennan-Winkel >15 Grad und prädisponierende Faktoren (siehe oben): progredienter Verlauf wahrscheinlich
- Laufen mit innenrotiertem Fuß und gebeugten Knien führt zu progredienter Varusfehlstellung
- Röntgen: Kniegelenk AP & seitlich: abrupte Abwinkelung der medialen Metaphyse und Bildung eines schnabelartigen Fortsatzes (Einteilung nach Langenskiöld)

juvenile Form
- ausgeprägte Varusfehlstellung
- geringere Beteiligung der Epiphyse als bei den fortgeschrittenen Stadien der infantilen Tibia vara

adoleszente Form:
- zunehmende Varusdeformität und Verbreiterung der medialen Epiphyse im Jugendalter

Therapie:

infantile Form:
- King 1 oder Langenskiöld 1-3:

  • konservativ
  • Nachtschienen (Denis-Brown-Schiene): eine Entlastung der medialen Epiphyse ist nur durch komplexe Hüft- und Sprunggelenk einfassende Schienen möglich und kaum praktikabel

- King 2 oder Langenskiöld 4:

  • progredient und älter als 3 Jahre: proximale Tibiaosteotomie (Korrektur der Innenrotation und Varusdeformität)
  • gleichzeitige Fibulaosteotomie notwendig, da Osteotomie unterhalb der Tuberositas (anders als bei Erwachsenen mit Arthrose)
  • Gefahr der Verletzung der A. poplitea am Abgang der A. tibialis anterior und A. tibialis posterior
  • Gefahr des Kompartmentsyndroms: immer Faszie des anterioren Kompartments offen belassen

- King 3 oder Langenskiöld 5: Überkorrektur nötig, um Rezidiv zu vermeiden
- King 4 oder Langenskiöld 6:

  • transepiphysäre Osteotomie und Epiphysiodese oder
  • Resektion des verknöcherten Anteils der Wachstumsfuge und distale Korrekturosteotomie
  • später oft Verlängerung nötig

- Hexapodfixateur (z. Bsp. Taylor-Spatial-Frame) beste Therapieoption: ermöglicht 3-D Korrektur (Varus, Innenrotation und Verkürzung)

juvenile Form:
- Therapie wie bei der adoleszenten Form, jedoch höhere Rezidivrate
- laterale Epiphysiodese vor dem 10. Lebensjahr keine gute Alternative

adoleszente Form:
- spontane Ausheilung möglich
- proximale Tibiaosteotomie: nahe Wachstumsstop ist eine Überkorrektur wie bei der infantilen Form nicht nötig
- genaue Planung unter Berücksichtigung der Gelenklaxizität, des Übergewichts und begleitender Fehlstellungen der distalen Tibia und des Femurs
- Ilisarov-Fixateur oder Taylor-Spatial-Frame gute Alternative zu Plattenosteosynthese
- Korrekturosteotomie: Anheben des medialen Tibiaplateaus mit einer zur Eminentia intercondylaris ansteigenden medialen Osteotomie
- laterale Epiphysiodese:

  • Problem: Wachstumsfuge krank, „keine Blount-Klammern bei Morbus Blount“
  • Problem: Rotationsfehlstellung kann nicht korrigiert werden

Komplikationen / Prognose:

- intraartikuläre Deformität: Arthrose

 

Abb. 4-35: Fixateurassistierte Umstellung bei einem 12-jährigen Mädchen mit einer juvenilen Tibia vara (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
Abb. 4-35: Fixateurassistierte Umstellung bei einem 12-jährigen Mädchen mit einer juvenilen Tibia vara (Eigentum des Instituts für Klinische Radiologie der Universität Münster)
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